OGH 1Ob78/07p

OGH1Ob78/07p14.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ernst K*****, und 2) Franz K*****, beide vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. Ing. Gottfried F*****, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, wegen EUR 39.113,37 s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2007, GZ 11 R 90/06w-97, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. August 2006, GZ 5 Cg 75/04t-93, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger begehrten den Klagsbetrag aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Beklagte habe ein - im Auftrag eines Dritten erstattetes - falsches Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit der Bewertung einer später von den Klägern gekauften Liegenschaft abgegeben. Im Gutachten sei nämlich ausgeführt, dass ein Wasseranschluss an das Ortsnetz vorhanden sei, während tatsächlich das Wasser über einen eigenen Brunnen bezogen worden sei. Die Vorinstanzen wiesen die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass es keinen Einfluss auf den Verkehrswert der Liegenschaft habe, ob die Wasserversorgung über das öffentliche Leitungsnetz oder mittels eigenen Brunnens erfolge. Da der Zweck des Gutachtens in der Ermittlung des damals aktuellen Verkehrswerts gelegen gewesen sei, habe der Beklagte auf abstrakt mögliche zukünftige Entwicklungen auch im Interesse Dritter nicht Bedacht nehmen müssen.

Die Revisionswerber monieren einen Verstoß gegen die Rechtsprechung zur Ermittlung des Vermögensschadens als konkretem Vermögensvergleich mit und ohne dem schädigenden Ereignis. Es sei mit den Grundsätzen der Schadensermittlung des Vermögensschadens völlig unvereinbar, unbeschadet des Eigenbrunnens die Tatsache des unvermeidbaren Anschlusszwangs völlig zu vernachlässigen, obwohl dieser für die Preisentscheidung der Kläger von Relevanz gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Den Klägern ist es indes nicht gelungen, Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

1. Grundsätzlich wird nach § 1300 Satz 1 ABGB nur demjenigen gegenüber gehaftet, dem Rat oder Auskunft erteilt wird. Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur dann in Betracht, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter vorliegt, oder die objektiv-rechtlichen Schutzpflichten auf den Dritten zu erstrecken sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Entscheidend ist somit der Zweck des Gutachtens (Karner in KBB², § 1300 Rz 3). Aus dem Gutachtensauftrag ergibt sich, welche Interessen Dritter geschützt sind. Mögliche Kreditgeber oder Käufer genügen (RIS-Justiz RS0017178). In Bezug auf die Frage der schadensverursachenden Haftung ist der Gutachtensauftrag jener Maßstab, an dem die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens zu messen ist (RIS-Justiz RS0106433). Nur soweit die Aufgabe des Sachverständigen reicht, kann er dem Dritten verantwortlich werden (Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten [1983], 88). Folgt aus einer Vertragsverletzung ein Schaden, so ist dieser nur zu ersetzen, wenn der Vertrag seinem Schutzzweck nach gerade solche Schäden verhindern sollte. Der Schutzzweck des Vertrags ist durch dessen Auslegung zu ermitteln. Dabei tritt anstelle einer verallgemeinernden Betrachtung iS der Adäquanztheorie eine am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung, wobei auch die Entgeltlichkeit sowie das Verhältnis des Entgelts zur Risikotragung zu berücksichtigen sind (4 Ob 521/87 = JBl 1987, 720). Auch für das Vertragsrecht führt die Lehre vom Schutzzweck dazu, dass der Schädiger nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen hat. Es sind ihm nur Beeinträchtigungen jener Interessen zurechenbar, deren Schutz der Vertrag gerade bezweckte (Koziol, Haftpflichtrecht I3 8/49).

2. Im vorliegenden Fall lag der Zweck des vom Beklagten verfassten Gutachtens in der Ermittlung des Verkehrswerts. Den Klägern ist der Nachweis nicht gelungen, dass der Umstand der Wasserversorgung über den Hausbrunnen anstatt über das öffentliche Leitungsnetz einen Einfluss auf den Verkehrswert der Liegenschaft gehabt habe. Der Beklagte hat somit grundsätzlich einen (zum damaligen Zeitpunkt) richtigen Verkehrswert der Liegenschaft ermittelt, und zwar 63 Mio ATS. Die Berücksichtigung eines - mit dem Umstand des Fehlens eines Wasseranschlusses an das Ortsnetz verbundenen - allfälligen Anschlusszwangs hätte im Verhältnis zum ermittelten Verkehrswert der Liegenschaft keinen nennenswerten Minderbetrag ergeben. Ein allfälliger Einfluss des geringfügig abgeminderten Verkehrswerts auf die Kaufentscheidung der Kläger, die letztlich um den Betrag von lediglich knapp über 7 Mio ATS gekauft haben, ist jedenfalls zu vernachlässigen.

3. War somit die Art der Wasserversorgung ohne nennenswerten Einfluss auf den Verkehrswert der Liegenschaft, so lag der Umstand der diesbezüglichen Fehlangabe des Sachverständigen (= Beklagten) außerhalb des geschützten Interesses des Auftraggebers und allfälliger Dritter, sodass die Haftung des Beklagten von den Vorinstanzen zu Recht abgelehnt wurde (vgl. auch 2 Ob 191/06m zum schutzwürdigen Interesse eines außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten).

Die außerordentliche Revision der Kläger ist daher zurückzuweisen.

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