OGH 9Ob42/07b

OGH9Ob42/07b8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Christian R*****, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen die beklagte Partei Flughafen Wien Aktiengesellschaft, 1300 Wien-Flughafen, Postfach 1, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Partnerschaft von Rechtsanwälten (OEG) in Wien, wegen EUR 4.867,00 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2007, GZ 21 R 521/06z-14, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 20. Juli 2006, GZ 2 C 341/06z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3. September 2005 stellte der Kläger seinen PKW auf dem „Parkplatz C" der Beklagten ab. Zuvor hatte er einen Parkschein gelöst, auf dessen Rückseite nicht nur ein Hinweis auf die ausgehängten Abstellbedingungen abgedruckt, sondern gleichzeitig vermerkt war, dass eine Verpflichtung zur Verwahrung und Bewachung der abgestellten Fahrzeuge nicht bestehe und eine Haftung für Schäden durch Dritte ausgeschlossen sei.

Punkt 10. („Haftung") der Einstellbedingungen der Beklagten hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

„10.1 Der Halter der Parkierungseinrichtungen haftet für Schäden nur, soweit diese nachweislich durch ihn, sein Personal oder Erfüllungs- bzw Besorgungsgehilfen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden, wobei für das Verhalten von Besorgungsgehilfen nur unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB gehaftet wird. Für Schäden durch Dritte wird nicht gehaftet. Der Halter der Parkierungseinrichtungen ersetzt jedoch freiwillig den Zeitwert des abhanden gekommenen abgestellten Kraftfahrzeuges bis höchstens EUR 43.603,70 pro Fahrzeug, sowie bis EUR 363,36 infolge Entwendung von Gegenständen, die sich in oder auf dem Fahrzeug befinden . .....

10.2 Bei Diebstahl von Fahrzeugen, dessen Bestandteile oder dessen Inhalts sowie bei Schadensereignissen durch Feuer ist bei der zuständigen Polizeibehörde umgehend Anzeige zu erstatten.

..... „

Der Kläger begehrt von der Beklagten EUR 4.867,00. Sein geparktes Fahrzeug sei durch einen Brandanschlag auf ein anderes Fahrzeug zur Gänze zerstört worden. Dies sei als „Abhandenkommen" iSd Punktes 10.1. der Einstellbedingungen zu werten, sodass ihm die Beklagte den Zeitwert des PKW zu ersetzen habe. Die Beklagte hafte darüber hinaus als Parkhausbetreiberin gemäß § 970 ABGB. Ein Haftungsausschluss sei nicht gültig vereinbart worden. Zudem sei es grob sorgfaltswidrig, dass die Beklagte es unterlassen habe, für einen angemessenen Feuerversicherungsschutz zu sorgen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Parkgaragen seien keine Aufbewahrungsräume iSd § 970 ABGB. Auf Grund der vorsätzlichen Beschädigung durch einen Dritten treffe sie keinerlei Haftung. Das Fahrzeug des Klägers sei nicht abhanden gekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Streitteile haben wirksam den in den Einstellungsbedingungen der Beklagten vorgesehenen Haftungsausschluss vereinbart. Das Fahrzeug sei nicht iSd Einstellbedingungen „abhanden gekommen". Der „Parkplatz C" sei kein Garagengebäude iSd § 970 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Garagen-Kurzparkvertrag sei ein reiner Mietvertrag, bei dem sich die Pflicht des Vermieters darin erschöpfe, dem Mieter den Gebrauch der Sache, also die Benützung des Abstellplatzes, zu gewähren. Aus der in den Einstellungsbedingungen von der Beklagten übernommenen Haftung für abhanden gekommene Fahrzeuge sei für den Kläger nichts zu gewinnen, weil unter Abhandenkommen lediglich der Verlust des Fahrzeugs durch Diebstahl oder Entwendung zu subsumieren sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision nicht zuzulassen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die hier zu lösende Rechtsfrage angesichts der Vielzahl der Personen, die tagtäglich den „Parkplatz C" der Beklagten benützen, in ihrer Bedeutung über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgeht. Sie ist aber nicht berechtigt.

Den sehr knappen Feststellungen des Erstgerichtes ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob es sich beim „Parkplatz C" der Beklagten um einen bloßen (wenn auch durch Schranken gesicherten) Parkplatz oder um eine Parkgarage handelt. Zwar ist wiederholt von einem Parkplatz die Rede; im Parteivorbringen und in der rechtlichen Beurteilung insbesondere des Berufungsgerichtes wird aber auf eine Parkgarage Bezug genommen. Letztlich ist dies für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil sich die Entscheidung der zweiten Instanz auch unter der Annahme als zutreffend erweist, dass es sich beim „Parkplatz C" um eine Parkgarage handelt.

In seiner richtungsweisenden Entscheidung SZ 68/79 hat der Oberste Gerichtshof unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre die Auffassung vertreten, dass Parkgaragen, wie sie heute wegen des Mangels an Parkplätzen errichtet und benutzt werden, keine Aufbewahrungsräume iS des § 970 Abs 2 ABGB sind: Der historische Gesetzgeber kannte nur Automobilgaragen, die in Anspruch genommen wurden, um das Fahrzeug vor äußeren Einflüssen zu schützen. Jeder Vertrag über das Einstellen von Fahrzeugen in einer „öffentlichen" Garage schloss daher gewisse Obsorgepflichten in sich, die kraft Gesetzes auch die „Gefahr des offenen Hauses" umfassten. Verträge aber, nach denen nur das Parken in einem offenen oder geschlossenen Aufstellungsplatz gestattet wurde, ohne dass Vorsorge für die Ausschaltung äußerer Einflüsse getroffen worden wäre, wurden schon von Koritschan (Der Garagierungsvertrag JBl 1934, 247, 270 [248]) nicht den §§ 970 ff ABGB unterstellt. Das gleiche muss für die heute üblichen Verträge über das Kurzparken in Parkhäusern gelten. Dem Autofahrer geht es nur darum, sein Auto parken zu können; der Unternehmer will ihm den dafür notwendigen Abstellplatz zur Verfügung stellen. Der Garagen-Kurzparkvertrag ist daher ein reiner Mietvertrag. Dass er nur einen Abstellplatz, nicht aber einen bestimmten Abstellplatz betrifft, schadet nicht. Ist ein Garagierungsvertrag aber ein reiner Mietvertrag, so erschöpft sich die Pflicht des Vermieters darin, dem Bestandnehmer den Gebrauch der Sache (= Benützung des Abstellplatzes) zu gewähren. Er „bewahrt" das Fahrzeug nicht „auf" und stellt demnach auch keinen Aufbewahrungsraum iS des § 970 Abs 2 ABGB zur Verfügung. Damit entfällt die Anwendung der §§ 970 ff ABGB (siehe im Detail SZ 68/79).

Dass damit nicht jede Haftung des Garagenbetreibers entfällt, trifft zu. Insbesondere ist es richtig, dass der Garagenunternehmer seinen Betrieb ausreichend durchzuorganisieren und die nach Lage der Dinge zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen zu treffen hat. Dazu werden eine ständige Kontrolle der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge, gelegentliche Rundgänge und ähnliche Maßnahmen gehören, die eine sichere Benützung der Abstellplätze gewährleisten. Kommt er diesen Verpflichtungen nicht nach und wird das Fahrzeug des Parkkunden oder sein Inhalt beschädigt oder gestohlen, so haftet der Garagenunternehmer für sein Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen (§ 1313a ABGB), darüber hinaus aber nur für eigenes deliktisches Verhalten und für das seiner untüchtigen und gefährlichen Besorgungsgehilfen (§ 1315 ABGB). Eine Haftung für Dritte kennt das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht (siehe auch dazu SZ 68/79).

Auch zur Frage der Zulässigkeit von Haftungsausschlüssen wird in der Entscheidung SZ 68/79 umfassend Stellung genommen: Demnach sind Klauseln, wonach der Parkgaragenunternehmer nicht für Schäden durch Dritte haftet, mit § 6 Abs 1 Z 9 KSchG vereinbar und daher zulässig (Kathrein, KBB² § 6 KSchG Rz 16). Ebenso zulässig ist der Ausschluss der Haftung für Sachschäden bei bloß leichtem Verschulden des Garagenunternehmers oder seiner Leute. Die vom Revisionswerber gegen den hier vereinbarten Haftungsausschluss vorgebrachten Argumente sind daher nicht berechtigt.

Richtig ist, dass der Schädiger, der seinem Gläubiger durch Verletzung einer vertraglichen oder gesetzlichen Verbindlichkeit einen Schaden zufügt, gemäß § 1298 ABGB beweisen muss, dass ihn daran kein Verschulden trifft; im Fall eines vertraglich vereinbarten Haftungsausschlusses muss er auch beweisen, dass ihn kein grobes Verschulden trifft (§ 1298 zweiter Satz ABGB). Der Beweis der Kausalität obliegt allerdings weiterhin dem Geschädigten. Dieser muss demnach auch dann die Verursachung des Schadens beweisen, wenn er den Schädiger wegen einer Vertragsverletzung in Anspruch nimmt. Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB gilt nur für das Verschulden; die Schlecht- oder Nichtleistung und den durch sie verursachten Schaden hat der Geschädigte zu beweisen (auch dazu SZ 68/79).

Aus dieser Rechtslage ergeben sich für den vorliegenden Fall nachstehende Konsequenzen:

Mangels gegenteiliger Behauptungen ist davon auszugehen, dass der schadensverursachende Brandanschlag durch einen außenstehenden Dritten erfolgte. Für dessen Verhalten hat die Beklagte schon nach dem Gesetz nicht einzustehen; zudem wurde die Haftung der Beklagten für das Verhalten Dritter wirksam ausgeschlossen.

Eine Haftung der Beklagten könnte daher nur dann bejaht werden, wenn sie einen Organisationsmangel zu verantworten bzw zumutbare Sicherheitsvorkehrungen unterlassen hätte und ihr grobes Verschulden vorzuwerfen wäre. Ein derart haftungsbegründendes Verhalten vermochte der Kläger allerdings nicht aufzuzeigen.

In der Revision beruft er sich in diesem Zusammenhang auf die seiner Ansicht nach grob fahrlässige Unterlassung des Abschlusses einer Feuerversicherung. Dem ist allerdings nicht zu folgen: Die Verpflichtung der Beklagten zu einer solchen Maßnahme würde wohl eine Überspannung der sie treffenden Sorgfaltspflicht bedeuten (vgl auch Binder in Schwimann³ § 970 Rz 48); keinesfalls kann aber in der Unterlassung des Abschlusses einer die Schäden der Garagenkunden deckenden Feuerversicherung eine grob fahrlässige Sorgfaltsverletzung der Beklagten erblickt werden.

Im Übrigen spricht der Kläger in der Revision in diesem Zusammenhang lediglich die Notwendigkeit der ständigen Kontrolle ein- und ausfahrender Fahrzeuge und regelmäßiger Rundgänge an. Daraus ist aber für ihn schon deshalb nichts zu gewinnen, weil er die Behauptung der Beklagten über die Videoüberwachung der Ein- und Ausfahrten und über regelmäßige Rundgänge ihrer Mitarbeiter gerade nicht bestritten hat (S 4 in ON 5). Völlig unkonkretisiert bleibt sein Hinweis auf „das Bereithalten geeigneter Brandschutzvorrichtungen". Seine dazu in zweiter Instanz geäußerten Feststellungswünsche hat schon das Berufungsgericht zu Recht als durch erstinstanzliches Vorbringen nicht gedeckte Neuerung qualifiziert.

Damit bleibt die vom Berufungsgericht als wesentlich erachtete Rechtsfrage, ob die Zerstörung des Fahrzeugs des Klägers als „Abhandenkommen" iSd Punktes 10.1 der Einstellbedingungen der Beklagten zu werten ist. Diese Frage wurde von den Vorinstanzen mit zutreffender Begründung verneint:

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs besteht keinerlei Zweifel daran, dass die Statuierung einer Haftung für „abhanden gekommene" Fahrzeuge auf den Fall abstellt, dass das Fahrzeug iSd allgemeinen Sprachgebrauchs „abhanden kommt", also in Verlust gerät. Davon kann aber hier nicht die Rede sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man von einer teilweisen oder - wie der Revisionswerber meint - gänzlichen Zerstörung des Fahrzeugs ausgeht. Es kann nicht hinwegdiskutiert werden, dass das Fahrzeug nicht „abhanden kam", sondern - wenn auch in einem weitestgehend (oder auch völlig) wertlosen Zustand - vorhanden war. Weder der Umstand, dass eine Wiederherstellung des Klagefahrzeugs wirtschaftlich untunlich bzw aus technischer Sicht nur durch Erneuerung der wesentlichen Fahrzeugteile möglich gewesen wäre, noch der Umstand, dass der PKW verschrottet wurde, kann daran etwas ändern.

Dass in Punkt 10.2. der Einstellbedingungen der Beklagten im Zusammenhang mit der dort normierten Anzeigeobliegenheit von Geschädigten auch Schadensereignisse durch Feuer erwähnt werden, verkennt auch der Oberste Gerichtshof nicht. Auch dieser Umstand kann es aber nicht rechtfertigen, bei der Auslegung des in Punkt 10.2. verwendeten Begriffs des „Abhandenkommens" über den äußerst möglichen Wortsinn der verwendeten Formulierung hinauszugehen.

Der Hinweis des Klägers auf die in keiner Weise vergleichbare Bestimmung des § 14 FSG ist von vornherein verfehlt. Selbst wenn man dem Argument folgen wollte, dass auch einer verbrannter Führerschein „abhanden gekommen" ist, wäre der Vergleich schon deshalb nicht zielführend, weil ein völlig verbrannter Führerschein auch nicht mehr vorhanden ist. Im Übrigen zeigt gerade das Zusammenspiel von § 14 Abs 3 und 4 FSG, dass zwischen einem „abhanden gekommenen" und einem „ungültig gewordenen" Führerschein unterschieden wird.

Die Interpretation der Regelung durch den Kläger, wonach die Haftung für „abhanden gekommene" Fahrzeuge die Haftung für Beschädigungen am Fahrzeug umfasse, entbehrt daher einer rechtfertigenden Grundlage. Da insofern von einer unklaren Formulierung keine Rede sein kann, versagt auch die Berufung auf § 915 ABGB. Auch dem vom Revisionswerber angesprochenen Kontext der gesamten Regelung ist nichts Gegeneiliges zu entnehmen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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