OGH 8Ob70/07p

OGH8Ob70/07p30.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Uwe L*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 96.419,33 (Revisionsinteresse EUR 82.252,87 sA), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2007, GZ 4 R 115/06w-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei löste den mit dem Kläger abgeschlossenen Tankstellenagenturvertrag wegen Nichterbringung der vertraglich vereinbarten Sicherheitsleistung mit 16. 4. 2004 vorzeitig auf.

Die Vorinstanzen erachteten die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses als berechtigt und wiesen das auf Schadenersatz bzw Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG gerichtete Klagebegehren ab.

Mit seinen Ausführungen, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, zeigt der Rechtsmittelwerber keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Der Kläger argumentiert damit, dass die vorzeitige Auflösung des Vertrags nur wegen einer schwerwiegenden Änderung der Verhältnisse in Betracht komme. Die beklagte Partei habe dem Kläger die Tankstelle ohne jede Sicherheitsleistung übergeben; die fristlose Vertragsauflösung - wegen Nichtzahlung der Sicherheitsleistung - sei daher rechtswidrig, weil keine schwerwiegende Änderung der Verhältnisse vorgelegen sei.

Dieses Argument ist nicht geeignet, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuwerfen. Was als wichtiger Grund für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags anzusehen ist, kann schon angesichts der Vielfalt des Lebens nur im Einzelfall beurteilt werden (Jabornegg, Handelsvertreter- und Maklerrecht, 450, 452). Als genereller Maßstab für das Vorhandensein eines wichtigen Auflösungsgrunds sind Vertragsverletzungen anzusehen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster SatzABGB berechtigen; ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatten und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zuließen (1 Ob 42/05s mwH). Für Handelsvertreter sind als Richtschnur die in § 22 HVertrG (demonstrativ) aufgezählten Gründe maßgeblich, die - wie hier - einzelvertraglich erweitert bzw ergänzt werden können. Im hier zu beurteilenden Fall haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass die Beklagte unter anderem berechtigt sei den Vertrag vorzeitig aufzulösen, wenn der Kläger auch nur gegen eine sonstige der von ihm im Vertrag übernommenen Verpflichtungen verstößt, insbesondere auch dann, wenn die im Vertrag vorgesehenen Sicherheitsleistung nicht erbracht wird. Diese Regelung stellt sich als Konkretisierung des § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG dar. Die Unterlassung der Beibringung der vereinbarten Sicherheit (Bankgarantie) stellt ein Dauerverhalten dar. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Dauerzustand als Entlassungsgrund solange geltend gemacht werden, als er andauert (RIS-Justiz RS0028865; 9 ObA 16/07d). Dieser Grundsatz ist auch auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar, für die das Handelsvertretergesetz gilt. Soweit der Rechtsmittelwerber als wesentlichen Umstand releviert, dass vorliegend die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass mit der Dauer des rechtswidrigen Zustands grundsätzlich auch das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zunimmt (vgl etwa 9 ObA 2059/96a). Der Entscheidung der Vorinstanzen, die die vorzeitige Auflösung des Tankstellenagenturvertrags als rechtmäßig erachtet haben, haftet daher keinesfalls eine grobe, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Unrichtigkeit an.

Soweit der Rechtsmittelwerber die Rechtsansicht der Vorinstanzen bekämpft, dass ihn an der vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses kein Verschulden treffe und ihm daher ein Ausgleichsanspruch zustehe, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten: Wer behauptet an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden zu sein, ist dafür beweispflichtig, weil das Gesetz verhindern will, dass der Gläubiger, für den Lebensverhältnisse in der Sphäre des Schuldners nicht durchschaubar sind, in Beweisnotstand gerät (SZ 48/100; SZ 69/287; RIS-Justiz RS0026540). Der Kläger hat nun weder vorgebracht noch unter Beweis gestellt, dass ihn an der Verletzung der vertraglichen Verpflichtung, die zur vorzeitigen Auflösung des Agenturverhältnisses führte, kein Verschulden getroffen hat. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers kann aus der Feststellung, dass der Kläger „lediglich eine Bankgarantie über EUR 35.000,-- sowie eine Versicherung über EUR 25.000,-- beibringen konnte" keineswegs auf mangelndes Verschulden an der Nichtzahlung geschlossen werden. Im Übrigen hat er der beklagten Partei gegenüber - die laufend die Beistellung einer Bankgarantie (von zumindest EUR 125.000,- -) forderte - den Eindruck vermittelt, dass er um diese bemüht sei und noch im März 2004 mitgeteilt, dass er eine Bankgarantie über EUR 125.000,-- erhalten werde.

Von einer krassen rechtlichen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich machen würde, kann somit nicht die Rede sein.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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