OGH 3Ob57/07i

OGH3Ob57/07i28.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermina H*****, vertreten durch Dr. Josef Seisl, Rechtsanwalt in Linz als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Marco L*****, vertreten durch Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in Linz, wegen 23.735,62 EUR s.A. und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 5. Dezember 2006, GZ 4 R 213/06f-19, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 4. August 2006, GZ 15 Cg 111/05z-13, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Als die Klägerin an einem Abend in einem Klublokal, in dem an manchen Tagen zwischen den Tischen auch getanzt wird, an der Bar stand, tanzte der Beklagte mit einer Tanzpartnerin in „offener" Haltung schwungvoll, aber nicht wild. Als er einen Schritt rückwärts machte, ohne zurückzublicken, kam er mit der Klägerin in Berührung, worauf beide zu Sturz kamen und der Beklagte auf ihr linkes Bein fiel. Sie begehrte aufgrund dieses Unfalls 23.735,62 EUR Schadenersatz und die Feststellung, dass ihr der Beklagte für künftig hervortretende unfallkausale Schäden hafte. Der Beklagte habe sie niedergestoßen, wodurch sie einen Waden- und Schienbeintrümmerbruch erlitten habe. Spätfolgen seien nicht auszuschließen. Der Beklagte wandte hauptsächlich ein, die Klägerin habe durch ihren Aufenthalt in der Nähe der Tanzfläche selbst sorglos gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Gericht zweiter Instanz gab mit Teil- und Zwischenurteil in Abänderung dieser Entscheidung dem Feststellungsbegehren und dem Grunde nach auch dem Leistungsbegehren statt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision des Beklagten ist nicht zulässig.

Der Revisionswerber kann erhebliche Rechtsfragen nicht aufzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst kann die Frage der Gefährlichkeit des Tanzens in einem Club und der Zumutbarkeit eines schadensverhindernden Verhaltens nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb die zur Anrufung des Obersten Gerichtshofs erforderliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtsentwicklung, Rechtssicherheit oder Rechtseinheit iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht besteht.

Einer allgemeinen Richtlinie für die Haftung von in einem Lokal Tanzenden durch höchstgerichtliche Judikatur bedarf es schon deshalb nicht. Der OGH vertritt in stRsp die Ansicht, dass der für die Prüfung des Außer-Acht-Lassens der üblichen Sorgfalt beim Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut des Geschädigten im Rahmen der Sportausübung heranzuziehende erhöhte Gefährdungsmaßstab nicht für Schädigung von am Geschehen unbeteiligten Dritten heranzuziehen ist. So bejaht er die Rechtswidrigkeit der Verletzung einer am Rande des Eislaufplatzes stehenden Person, durch einen Eisläufer, weil diese - obwohl sie zum Unfallszeitpunkt selbst lediglich eine Pause einlegte - dem sorglosen Verhalten des Schädigers ohne konkrete

Abwehrmöglichkeit ausgesetzt war (6 Ob 76/05b = JBl 2006, 249 [Resch]

= ZVR 2006/42 [Danzl] = Zak 2005/19; ähnlich 7 Ob 157/06y = Zak

2006/642 zu einer Fotografin beim Paint-Ball-Spiel). Es ist davon auszugehen, dass sich Dritte, die nur, aber anders als die Klägerin immerhin Zuschauer sind, der erhöhten Gefährdung eines Sport Ausübenden nicht aussetzen wollen, weshalb die Rechtswidrigkeit der Schädigungshandlung anhand der allgemeinen Maßstäbe der Haftung ex delicto zu prüfen ist (vgl. Reischauer in Rummel2, § 1297 ABGB Rz 8). Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, wonach lediglich - von ihm in bestimmter Weise definierte - Gesellschaftstänze, nicht jedoch solche, die in einer Diskothek getanzt werden, mit einer sportlichen Betätigung verglichen werden können, ist nicht nachvollziehbar und durch den bloßen Hinweis auf die Definition einer „freien" Internet-Enzyklopädie auch nicht hinreichend begründet. Abgesehen davon ist dem angefochtenen Urteil auch nicht zu entnehmen, dass es eine vergleichbare Definition zugrunde gelegt hätte. Inwiefern sich die Intensität seines Verhaltens von dem des Paartanzes unterscheidet, wird im Rechtsmittel nicht dargelegt. Aber auch die Verneinung der Einstufung (der hier ausgeübten Form) des Tanzens als Sportausübung könnte sich nicht zugunsten des Beklagten auswirken, bewirkt doch die Judikatur zum erhöhten Gefährdungsmaßstab bei Sportausübung lediglich eine Besserstellung des Sport treibenden Schädigers gegenüber allgemeinen Regeln. So wird zu diesem Zweck die Schwelle der einzuhaltenden Sorgfalt und damit der Rechtswidrigkeit höher angesetzt. Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers stand daher das Berufungsgericht durch die Bejahung einer Sorgfaltsverletzung im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wenn es davon ausging, dass der Beklagte in ein absolut geschütztes Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität der Klägerin, eingriff und dabei doch jene Sorgfalt außer acht ließ, die ein „ordentlicher und verständiger Mensch" in der konkreten Lage zur Vermeidung des Schadens anzuwenden pflegt (8 Ob 55/87 = ZVR 1989, 101; 7 Ob 56/87).

Da ein Feststellungsinteresse nur dann zu verneinen ist, wenn zukünftig eintretende Schäden aus einem bestimmten Schadensereignis schlechthin und absolut auszuschließen sind (stRsp, 7 Ob 149/06x = Zak 2006/645 mwN; RIS-Justiz RS0038971; Fasching in Fasching/Konecny2 III § 228 ZPO Rz 98; Klauser/Kodek, MGA ZPO16 § 228 E 332 f), ist die wiederum von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz nicht zu beanstanden. Dass zugestandene Tatsachen keines Beweises bedürfen, ergibt sich aus § 266 Abs 1 ZPO; für schlüssige Geständnisse gilt dasselbe nach § 267 ZPO. Wie Parteienvorbringen idS zu verstehen ist und ob ein bestimmtes Vorbringen hinreichend bestritten wurde, ist nach den konkret vorliegenden Umständen zu lösen (10 Ob 516/94 u.v.a.; RIS-Justiz RS0042828; 6 Ob 141/99z u.v.a.; RIS-Justiz RS0040078 [T3 und 4]); eine dennoch vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende erhebliche Fehlbeurteilung im Einzelfall kann der Beklagte auch in diesem Punkt nicht darlegen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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