OGH 8ObA9/07t

OGH8ObA9/07t27.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. DI Hans Lechner und Eva Maria Florianschütz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der antragstellenden Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund G*****, vertreten durch Mag. Gerald Nimführ, Sekretär des GÖD gegen den Antragsgegner Land Niederösterreich, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten, vertreten durch Braunegg Hoffmann & Partner Rechtsanwälte in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag, es werde festgestellt, dass bei Teilzeitbeschäftigten des Antragsgegners bei der Abgeltung von Mehrarbeitsstunden der Beobachtungszeitraum einer Kalenderwoche zugrunde zu legen ist, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrt inhaltlich die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung mit der Behauptung, dass Rechte von mindestens drei Arbeitnehmern des Antragsgegners betroffen sind.

In den niederösterreichischen Landespflegeheimen seien zahlreiche Diplomkrankenschwestern bzw -pfleger als MitarbeiterInnen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege beschäftigt, davon ein Teil als Teilzeitkräfte.

Mit Juli 2004 habe die Personalabteilung der Antragsgegnerin bei Mehrarbeitsstunden von teilzeitbeschäftigten Bediensteten einen vierwöchigen Durchrechnungszeitraum eingeführt, der im Gesetz keine Deckung finde.

Folgende Normen des nö Landes-Vertragsbedienstetengesetzes (LVBG) in der bis zum 30. 6. 2006 (1. LVBG-Novelle 2006) geltenden Fassung seien für die Prüfung der Rechtslage von Relevanz:

§ 14a (2): Die Wochendienstzeit ist im mehrwöchigen Durchschnitt zu erbringen. Die Festlegung der Dienstzeit ist unter Berücksichtigung der dienstlichen Interessen vorzunehmen, wobei auf die persönlichen Verhältnisse des Vertragsbediensteten Rücksicht zu nehmen ist.

§ 27 Abs 1: Teilbeschäftigte Vertragsbedienstete erhalten den ihrer vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgelts, der Ergänzungszulage, Verwaltungsdienstzulage, allgemeine Dienstzulage, Kinderzulage, Teuerungszulage, Personalzulage, Zulage gemäß § 73 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl 2002, und der Studienbeihilfe.

Abs 3: Wird ein teilbeschäftigter Vertragsbediensteter über das vereinbarte Beschäftigungsausmaß verwendet, so gilt Abs 1 sinngemäß. Ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsentschädigung entsteht erst, wenn die Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche übersteigt."

Mit Inkrafttreten der 1. LVBG-Novelle 2006 laute die Bestimmung des § 27 LVBG wie folgt:

§ 27

Teilweise Dienstfreistellung

(1)

Vertragsbedienstete können über Antrag vom Dienst freigestellt werden, wenn berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen und wichtige dienstliche Interessen nicht entgegenstehen....

(2)

Das Monatsentgelt, die Ergänzungszulage, Verwaltungsdienstzulage, allgemeine Dienstzulage, Kinderzulage, Teuerungs-Zulage, Personalzulage, Zulage gemäß § 73 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl 2200, die Studienbeihilfen und die Lehrlingsbeihilfe verringern sich entsprechend der Dienstfreistellung. Die Kinderzulage, die Studienbeihifen und die Lehrlingsbeihilfe werden nicht verringert, wenn das Beschäftigungsausmaß zumindest die Hälfte der Normalleistung beträgt. Werden teilbeschäftigte Vertragsbedienstete über das vereinbarte Beschäftigungsausmaß verwendet, so gilt der erste Satz sinngemäß. Ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsentschädigung entsteht erst, wenn die gesamte Dienstleistung die im betreffenden Kalendermonat für Vollbeschäftigte vorgesehene Dienstzeit übersteigt. Die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes sind sinngemäß unter Bedachtnahme auf das Beschäftigungsausmaß anzuwenden."

Vor der jetzt in Geltung stehenden Rechtslage habe es Verhandlungen zwischen dem zuständigen Zentralbetriebsrat der NÖ Landeskrankenhäuser und der Personalabteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung gegeben.

Der Antragsgegner gehe bei der Betrachtung von Mehrarbeitsstunden bei Teilzeitbeschäftigung von einem Durchrechnungszeitraum von vier Wochen = 160 Stunden eines vollbeschäftigten Bediensteten aus. Diese Auffassung stehe im diametralen Gegensatz zur Bestimmung des § 27 Abs 3 LVBG, wonach ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsentschädigung dann entstehe, wenn die Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche übersteige. Ein Ausdehnen des Beobachtungszeitraums auf vier Wochen bzw 160 Stunden stelle eine willkürliche Festlegung ohne sachliche Rechtfertigung und Rechtsgrundlage dar. Der Anwendungsbereich des LVBG lasse keine unzulässige nachteilige Wirkung zu Lasten der Teilzeitbeschäftigten zu. Eine gesetzlich nicht gedeckte Erweiterung des Beobachtungszeitraums auf vier Wochen würde zur Möglichkeit von Dienstplanlängen von mehreren Wochen führen, mit der Konsequenz, dass unterschiedliche Anfallszeiträume von Überstunden für teilbeschäftigte Bedienstete vorliegen.

Der Antragsgegner beantragte, den Feststellungsantrag abzuweisen. Der Antragsteller führe nicht konkret aus, auf welchen Personenkreis sich das Feststellungsbegehren beziehen solle. Er argumentiere überdies mit einer nicht mehr in Kraft stehenden gesetzlichen Bestimmung; das gesamte Vorbringen sei daher als unschlüssig bzw rechtlich verfehlt zu betrachten. Der streitgegenständliche Durchrechnungszeitraum sei auch sachlich gerechtfertigt, da unter anderem Beschäftigte im Turnus- oder Wechseldiensten so die Möglichkeit hätten, in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraums allenfalls auftretende Minderstunden mit erforderlichen Mehrarbeitsstunden auszugleichen. Dieser Ausgleich sei erforderlich, um auf einer Station eine fortlaufende Dienstleistung sicherzustellen, die auch die Sonn- und Feiertage sowie die Nachtzeit umfasse. Infolge der Änderung der Rechtslage sei nunmehr ausdrücklich geregelt, dass Überstunden erst nach Überschreitung der Normalleistungsstunden eines Vollbeschäftigten im Kalendermonat zu bezahlen seien. Da das gegenständliche Gesetz für einen sehr weit gezogenen Kreis von Vertragsbediensteten gelte, die den unterschiedlichsten Tätigkeiten nachgehen, sei es unzulässig, eine pauschale Anwendung eines Berechnungszeitraums von einer Kalenderwoche zu verlangen. Dieser Berechnungszeit würde den unterschiedlichen Anforderungen der zahlreichen Dienstverhältnisse nicht entsprechen, er wäre sachlich nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen schreibe § 14a Abs 2 LVBG für den Normaldienst vor, dass die Wochendienstzeit im „mehrwöchigen Durchschnitt" zu erbringen sei. Keinesfalls richtig sei die Betrachtung, von der offensichtlich der Antragsteller ausgehe, dass nämlich § 27 Abs 3 leg cit (aF) gegenüber § 14a Abs 3 leg cit die speziellere Norm darstelle. Dass die Bestimmungen des Turnusdienstes/Wechseldienstes als lex specialis zu den Bestimmungen über die Dienstzeit im Normaldienst (§ 27 Abs 3 leg cit) gelten, könne unschwer aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 9 ObA 8/06a abgeleitet werden.

Der Feststellungsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragslegitimation ist ebenso wie das Feststellungsinteresse auf Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhalts von Amts wegen zu prüfen (RIS-Justiz RS0085712; 9 ObA 108/01z ua). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Dem Antrag lässt sich unter Zugrundelegung des maßgeblichen Vorbringens auch entnehmen, dass er sich nur auf die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Antragsgegner stehenden Angehörigen der gehobenen, Gesundheits- und Krankenpflege an Landes-Pensionisten- und Pflegeheimen, auf die das nö Landesvertragsbedienstetengesetz Anwendung findet, bezieht. Allerdings kann der Argumentation des Antragstellers in der Sache selbst nicht gefolgt werden.

Aus § 14a nö LVBG ergibt sich, dass die regelmäßige Wochendienstzeit (Normalleistung) 40 Stunden beträgt (Abs 1) und diese Wochendienstzeit in mehrwöchigem Durchschnitt zu erbringen ist (Abs 2 und 3). Nach § 27 Abs 2 vorletzter Satz, in der nun geltenden Fassung der 1. LVBG-Novelle 2006 entsteht ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsentschädigung, wenn die gesamte Dienstleistung die im betreffenden Kalendermonat für Vollbeschäftigte vorgesehene Dienstzeit übersteigt.

Berücksichtigt man die gesetzgeberischen Vorgaben, ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein vierwöchiger Durchrechnungszeitraum in Ansehung der vom Antrag erfassten teilbeschäftigten Dienstnehmer gesetzlich nicht gedeckt sein soll; vielmehr entspricht dies der (aktuellen) gesetzgeberischen Intention.

Ob der vierwöchige Durchrechnungszeitraum mit der Vorgängerbestimmung (§ 27 Abs 3 idF vor der ersten LVBG-Novelle 2006) vereinbar war, steht hier nicht zur Beurteilung.

Der Feststellungsantrag ist daher abzuweisen.

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