OGH 10Ob63/07y

OGH10Ob63/07y26.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Andrea B*****, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen den Antragsgegner Leopold B*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 15. März 2007, GZ 23 R 30/07k-61, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 71 Abs 2 AußStrG mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist im Hinblick auf den Ausspruch des Rekursgerichtes, wonach der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (§ 62 Abs 5 AußStrG).

Soweit der Antragsgegner in seiner Zulassungsbeschwerde geltend macht, sein Einwand der mangelnden Prozessfähigkeit (Verfahrensfähigkeit) der Antragstellerin sei in jedem Stadium des Verfahrens wahrzunehmen, ist ihm zwar einzuräumen, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG angeführten (schweren) Verfahrensverstöße erster und/oder zweiter Instanz - dazu gehört auch die fehlende Vertretung einer verfahrensunfähigen Partei (§ 58 Abs 1 Z 2 AußStrG) - auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden können, wenn das Rekursgericht ihr Vorliegen verneint hat (10 Ob 25/06h = Zak 2006/752 mwN; 5 Ob 24/07a; RIS-Justiz RS0121265). Wie jedoch bereits das Rekursgericht dargelegt hat, ergeben sich aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte für irgendwelche Zweifel an der Verfahrensfähigkeit der Antragstellerin. Der Umstand allein, dass die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Unterfertigung eines Notariatsaktes nach den Feststellungen der Vorinstanzen einem Erklärungsirrtum unterlegen ist, bietet noch keinen Anlass für ein Vorgehen iSd § 5 Abs 2 Z 2c AußStrG.

Nach § 97 Abs 1 EheG kann auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, wozu auch die Ehewohnung gehört (§ 81 Abs 2 EheG), nach den §§ 81 bis 96 im Voraus rechtswirksam nicht verzichtet werden. Verträge, die die Aufteilung ehelicher Ersparnisse im Voraus regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsaktes (§ 97 Abs 1 Satz 2 EheG). Diese Schranken des § 97 Abs 1 EheG fallen jedoch weg, sobald eine Vereinbarung über die (Teile der) Aufteilungsmasse im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen wird (§ 97 Abs 2 EheG). Eine Aufteilungsvereinbarung nach § 97 Abs 2 EheG bedarf weder eines Notariatsaktes noch der Schriftform (Bernat in Schwimann, ABGB3 I § 97 EheG Rz 6 mwN).

Ein Zusammenhang zwischen einer Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie dem Verfahren auf Scheidung iSd § 97 Abs 2 EheG wird nach herrschender Rechtsprechung und Lehre sowohl durch ein sachliches als auch ein zeitliches Naheverhältnis dieser zwei Ereignisse begründet. Die Rechtsprechung stellt dabei in erster Linie auf den inhaltlichen, also funktionalen („ursächlichen") Zusammenhang zwischen Vereinbarung und dem (späteren) Verfahren ab. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Vereinbarung und Einleitung des Scheidungsverfahrens wird in der Regel auch bei Verstreichen einiger (weniger) Monate als gegeben angesehen (Koch in KBB2, § 97 EheG Rz 4; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 97 EheG Rz 3; Bernat aaO § 97 EheG Rz 5 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine rechtswirksame Regelung nach § 97 Abs 2 EheG schließt, soweit sie reicht, eine Aufteilung gemäß den §§ 81 ff EheG aus (Bernat aaO § 97 EheG Rz 7). Auch nach Einleitung des gerichtlichen Aufteilungsverfahrens kann eine Vereinbarung nach § 97 Abs 2 EheG über eine gütliche Einigung durch gerichtlichen Vergleich, aber auch durch eine außergerichtliche Einigung zustandekommen. Auch hiebei handelt es sich um eine zulässige und damit rechtswirksame Vereinbarung iSd § 97 Abs 2 EheG, weil sie noch „im (kausalen) Zusammenhang" mit der Scheidung steht (SZ 53/150 ua).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die Antragstellerin unter der Voraussetzung, dass sie sowohl im Innenverhältnis gegenüber dem Antragsgegner als auch im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern aus ihrer Haftung für alle Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der gemeinsamen Liegenschaft entlassen wird, zur unentgeltlichen Übertragung ihrer Hälfteeigentums an dieser Liegenschaft an den Antragsgegner bereit. Zwischen den Parteien wurde daher mündlich vereinbart, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner ihre ideelle Liegenschaftshälfte im Schenkungsweg überträgt und dieser im Gegenzug im Innenverhältnis alle Schulden, insbesondere auch die bei der ***** E***** Bank ***** AG aushaftenden Darlehen, zur alleinigen Rückzahlung übernimmt. Über diese Vereinbarung wurde zwischen den Parteien am 2. 6. 1999 ein Schenkungsvertrag in Form eines Notariatsaktes errichtet, in welchem allerdings abweichend von der mündlich getroffenen Vereinbarung ohne Wissen und Willen der Antragstellerin festgehalten wurde, dass hinsichtlich der bei der ***** E***** Bank ***** AG aushaftenden Darlehen keine Schuldübernahme seitens des Antragsgegners erfolgen sollte. In unmittelbarem sachlichen Zusammenhang damit wurde über Initiative des Antragsgegners zwischen den Parteien noch am selben Tag ein weiterer Notariatsakt geschlossen, in welchem die Antragstellerin im Fall einer Scheidung auf eine Ausgleichszahlung für die gegenständliche Liegenschaft verzichtete. Auch diesen Notariatsakt unterzeichnete die Antragstellerin in dem Vertrauen, mit der Schenkung und dem Verzicht auf eine Ausgleichszahlung im Fall einer Scheidung von allen ihren diesbezüglichen Verbindlichkeiten sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis befreit zu sein. In der Folge entließ ***** E***** Bank ***** AG die Antragstellerin aus ihrer Haftung für die Kredite gegenüber diesen Institut.

Ausgehend von diesen Feststellungen ist ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der von der Antragstellerin für ihre Entlassung aus der Haftung vorgenommenen Übertragung ihres Hälfteeigentums an der Liegenschaft sowie ihres gleichzeitig für den Fall einer Scheidung erklärten Verzichtes auf eine Ausgleichszahlung und dem in der Folge von ihr tatsächlich eingeleiteten Scheidungsverfahren zu bejahen. Aber auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Vereinbarung und Scheidungsverfahren ist gegeben, weil die geschilderte Vereinbarung zwischen den Parteien am 2. 6. 1999 getroffen wurde und die Scheidungsklage von der Antragstellerin am 29. 9. 1999, also bereits 4 Monate später, bei Gericht eingebracht wurde. Von den Parteien wurde somit iSd § 97 Abs 2 EheG rechtswirksam eine Vereinbarung über die Aufteilung der Ehewohnung und der damit im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten getroffen. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, bei einem - auf Seiten der Antragstellerin aufgetretenen - Erklärungsirrtum werde das rechtswirksame Zustandekommen eines Vertrages mit dem vom Erklärenden tatsächlich gewollten Inhalt angenommen, wenn der Erklärungsempfänger - wie im vorliegenden Fall - den Irrtum erkannt hat, entspricht der herrschenden Rechtsprechung und Lehre (6 Ob 2103/06z; 10 Ob 525/87; MietSlg 31.085 mwN; RIS-Justiz RS0014050, RS0014808; Rummel, Von durchschauten Irrtümern, falschen Bezeichnungen und aufzuklärenden Missverständnissen, JBl 1988, 1 ff; H. Zemen, Zum Grundsatz „falsa demonstratio non nocet" im Vertragsrecht, JBl 1986, 756 ff mwN ua). Die Vorinstanzen konnten daher mit Recht davon ausgehen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Schenkungsvertrag trotz des gegenteiligen Wortlautes mit dem Inhalt des realen Willens der Antragstellerin (Haftungsentlassung im Innenverhältnis hinsichtlich aller auf ihrer Liegenschaftshälfte sichergestellten Kreditverbindlichkeiten) wirksam geworden ist. Diese zwischen den Parteien iSd § 97 Abs 2 EheG bereits rechtswirksam getroffene mündliche Vereinbarung über die mit der Aufteilung der Ehewohnung im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten schließt nach der bereits zitierten Rechtsprechung die vom Antragsgegner weiterhin angestrebte Aufteilung der Verpflichtung zur Rückzahlung der Kreditverbindlichkeiten bei der ***** E***** Bank ***** AG aus. In der Auffassung der Vorinstanzen, im Zuge des gegenständlichen Verfahrens sei zwischen den Parteien in der Tagsatzung am 17. 11. 2005 eine rechtswirksame Einigung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens unter anderem auch dahingehend zustandegekommen, dass die Antragstellerin das Motorrad Kawasaki in ihr Alleineigentum übernimmt und sich der Antragsgegner zur Übergabe des Original-Typenscheines bzw eines auf seine Kosten herzustellenden Duplikates verpflichtet, kann ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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