OGH 1Ob84/07w

OGH1Ob84/07w5.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Brigitte B*****, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Michael D*****, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.267,28 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt als Berufungsgericht vom 23. August 2006, GZ 17 R 261/06p-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 31. Mai 2006, GZ 2 C 1740/04z-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte wurde beauftragt, ein Reitpferd der Klägerin, das ein an einer akuten Darmkolik erkrankt war, tierärztlich zu behandeln. Nach Vornahme einer Rektaluntersuchung sowie einer Untersuchung des Pulses, der Atmung und der Augenschleimhäute schätzte er das Allgemeinbefinden des Pferdes als schlecht und den Befund insgesamt als letal ein. Auf Grund bestimmter Symptome war ihm klar, dass es kaum Überlebenschancen für das Pferd gäbe und es auch nicht transportfähig sei. Obwohl er keine ernsthafte Hoffnung hatte, das Pferd für einen Transport in eine Tierklinik zu stabilisieren, verabreichte er kreislaufstärkende und krampflösende Mittel, die allenfalls eine Transportfähigkeit des Tieres herbeiführen könnten. Da der Beklagte der Meinung war, das Pferd sei bereits vom Tode gezeichnet, führte er keine weiteren Maßnahmen durch, um ihm zusätzlichen Stress zu ersparen, insbesondere setzte er auch keine Magen-Schlund-Sonde. Nachdem sich der Zustand des Pferdes in den folgenden zwei Stunden verschlechtert hatte, erklärte der Beklagte, es sei nicht möglich, das Pferd zu transportieren, zumal das Risiko auch für denjenigen, der es führt, zu groß sei. Er verabreichte neuerlich eine Spritze, die allerdings keine positiven Wirkungen herbeiführte. Bei seinem dritten Besuch im Reitstall nach weiteren zwei Stunden hatten sich die Schmerzen des Pferdes weiter gesteigert; eine Euthanasie war unumgänglich und wurde vom Beklagten mit Zustimmung der Klägerin durchgeführt.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadenersatz in Höhe des Klagebetrags, da dieser durch das Unterlassen zweckmäßiger tierärztlicher Maßnahmen den Tod des Pferdes verschuldet habe. Der Beklagte hätte schon bei seiner ersten Untersuchung den Transport in eine Tierklinik veranlassen müssen. Dort hätte eine Kolikoperation durchgeführt werden können, durch die das Pferd geheilt worden wäre. Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, ein Transport sei schon auf Grund des Krankheitsbildes ausgeschieden. Ihm sei kein Verschulden am Tod des Pferdes anzulasten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte nach Einholung eines tiermedizinischen Sachverständigengutachtens unter anderem fest, dass auf Grund der vom Beklagten getroffenen Diagnose ein Transport in eine Tierklinik keinen Sinn gemacht hätte und die vom Beklagten gesetzten Maßnahmen lege artis erfolgt seien. Die im Stall durchgeführte Euthanasie habe die richtige Maßnahme dargestellt; aus tierärztlicher Sicht, um dem Pferd weiteres Leid zu ersparen, hätte die Euthanasie allerdings bereits beim zweiten Besuch - also zwei Stunden früher - durchgeführt werden sollen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den gesamten festgestellten Sachverhalt dahin, dass kein ärztlicher Behandlungsfehler vorliege, weil der Beklagte lege artis vorgegangen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision letztlich für zulässig. Zu Unrecht werfe die Klägerin dem Erstgericht in der Rechtsrüge vor, Feststellungen dazu unterlassen zu haben, welche Behandlungsmethode im vorliegenden Fall dem in tierärztlichen Fachkreisen anerkannten Standard entspreche. Dem von ihr vorgelegten Privatgutachten lasse sich nicht entnehmen, ob das Pferd den Transport in eine Klinik überlebt hätte. Der Beklagte habe ohnehin versucht, das Pferd durch die Verabreichung von kreislaufstärkenden und krampflösenden Mitteln transportfähig zu machen. Ob der Beklagte andere Mittel hätte einsetzen müssen, sei eine Frage, die nur mit Hilfe eines Sachverständigen beantwortet werden könne. Dieser habe ausdrücklich angegeben, dass auf Grund des Zustands des Pferdes ein Transport in eine Klinik nicht sinnvoll gewesen wäre und die Euthanasie eine richtige Maßnahme dargestellt habe; dies habe das Erstgericht auch so festgestellt. Der Beklagte sei daher nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaften und Erfahrung vorgegangen und habe die übliche Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittstierarztes in der konkreten Situation eingehalten. Der Beweis eines Behandlungsfehlers sei der Klägerin somit nicht gelungen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Vorgehensweise des Berufungsgerichts, Ausführungen des Sachverständigen als Feststellungen zu behandeln, die Rechtssicherheit gefährden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin erweist sich als unzulässig, weil darin die Entscheidungsrelevanz einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin stellt sich die von ihr formulierte Rechtsfrage, ob die Behandlung eines Tieres im Sinne der Rettung seines Lebens auch dann lege artis sein könne, wenn nicht alle dem Wissens- und Erfahrungsstand der spezifischen Wissenschaften oder eines Berufes entsprechenden und zur Verfügung stehenden Maßnahmen gesetzt oder versucht wurden, nicht. Ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ist in erster Linie eine (nicht revisible) Tatfrage (RIS-Justiz RS0026418, zuletzt 1 Ob 20/05f), ebenso die Beurteilung, welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall erforderlich bzw zweckmäßig gewesen wären. Diese Tatfrage haben aber die Vorinstanzen - insoweit dem eingeholten Sachverständigengutachten folgend - eindeutig in der Weise gelöst, als sie - auch in Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten - zur Feststellung gelangten, der Beklagte hätte sich lege artis verhalten, weil auf Grund des Zustands des Pferds ein Transport in die Klinik nicht sinnvoll gewesen wäre, weshalb die Euthanasie richtig gewesen sei. Damit ist aber zugleich die Frage (im verneinenden Sinn) beantwortet, ob eine intensivmedizinische Behandlung durch Setzen einer Nasen-Schlund-Sonde sowie die Verabreichung von Morphium zweckmäßig oder gar notwendig gewesen wären. Es fehlen daher auch keine Feststellungen zur Frage, welche Behandlungsmethode im verfahrensgegenständlichen Fall dem in tierärztlichen Fachkreisen anerkannten Standard entsprochen hätte, weil ohnehin feststeht, dass der Beklagte die nach den Erkenntnissen der Tierheilkunde zutreffenden Schritte gesetzt hat. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.

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