OGH 1Ob9/07s

OGH1Ob9/07s5.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus W*****, vertreten durch Prunbauer, Themmer & Toth Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Dr. Roland Kometer und Dr. Esther Pechtl-Schatz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Beseitigung (Streitwert EUR 28.800) s.A., über den Rekurs der beklagten Partei und den Rekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss bzw das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2006, GZ 1 R 197/06i-47, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. März 2006, GZ 14 Cg 110/04b-41, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

  1. 2. Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
  2. 3. Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in dem von der Aufhebung durch das Berufungsgericht betroffenen Umfang (Punkte II.1.a), 1.c) und 2. des Spruches) wiederhergestellt wird.

    4. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 5.171,86 (darin EUR 667,31 USt und EUR 1.168 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft in S*****. Er begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, die von ihr widerrechtlich auf seiner Liegenschaft entlang der unteren Liegenschaftsgrenze unterirdisch verlegte Wasserleitung im Durchmesser von 200 mm und den ebenfalls von der Beklagten auf seiner Liegenschaft eigenmächtig angebrachten Holzzaun zu beseitigen. Die Beklagte habe ohne Zustimmung des Klägers und ohne sonstige Rechtsgrundlage eine 200 mm starke Wasserleitung durch sein Grundstück verlegt und ihn damit in seinem Eigentum sowie im Gebrauch des Grundstücks gestört. Im Zuge der durchgeführten Arbeiten habe die Beklagte eine auf der Liegenschaft des Klägers befindliche Stützmauer entfernt und rechtsgrundlos auf dem klägerischen Grundstück einen Zaun errichtet. Vor der Verlegung der Wasserleitung habe sich auf dem Grundstück nur eine 80 mm starke Zuleitung befunden. Aus dem 1993 ohne Pläne ergangenen und zu unbestimmt gehaltenen Wasserrechtsbescheid ergebe sich die von der Beklagten behauptete Genehmigung für die durchgeführten Arbeiten nicht. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe dem Kläger auch mitgeteilt, dass der Wasserrechtsbescheid nur seine Hauszuleitung betreffe. Unter anderem aus diesem Grund habe der Kläger gegen diesen Bescheid - der ihm gegenüber ohnehin keine Rechtswirkung entfalte - keinen Einspruch erhoben. Die Beklagte habe die Arbeiten gegen den dokumentierten Willen des Klägers und ohne dessen rechtzeitige Verständigung durchgeführt. Keine der Voraussetzungen für eine Ersitzung des von der Beklagten behaupteten Wasserleitungsrechts seien gegeben. Der angebliche Austausch der Rohre zwecks Sanierung sei keinesfalls erforderlich gewesen. Vielmehr seien allenfalls bereits vorhanden gewesene Rohre neu dimensioniert worden, weshalb ein allfälliges Dienstbarkeitsrecht unzulässig erweitert worden sei.

Die Beklagte wendete ein, die strittige Wasserleitung bestehe seit mehr als fünfzig Jahren. Mit Bescheid der Wasserrechtsbehörde vom 14. 6. 1993 sei diese Wasserleitung und deren Austausch durch stärkere Rohre bewilligt worden. Der Bescheid sei dem Kläger zugestellt worden. Dieser habe dagegen keinen Einwand erhoben, weshalb die Dienstbarkeit gemäß § 111 Abs 4 iVm § 63 lit b WRG 1959 als eingeräumt gelte. Unabhängig davon habe die Beklagte das Recht der Wasserleitung längst ersessen. Der Austausch der Rohre sei zu einer dem Stand der Technik entsprechenden und notwendig gewordenen Sanierung sowie zur Aufrechterhaltung der Wasserversorgung für die Bürger und Gäste der Beklagten sowie schließlich auch zur Erhaltung des Servitutsgegenstands erforderlich gewesen. Diese Sanierung komme auch dem Kläger zugute, sodass er keine Nachteile erleide, weshalb die Klagsführung in schikanöser Weise erfolge. Im Zuge der Arbeiten sei ein vom Nachbarn errichteter Zaun entfernt worden, der sich zur Gänze auf dem Nachbargrundstück befunden habe. Nach Erledigung der Arbeiten habe die Beklagte an derselben Stelle einen neuen Zaun errichtet. Dadurch sei der Kläger nicht beschwert. Der Verlauf der Rohrleitung stelle eine Wasserrechtsangelegenheit dar, weshalb der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Erstgericht wies diverse Beweisanträge des Klägers zurück und im Übrigen das Klagebegehren ab. Der Wasserrechtsbescheid vom 14. 6. 1993 sei zu unbestimmt, um durch den unterlassenen Einspruch des Klägers die Rechtswirkungen des § 111 Abs 4 WRG - dass nämlich die zur Durchführung des bewilligten Vorhabens erforderlichen Dienstbarkeiten als eingeräumt anzusehen seien - herbeizuführen. Unabhängig davon lägen jedoch alle Voraussetzungen für die Ersitzung einer Realservitut gemäß §§ 1460 ff ABGB vor. Die Beklagte habe das Wasserleitungsrecht über das Grundstück des Klägers durch einen länger als dreißig Jahre dauernden redlichen und echten Besitz ersessen. Der Austausch der Rohre stelle keine unerlaubte Ausweitung des Dienstbarkeitsrechts iSd § 484 ABGB, sondern lediglich eine Anpassung an den modernen Stand der Technik dar. Durch die Errichtung des Holzzaunes sei der Kläger nicht beschwert, weil dieser zum größten Teil auf der Grundstücksgrenze und zu einem kleineren Teil auf dem Grundstück des Nachbars stehe. Der Kläger habe nicht beweisen können, dass der neu errichtete Zaun auf seinem Grundstück verlaufe. Das Berufungsgericht bestätigte die Zurückweisung der Beweisanträge sowie die Abweisung des Beseitigungsbegehrens betreffend den Holzzaun. Im Übrigen hob es die erstgerichtliche Entscheidung (betreffend die Beseitigung der Wasserleitung samt Kostenentscheidung) auf und trug diesbezüglich dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und dass der Rekurs gegen den aufhebenden Beschluss zulässig, die ordentliche Revision gegen das Teilurteil jedoch nicht zulässig sei. Auf sein auf Entfernung des umstrittenen Zaunes gerichtetes Begehren komme der Kläger in seiner Rechtsrüge nicht konkret zurück, weshalb zu diesem Punkt gemäß § 500a ZPO auf die Richtigkeit der Entscheidungsgründe des Ersturteils verwiesen werde. Zum strittigen Wasserleitungsrecht führte das Berufungsgericht aus, dass die im Bescheid vom 14. 6. 1993 als eingeräumt anzusehenden „kleinen" Dienstbarkeiten nicht ausreichend determiniert seien, sodass keine Legalservitut gemäß § 111 Abs 4 WRG vorliege. Was die Frage der Ersitzung betreffe, so ziele Art I G RGBl 1897/77 (wonach Felddienstbarkeiten, soweit sie sich auf Ersitzung gründen, in Tirol nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen und die Vorschrift des § 1500 ABGB keine Anwendung findet) darauf ab, einen Verlust von bereits erworbenen Rechten zu verhindern, nicht aber die Ersitzung von Rechten zu erleichtern. Es sei daher nicht entscheidend, ob sich die strittige Wasserleitung „bis zum Jahre 2002 seit mehr als 30 Jahren" auf der Liegenschaft des Klägers befunden habe. Maßgeblich sei vielmehr, „ob die von der Beklagten behauptete Ersitzung des Wasserleitungsrechtes schon abgeschlossen worden war, ehe dies durch einen gutgläubigen Erwerb der Liegenschaft 537/7 verhindert wurde". Dabei komme es nicht nur auf den Erwerb der Liegenschaft durch den Kläger im Jahre 1991 an. Andernfalls hätte dies auch zur Folge, dass eine allenfalls begonnene Ersitzung trotz des festgestellten gutgläubigen Erwerbs durch die Voreigentümer C***** während deren aufrechten Eigentumsrechtes hätte vollendet werden können, sodass sich der Kläger gemäß Art I leg. cit. nicht mehr erfolgreich auf § 1500 ABGB berufen könnte. Derartiges sei aber den genannten Bestimmungen nicht zu entnehmen. Nach den Feststellungen habe die Liegenschaft 537/7 zwischen 1930 und 1991 insgesamt fünfmal „den Eigentümer gewechselt". Sollten auch die noch nicht erwähnten Voreigentümer die Liegenschaft jeweils im guten Glauben an deren Lastenfreiheit erworben haben, so hätte dies jedesmal zur Folge gehabt, dass die Ersitzung neu zu laufen begonnen hätte. Nur wenn die Dienstbarkeit vor einem derartigen gutgläubigen Liegenschaftserwerb bereits ersessen worden wäre, käme gemäß Art I leg cit § 1500 ABGB nicht mehr zum Tragen. Nicht entscheidend sei dabei, ob die Ersitzungszeit bis zum Entstehen des jeweiligen Titels für den Eigentumserwerb vollendet, sondern ob dies bis zur Einbringung des Ansuchens um Einverleibung des Eigentumsrechts der Fall gewesen sei. Die Entscheidung über das auf Entfernung des Zaunes gerichtete Begehren sei in erster Linie von Beweisfragen abhängig. Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO seien dabei nicht zu klären. Die ordentliche Revision sei daher in diesem Punkt nicht zulässig. Die zu § 1500 ABGB und Art I G RGBl 1897/77 angesprochenen Rechtsfragen beruhten jedoch auf einer nicht ganz eindeutigen Gesetzeslage. Nur zu einem Teil derselben liege eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die sich wieder nur teilweise auf Lehrmeinungen stütze, vor. Diese Entscheidung sei vor vielen Jahren ergangen. Es bestehe daher dazu keine gesicherte Rechtsprechung. Die Klärung dieser Fragen sei aber nicht nur für den Fortgang dieses Verfahrens, sondern darüber hinaus von Bedeutung.

Die gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse beider Parteien sind zulässig; nur der der Beklagten ist aber berechtigt.

1. Zum Rekurs der Beklagten:

a) Die Beklagte macht zunächst geltend, dass sich die Vorinstanzen nicht mit der Frage auseinandergesetzt hätten, ob und inwieweit eine sich auf das Wasserrechtsgesetz stützende Dienstbarkeit im ordentlichen Rechtsweg bestritten bzw die Entfernung der damit eingeräumten Leitungsführung begehrt werden könne. Die Beklagte habe unter anderem eingewendet, in Anbetracht dessen, dass sie die Dienstbarkeit auch auf § 111 Abs 4 WRG iVm § 63 lit b WRG stütze, seien die diesbezüglichen Ansprüche im Verwaltungsverfahren geltend zu machen und nicht im ordentlichen Rechtsweg durchzusetzen. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs sei vom Gericht von Amts wegen wahrzunehmen.

Dem ist die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegenzuhalten, wonach über den Bestand von Dienstbarkeiten sowie die daraus abgeleiteten Ansprüche stets die Gerichte entscheiden und nicht die Verwaltungsbehörden. Die Eigentumsfreiheitsklage stellt einen privatrechtlichen Anspruch dar, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, wenn sich die Beklagte auf im öffentlichen Recht wurzelnde Umstände beruft (vgl SZ 53/38; 1 Ob 29/97i). Über das Eigentum und den Bestand von Dienstbarkeiten sowie die daraus abgeleiteten Ansprüche und über Besitzstreitigkeiten entscheiden die Gerichte, was immer der Beklagte einwendet (vgl Spielbüchler in Rummel³, ABGB³ § 287 Rz 6).

b) Die Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob auf Grund des § 111 Abs 4 WRG iVm § 63 lit b WRG die Dienstbarkeit eingeräumt worden sei.

Beide Vorinstanzen haben diesbezüglich ausgeführt, dass im Bescheid vom 14. 6. 1993 die als eingeräumt anzusehenden „kleinen" Dienstbarkeiten nicht ausreichend determiniert worden seien. Diese Ansicht findet auch Deckung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. So wurde zu 1 Ob 13/94 unter anderem ausgesprochen, dass die „kleine" Dienstbarkeit zwar im Bewilligungsbescheid mit Feststellungswirkung festgehalten werden könne, was aber voraussetze, dass sie im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid eindeutig bestimmt sei. Dies sei dann nicht gegeben, wenn dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid nur der völlig allgemein gehaltene Hinweis entnommen werden könne, dass die zur Durchführung des bewilligten Vorhabens erforderlichen Dienstbarkeiten gemäß § 111 Abs 4 WRG als eingeräumt anzusehen seien. Es bedürfe vielmehr einer ausreichenden Determinierung der Dienstbarkeit, und nicht bloß der Wiedergabe des Inhalts des § 111 Abs 4 WRG.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid auch Pläne enthalten habe, aus denen der Verlauf der Wasserleitung genau ersichtlich gewesen sei, so entfernt sich dieses Vorbringen von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, sodass nicht näher darauf einzugehen ist.

Da die Beklagte somit schon auf Grund der mangelnden Determinierung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides daraus kein Dienstbarkeitsrecht abzuleiten vermag, kann auch die Frage nach der Erheblichkeit der Inanspruchnahme (§ 111 Abs 4 WRG) auf sich beruhen.

c) Schließlich macht die Beklagte geltend, dass gemäß Art I RGBl 1897/77 in Tirol bei Felddienstbarkeiten der Vertrauensgrundsatz des § 1500 ABGB nicht zum Tragen käme. Der Erwerber einer Liegenschaft, die mit solchen Dienstbarkeiten belastet sei, könne sich nicht darauf berufen, er hätte die Liegenschaft infolge Nichtverbücherung der Dienstbarkeit lastenfrei erworben. Folge man diesen Grundsätzen, sei es im Ergebnis unerheblich, wie oft die Liegenschaft den Eigentümer gewechselt habe.

Dieser Beurteilung ist beizutreten:

Gemäß § 1500 ABGB kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteil gereichen. Gemäß Art I G RGBl 1897/77 (aufrecht erhalten durch das 1. BRBG, § 5 Abs 2 iVm § 72 AGAG) bedürfen als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wege- und Wasserleitungsservituten, insoferne sich dieselben auf Ersitzung gründen, (in Tirol) der Eintragung in das Grundbuch nicht, und findet auf solche Rechte die Vorschrift des § 1500 ABGB keine Anwendung (SZ 53/139; Dittrich/Tades, ABGB36, Anm zu § 1500).

Der Begriff der Felddienstbarkeit wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sehr extensiv ausgelegt, auf die landwirtschaftliche Zweckbestimmung kommt es nicht an. Das Vertrauen des Erwerbers des belasteten Grundstücks in die Vollständigkeit des Grundbuchs ist in Ansehung der Existenz von derartigen Felddienstbarkeiten nicht geschützt und bindet auch den gutgläubigen Ersteher einer mit einer derartigen Dienstbarkeit belasteten Liegenschaft (6 Ob 1502/96 mwN).

Sind aber die ersessenen Dienstbarkeiten vom Eintragungsgrundsatz ausgenommen, dann ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Art I G RGBl 1897/77 ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb im Sinne des § 1500 ABGB ausgeschlossen (1 Ob 18/81 = EvBl 1982/193).

Für die vom Berufungsgericht vorgenommene (historisch-)teleologische Reduktion der genannten Bestimmung ist angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes („..findet auf solche Rechte die Vorschrift des § 1500 des ABGB keine Anwendung") kein Raum. Die unter anderem zur Begründung herangezogene Entscheidung SZ 28/256 hatte keinen Fall im Sinne des zitierten Partikularrechts zum Gegenstand, und in SZ 53/139 wurde lediglich ausgesprochen, dass in Tirol die Eintragung einer ersessenen Wegedienstbarkeit in das Grundbuch zulässig sei, wobei aber unbestritten blieb, dass solche Dienstbarkeiten der Eintragung in das Grundbuch nicht bedürfen und auf solche Rechte die Vorschrift des § 1500 ABGB keine Anwendung findet.

Der Oberste Gerichtshof sieht somit keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung zu Art I G RGBl 1897/77 abzuweichen. Das Erstgericht hat festgestellt, dass die strittige Wasserleitung seit mehr als 30 Jahren auf dem klägerischen Grundstück verläuft. Zumal auf Grund der obigen Ausführungen eine Unterbrechung der Ersitzung durch gutgläubigen Erwerb iSd § 1500 ABGB ausgeschlossen ist, muss von einer Ersitzung des strittigen Wasserleitungsrechts ausgegangen werden.

d) Da bereits die unter c) dargelegten Gründe geeignet sind, den angefochtenen Aufhebungsbeschluss zu beseitigen, ist auf die von der Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht mehr einzugehen.

2. Zum Rekurs des Klägers:

Der Kläger wird mit seinem Rekurs zunächst auf die obigen Ausführungen zu 1. c) verwiesen.

Soweit sich die geltend gemachten Anfechtungspunkte auf angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneint hat, sowie auf die Bekämpfung der Beweiswürdigung beziehen, erübrigt sich wegen der Unzulässigkeit der Geltendmachung diesbezüglicher Gründe eine nähere Befassung hiemit (Kodek in Rechberger, ZPO3, § 503, Rz 9 und 15 mwN). Der Kläger beruft sich neuerlich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 Ob 46/04m zur Begründung des Erlöschens der Servitut wegen mehrfacher „Grundbuchszusammenlegungen". Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die genannte Entscheidung zum Vorarlberger Flurverfassungsgesetz erging und dass der Kläger nicht dargetan hat, dass die fraglichen Grundstücke von einem Zusammenlegungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz erfasst worden wären.

Schließlich meint der Kläger, das erstinstanzliche Verfahren sei nichtig, weil die Beklagte einen Wasserrechtsakt nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung vorgelegt habe und es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, sich zu diesem Akt zu äußern. Diesbezüglich ist dem Kläger zwar zuzugestehen, dass die Entziehung der Möglichkeit, zu einer den Parteien nicht bekannten, vom Gericht jedoch in seiner Entscheidung verwerteten Urkunde Stellung zu nehmen, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK darstellt, was Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nach sich zöge (RIS-Justiz RS0117067). Allerdings standen die vom Erstgericht zu Grunde gelegten Projektmappen vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits den Parteien zur Verfügung (Berufungsurteil S 16), weshalb von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht die Rede sein kann. Darüber hinaus verneinte bereits das Berufungsgericht das Vorliegen der gerügten Nichtigkeit, sodass diese in der Revision bzw im Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden kann (Kodek aaO, Rz 2 zu § 503 mwN, Rz 2 zu § 519 mwN). Weiters rügt der Revisionswerber das Berufungsgericht habe Urkunden unrichtig ausgelegt. Die richtige Auslegung hätte ergeben, dass der Strang 5 der strittigen Wasserleitung nie durch das Grundstück 537/7 verlaufen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Erstgericht die Feststellungen über Verlauf und Lage der klagsgegenständlichen Wasserleitung auf der Basis von Urkunden und Zeugenaussagen traf (Ersturteil S 22). Es handelt sich daher um eine vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbare Tatfrage (RIS-Justiz RS0043422). Soweit der Kläger in der Ausdehnung des Durchmessers der Wasserleitung von 150 mm auf 200 mm eine Verletzung des § 484 ABGB (wonach Servituten nicht erweitert werden dürfen) erachtet, ist ihm zu erwidern, dass auch die Anpassung von durch die Servitut gedeckten Einrichtungen an moderne Erfordernisse hingenommen werden muss, wenn hiedurch der Belastete keine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (RIS-Justiz RS0016369). Im vorliegenden Fall hat das Beweisverfahren ergeben, dass die Anpassung der Rohre auf 200 mm dem „modernen Stand der Technik" entspricht (Berufungsurteil S 24). Damit verbundene unzumutbare Beeinträchtigungen des Klägers können nicht erkannt werden.

Letztlich macht der Kläger die Verletzung von Beweislastregeln geltend. Dabei übersieht er allerdings, dass sich die Frage der Beweislast dann nicht mehr stellt, wenn die Tatsacheninstanzen ohnehin Feststellungen getroffen haben. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich nicht (auch) zu überprüfen, ob die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung aus den einzelnen Verfahrensergebnissen richtig oder fehlerhaft ist (MietSlg 54.691).

Dem Rekurs des Klägers ist daher nicht Folge zu geben.

3. Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Die Zulässigkeit der Revision begründet der Kläger zum einen damit, dass keine teilbaren Ansprüche im Sinne des § 391 Abs 1 ZPO vorlägen und somit kein Teilurteil gefällt werden dürfe, zum anderen fehle es an der Entscheidungsreife und stelle auch dies einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Berufungsgericht ebenso wie das Erstgericht zur Ansicht gelange, dass der Holzzaun größtenteils auf der Grundstücksgrenze bzw auf der Liegenschaft seines Nachbarn stehe.

Die Frage der Teilbarkeit kann auf Grund der wegen Spruchreife gefällten Entscheidung über alle Klagspunkte auf sich beruhen. Ein erheblicher Verfahrensmangel kann damit jedenfalls nicht begründet werden. Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist nachvollziehbar und vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbar. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO. In Bezug auf den Rekurs und die Rekursbeantwortung war von einem Streitwert von (bloß) EUR 18.800 auszugehen (Wasserleitung).

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