OGH 8Ob42/07w

OGH8Ob42/07w21.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek, Dr. Glawischnig und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa G*****, vertreten durch Mag. Dr. Siegfried Lohse, Rechtsanwalt in Amstetten, wider die beklagten Parteien 1. Friedrich V*****, 2. Helga F*****, beide vertreten durch Dr. Martin Brandstetter, Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, wegen 9.839,04 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2006, GZ 21 R 331/06v-17, womit über Berufung der Klägerin das Urteil des Bezirksgerichtes Amstetten vom 9. Juni 2006, GZ 20 C 741/05i-13, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 732,23 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 122,04 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Ehegatte und Rechtsvorgänger der Klägerin vermietete einer GmbH, über deren Vermögen am 27. 7. 2005 Konkurs eröffnet wurde, ein Geschäftslokal. Der Erstbeklagte war Gesellschafter und Angestellter der GmbH, die Zweitbeklagte Geschäftsführerin. Die Organisation und die Geschäftsleitung der GmbH oblag der Zweitbeklagten. Der Erstbeklagte war für Verkauf, Planung und Werbung zuständig. Das Geschäftslokal wurde weder vom Erstbeklagten noch von der Zweitbeklagten für Privatzwecke genutzt.

Das Mietverhältnis zur GmbH wurde wegen eines Mietzinsrückstandes für das Jahr 2004 gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB aufgelöst. Die Auflösungserklärung wurde in der zu 3 C 182/04g des Erstgerichtes erhobenen Räumungsklage abgegeben und der GmbH am 5. 1. 2005 zugestellt. Am 14. 2. 2005 erging ein der GmbH am 24. 2. 2005 zugestelltes klagestattgebendes Versäumungsurteil, das in Rechtskraft erwuchs.

Am 6. 5. 2005 beantragte die Klägerin Räumungsexekution. Am 19. 8. 2005 übergab der Masseverwalter das Bestandobjekt der Klägerin. Die Klägerin begehrt von den Beklagten zuletzt Zahlung von 9.839,04 EUR sA. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, gründet die Klägerin ihr Begehren darauf, dass der Erstbeklagte als „de-facto"-Geschäftsführer und die Zweitbeklagte als Geschäftsführerin in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der zumindest ab 1. 1. 2005 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der GmbH die einst in Bestand gegebenen Räume titellos genutzt hätten. Bei der GmbH handle es sich um eine Scheingesellschaft, die vom Erstbeklagten mit der Zweitbeklagten als „Strohfrau" geführt worden sei. Erst- und Zweitbeklagte hätten an der Konkursverschleppung mitgewirkt und müssten daher für die der Klägerin daraus entstandenen Schäden einstehen. Aufgrund des Geschäftsverlaufes 2004 hätten die Beklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Misserfolg der Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger ausgehen müssen. Die Beklagten hätten entgegen handelsrechtlichen Vorschriften für die Jahre ab 2003 keine Jahresabschlüsse aufgestellt. Unternehmensreorganisationsmaßnahmen seien nicht gesetzt worden. Im Zusammenhang mit der Überschuldung und einer ungünstigen Fortbestehensprognose sei den Beklagten zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Die §§ 222 ff HGB, gegen die die Beklagten verstoßen hätten, seien Schutzgesetze. Die Beklagten müssten daher nach den „§§ 159 ff, 161 StGB" iVm § 1311 ABGB für die der Klägerin entstandenen Nachteile einstehen. Der der Klägerin entstandene Schaden (näher aufgeschlüsselt ab S 4 in ON 5) bestehe in den (vom Masseverwalter im Konkurs anerkannten) Ansprüchen auf Miete/Benützungsentgelt für die Monate Jänner 2005 bis August 2005. Die Beklagten wenden ein, sie hätten ohnedies im Mai und Juni 2005 Zahlungen in Höhe von 6.000 EUR an die Klägerin veranlasst. Das Begehren lasse sich daher auch rechnerisch nicht nachvollziehen. Eine fahrlässige Schmälerung der Befriedigung eines Gläubigers liege nicht vor. Der Erstbeklagte wendet im Übrigen ausdrücklich ein, er sei bloß Gesellschafter und Angestellter der GmbH.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erachtete rechtlich zusammengefasst, ein substantiiertes Vorbringen der Klägerin zur einzig möglichen Haftungsgrundlage des § 159 Abs 2 iVm § 159 Abs 5 Z 4 oder 5 StGB fehle. Weder habe die Klägerin vorgebracht, dass die Beklagten unterlassen hätten, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen, noch, dass sich die Klägerin allenfalls für derartige Geschäftsbehelfe interessiert hätte. Auch ein Kausalzusammenhang zwischen einem den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens widersprechenden Unterlassen der Erstellung eines Jahresabschlusses für 2003 und der Nichtzahlung von Bestandzins bzw Benützungsentgelt für 2005 sei nicht behauptet worden. Die Bestandzinse für 2004 seien ohnedies zur Gänze bezahlt worden. Die Erstellung des Jahresabschlusses für 2004 sei gemäß § 222 Abs 1 HGB per Ende 2005 fällig gewesen. Auch ein Zusammenhang zwischen dieser möglichen Unterlassung und dem behaupteten Schadenseintritt sei nicht substantiiert behauptet worden. Eine Prüfung, ob die Konkurseröffnung verspätet beantragt worden sei, erübrige sich, weil § 69 Abs 5 KO vorsehe, dass Konkursgläubiger Schadenersatzansprüche wegen einer Verschlechterung der Konkursquote infolge einer Verletzung der Verpflichtung nach § 69 Abs 2 KO erst nach Rechtskraft der Aufhebung des Konkurses geltend machen könnten. Der Konkurs über das Vermögen der GmbH sei jedoch noch nicht aufgehoben.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung des GmbH-Geschäftsführers nach Reform des Kridastrafrechts bzw Einführung des § 69 Abs 5 KO nicht vorliege. Inhaltlich billigte das Berufungsgericht im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Es ist zwar richtig, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 69 Abs 5 KO idF des GIRÄG 2003 BGBl I 2003/92 fehlt. Einer Auseinandersetzung mit dieser Bestimmung und insbesondere mit der Frage, ob § 69 Abs 5 KO auch auf die Geltendmachung von Vertrauensschäden durch sogenannte Neugläubiger anzuwenden ist (verneinend mit beachtlichen Argumenten Dellinger in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 69 KO Rz 81), bedarf es ebenso wenig wie einer Auseinandersetzung damit, ob die Klägerin als „Altgläubigerin" oder „Neugläubigerin" anzusehen ist (Dellinger in Konecny/Schubert § 69 KO Rz 74 mit Darstellung des Meinungsstandes) und einer Auseinandersetzung damit, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Neugläubiger überhaupt Vertrauensschadenersatz wegen Verletzung der Konkursantragstellungspflicht nach § 69 Abs 2 KO gebührt (vgl die Darstellung des Meinungsstandes dazu bei Dellinger in Konecny/Schubert § 69 KO Rz 84 ff).

Ganz allgemein gilt, dass Gläubiger einer GmbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft mbH nach allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen können, den ihnen die organschaftlichen Vertreter durch schuldhafte Verletzung von gerade auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetze zugefügt haben (RIS-Justiz RS0023887; 1 Ob 553/94, SZ 67/128 uva). Richtig ist auch, dass bei Verletzung eines Schutzgesetzes die ständige Rechtsprechung keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhanges fordert. Allerdings darf diese Rechtsprechung nicht dahin verstanden werden, dass im Falle einer Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB die Vermutung bestehe, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen. Es findet also keine Umkehrung der Beweislast statt. Es kann jedoch ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der von dieser Norm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht wurde (RIS-Justiz RS0027517; 10 Ob 26/01y; Harrer in Schwimann, ABGB² § 1311 Rz 29 ff; Schuhmacher in Buchegger, InsR II/2 § 69 KO Rz 127).

Hier fehlt es aber von vornherein an einem Vorbringen der Klägerin, nach welchem die ins Treffen geführte Schutzgesetzverletzung nach dem typischen Geschehensablauf die Annahme rechtfertigen könnte, der von der Klägerin behauptete Schaden sei durch diese Schutzgesetzverletzung verursacht worden: Das Mietverhältnis der Klägerin zur GmbH wurde durch die am 5. 1. 2005 zugegangene Auflösungserklärung nach § 1118 zweiter Fall ABGB beendet. Der von der Klägerin gegenüber dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten geltend gemachte Schadenersatzanspruch bezieht sich darauf, dass die GmbH als ehemalige Mieterin nach Beendigung des Mietverhältnisses bis zur tatsächlich erfolgten Räumung Benützungsentgelte nicht leistete. Auch wenn eine frühere Konkursantragstellung zu einer früheren Konkurseröffnung geführt hätte - die Klägerin stellte dazu die Behauptung auf, die GmbH sei „spätestens" zum 1. 1. 2005 zahlungsunfähig gewesen - ist nicht ersichtlich, wie dadurch der behauptete „Schaden" hätte vermieden werden können: Die Klägerin wirft den Beklagten in diesem Zusammenhang im Wesentlichen die verspätete Räumung des Bestandobjektes vor: Selbst wenn man trotz fehlenden Vorbringens der Klägerin in diese Richtung unterstellen wollte, dass bei früherer Konkurseröffnung der Masseverwalter früher geräumt hätte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen: Die GmbH hätte dann keine oder bloß geringere Benützungsentgelte geschuldet, ein Anspruch der Klägerin auf Benützungsentgelt wäre nicht (oder in bloß geringerem Umfang) entstanden. Ein Vorbringen dahin, dass der Klägerin durch die Weiterbenützung des Objektes ein konkreter Schaden entstanden sei, sie also Aufwendungen hatte, die bei früherer Räumung und Leerstehung des Objektes nicht zu tragen gewesen wären, wurde nicht erstattet. Vielmehr begehrt die Klägerin erkennbar, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wäre die GmbH zahlungsfähige Bereicherungsschuldnerin gewesen. Weder eine frühere Konkursantragstellung noch die Einhaltung der nach den Behauptungen der Klägerin verletzten handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften hätten allerdings die Zahlungsunfähigkeit der GmbH verhindert. Ein Vorbringen, dass die Klägerin bei früherer Räumung des Objektes eine Neuvermietung vorgenommen und dadurch Mieteinnahmen in der Höhe der der GmbH vorgeschriebenen „Benützungsentgelte" erzielt hätte, wurde nicht einmal ansatzweise erstattet. Auch ein Schadenersatzanspruch wegen einer behaupteten Verschlechterung der Konkursquote wurde niemals geltend gemacht.

Mangels Kausalität der behaupteten Schutzgesetzverletzungen bedarf es daher keiner Auseinandersetzung mit § 69 Abs 5 KO und § 159 Abs 2 StGB iVm § 159 Abs 5 Z 5 StGB und insbesondere keiner Auseinandersetzung damit, ob entgangene Mieteinnahmen überhaupt ersatzfähig wären. Auch dem Umstand, dass nach Beendigung des Mietverhältnisses zur GmbH kein Vertragsverhältnis mehr zwischen der Klägerin und der GmbH bestand und der Frage, unter welchen Umständen der Erstbeklagte zur Haftung herangezogen werden könnte, kommt somit keine Bedeutung zu.

Die Behauptung, bei der GmbH habe es sich um eine „Scheingesellschaft" gehandelt, hat sich nicht erwiesen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Die Beklagten wiesen auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

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