OGH 10ObS53/07b

OGH10ObS53/07b11.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Tierarzt Andreas Krösen (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Reimund S*****, vertreten durch Mag. Alexander Wirth, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. März 2007, GZ 23 Rs 14/07s-20, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. November 2006, GZ 33 Cgs 162/06k-15, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die als Rekurs zu behandelnde außerordentliche Revision gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 23. 5. 2006 gewährte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen seines Arbeitsunfalls vom 15. 11. 2004 eine vorläufige Versehrtenrente.

Diesen Bescheid bekämpft der Kläger im vorliegenden Verfahren mit seiner Klage.

Das Erstgericht sprach dem Kläger eine Versehrtenrente ab 5. 8. 2005 als Dauerrente zu.

Die beklagte Partei begehrte mit ihrer Berufung die Abänderung dieses Urteils dahin, dass dem Kläger für den Arbeitsunfall vom 15. 11. 2004 „vom 1. 9. 2005 bis 30. 11. 2006 eine 30 %ige vorläufige Versehrtenrente" zugesprochen werde. Sie machte geltend, das Erstgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass die beklagte Partei bereits am 24. 10. 2006 einen Dauerrentenbescheid erlassen habe, mit dem anstelle der 30 %igen vorläufigen Versehrtenrente ab 1. 12. 2006 eine 25 %ige Dauerrente zugesprochen worden sei. Der Kläger habe diesen Bescheid bekämpft. Diese Klage sei der beklagten Partei im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung im vorliegenden Verfahren am 29. 11. 2006 noch nicht zugestellt gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung in Ansehung des Zuspruchs einer Versehrtenrente im Ausmaß von 30 % als Dauerrente hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 9. 2005 bis 30. 11. 2006 als Teilurteil und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Hingegen gab es der Berufung im Umfang des Zuspruchs einer Versehrtenrente als Dauerrente im Ausmaß von 30 % für die Zeit ab 1. 12. 2006 dahin Folge, dass das Urteil des Erstgerichtes insoweit aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwies.

Die beklagte Partei bekämpft sowohl das Teilurteil als auch den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes mit ihrer außerordentlichen Revision.

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, ist der Rekurs nur zulässig, wenn das Berufungsgericht ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Da das Berufungsgericht den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss nicht zugelassen hat, ist jener unanfechtbar. Deshalb war die insoweit als Rekurs zu behandelnde Revision - die Falschbezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht (§ 84 Abs 2 ZPO) - als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (Kodek in Rechberger³, ZPO § 519 Rz 18 mwN).

2. Die Behauptung der Revisionswerberin, es bestehe Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine Dauerrente nach § 209 Abs 1 ASVG nur innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles festgestellt werden könne, wenn bezüglich der Unfallfolgen konsolidierte Verhältnisse vorliegen, ist unzutreffend. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, ordnet § 209 Abs 1 ASVG zwingend an, dass die Dauerrente spätestens mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalles vom Versicherungsträger festzustellen ist (RIS-Justiz RS0084145). Auch die in der Revision angeführte Senatsentscheidung 10 ObS 190/06y hält fest, dass der Zeitraum von zwei Jahren, während dessen nach § 209 Abs 1 ASVG eine vorläufige Rente gewährt werden kann, dazu dient, die Konsolidierung der Unfallfolgen abzuwarten, und dass für diese Entscheidung eine Frist von zwei Jahren vom Gesetzgeber gesetzt wurde.

Wird vom Versicherungsträger über eine vorläufige Versehrtenrente entschieden, so ist ein klageweise erhobenes Begehren des Versicherten nicht auf die Gewährung einer vorläufigen Rente beschränkt, sondern steht es ihm frei, ein Begehren auf Gewährung einer Dauerrente zu erheben (RIS-Justiz RS0084304; 9 ObS 1/87 = SSV-NF 1/5). Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht hätte im Sinn einer ständigen - von der Rechtsmittelwerberin aber nicht belegten - Rechtsprechung des Höchstgerichts zu § 209 ASVG ihre Einwendungen in der Berufung nicht als unzulässige Neuerungen abtun dürfen, sondern hätte diese als (Teil-)Nichtigkeitsgrund für das erstinstanzliche Verfahren aufgreifen und den Gegenstand des Verfahrens in diesem Rechtsgang auf die Prüfung des Anspruchs auf eine vorläufige Versehrtenrente beschränken müssen. Da der Kläger den Dauerrentenbescheid mit Klage bekämpft habe, sei bereits ein sozialgerichtliches Verfahren über die Dauerrente anhängig, weshalb das Berufungsgericht den Nichtigkeitsgrund der Streitanhängigkeit aufgreifen hätte müssen.

Dem ist die eben zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegenzuhalten. Vom behaupteten Nichtigkeitsgrund der Streitanhängigkeit könnte nur das spätere, nicht aber das vorliegende Verfahren betroffen sein (§ 233 ZPO). Im Übrigen ist aber auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung in Sozialrechtssachen zu verweisen, wonach keine Streitanhängigkeit vorliegt, wenn der Versicherungsträger über einen Anspruch einen zweiten Bescheid erlassen hat und beide Bescheide mit Klage bekämpft werden (RIS-Justiz RS0039503).

Schließlich sei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwiesen, dass während des gerichtlichen Verfahrens, in dem erstmals über einen Dauerrentenantrag zu entscheiden ist, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eintretenden Änderungen der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens fünf von Hundert zu berücksichtigen sind (10 ObS 149/02p = SSV-NF 16/89).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte