OGH 13Os35/07g

OGH13Os35/07g2.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Mai 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut W***** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Dezember 2006, GZ 10 Hv 186/06s-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Helmut W***** des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Juni 2006 in Graz vor einer Verwaltungsbehörde als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark in den verbundenen Verfahren GZ UVS 30.2-17/2006, UVS 30.2-18/2006 und UVS 30.2-19/2006 angab:

„Die von mir angezeigten Übertretungen betreffend Tatzeitpunkt 9. Jänner 2005, zwischen 7.30 Uhr bis 11.45 Uhr sowie 10. Jänner 2005, 00.10 Uhr bis 00.25 Uhr habe ich als Begleitung mit einem Kollegen im Zuge einer Streifenfahrt wahrgenommen. Wenn ich gefragt werde, ob ich am 9. Jänner 2005 um 7.30 Uhr und um 11.45 Uhr in der Kasernstraße vorbeigefahren bin, so gebe ich an, dass dies so gewesen sein muss. Das Gleiche gilt auch für den 10. Jänner 2005."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen nominell aus den Gründen der der Z 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Sowohl die die Anwendung des § 42 StGB reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) als auch die - nominell auf Z 9 lit b und 11 gestützte - Diversionsrüge (der Sache nach Z 10a) scheitern am Mangel einer am Verfahrensrecht ausgerichteten Darstellung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfordert die gesetzmäßige Ausführung jedes materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810).

Aus Z 10a StPO ist ein Urteil dann nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen, oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat (Schütz, JBl 2001, 329). Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes ist also - nicht anders als im Fall der Rechtsrüge (Z 9) oder einer Subsumtionsrüge (Z 10) - ein Vergleich der im Urteil getroffenen Feststellungen mit den Diversionskriterien des (hier:) § 90a StPO, sohin - neben dem angesprochenen Feststellungsmangel - die rechtsfehlerhafte Beurteilung der tatsächlichen Urteilsannahmen, nicht aber deren einwandfreie Ermittlung. Die Korrektheit in erster Instanz getroffener Feststellungen ist demnach nur insoweit Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde, als diese - ohnehin - zugleich für Schuld oder Subsumtion entscheidende Tatsachen betreffen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 659 ff).

Indem der Beschwerdeführer zunächst im Rahmen der gemeinsam ausgeführten Rechts- und Diversionsrüge allgemein darauf „verweist", die Aussage des Zeugen HR Mag. M***** „erscheine" nicht geeignet, die Verantwortung des Angeklagten zu widerlegen, wonach er bei der ursprünglichen Anzeigeerstattung aufgrund der Einstellungen im Computersystem nicht in der Lage gewesen sei, den Passus „die Anzeige erfolgt aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung" zu löschen, bekämpft er - hier unzulässig - die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Eine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache wird damit im Übrigen ebensowenig angesprochen wie mit dem Vorbringen, dass auch außerhalb der Dienstzeit wahrgenommene Verwaltungsübertretungen einen Beamten zur Erstattung einer Anzeige berechtigen. Denn der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass ihm nicht die Anzeigeerstattung an sich oder deren inhaltliche Unrichtigkeit, vielmehr die mündliche Bestätigung der darin enthaltenen Angaben anlässlich seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat als Vergehen nach § 289 StGB zur Last gelegt wurde.

Die Beschwerdebehauptung, die falsche Aussage des Angeklagten beruhe auf einem Irrtum, geht nicht von den getroffenen Feststellungen bedingten Vorsatzes (sowohl in Bezug auf die objektive Unrichtigkeit der Depositionen als auch auf die Natur der Vernehmung zur Sache vor einer Verwaltungsbehörde; vgl US 8) aus. Ebenso wie mit der These, die Beweisaussage sei ohnehin für die Sachentscheidung unerheblich gewesen, trachtet der Beschwerdeführer damit, die Sachverhaltsannahmen des Erstgerichtes durch zusätzliche Tatumstände zu ergänzen, ohne insoweit im dargelegten Sinn einen Feststellungsmangel geltend zu machen und verfehlt damit eine am Verfahrensrecht ausgerichtete Darstellung sowohl des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit b als auch jenes der Z 10a des § 281 Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass der Angeklagte nach den Urteilsannahmen im Verfahren über die Berufung eines Kraftfahrzeuglenkers gegen Bescheide der Bundespolizeidirektion Graz, die auf vom Angeklagten erstatteten Anzeigen wegen Falschparkens beruhten, insoweit falsch ausgesagt hat, als er deren inhaltliche Richtigkeit aus eigener dienstlicher Wahrnehmung bestätigte. Dass das Erstgericht - nicht aber der Unabhängige Verwaltungssenat - letztlich zum Schluss kam, der Kraftfahrzeuglenker habe zu den angeführten Zeiten tatsächlich falsch geparkt, würde auf dieser Grundlage eine (allenfalls als strafmildernd zu wertende; vgl Plöchl/Seidl in WK² § 288 Rz 29) Unerheblichkeit der Falschaussage ohnehin nicht indizieren. Bei der Beurteilung der Frage schwerer Schuld fallen im Übrigen Gesinnungsunwert, Strafzumessungsgründe der §§ 32 ff StGB sowie das vom Täter verwirklichte Handlungs- und Erfolgsunrecht ins Gewicht (Schroll, WK-StPO § 90a Rz 16). Eine falsche Beweisaussage durch ein mit der Strafrechtspflege betrautes und solcherart zur besonderen Gesetzestreue verpflichtetes Organ im oben dargestellten Sinn eignet sich - ungeachtet bisher ordentlichen Lebenswandels und geständiger Verantwortung - demnach mangels Vorliegens des Erfordernisses nicht schwerer oder gar geringer Schuld nicht für eine Anwendung des § 42 StGB oder eine diversionelle Erledigung nach § 90b StPO. Soweit sich die Beschwerde (nominell aus Z 9 lit b, der Sache nach Z 11 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 677) gegen die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht nach § 43 StGB wendet und dazu vorbringt, aus dem festgestellten Sachverhalt lasse sich das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle entnehmen, wird kein unvertretbarer Verstoß gegen Strafzumessungsvorschriften aufgezeigt, sondern bloß ein Berufungsgrund geltend gemacht (RIS-Justiz RS 0091489). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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