OGH 14Os27/07p

OGH14Os27/07p10.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Dr. Jörg H***** gegen Dr. Katharina K***** sowie die Antragsgegnerin S***** Verlagsgesellschaft mbH, AZ 31 E Vr 1111/98, Hv 72/98 des Landesgerichts St. Pölten, 24 Bs 270/00 des Oberlandesgerichtes Wien über den Antrag der Dr. Katharina K***** und der S***** Verlagsgesellschaft mbH auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Erneuerungsantrag wird Folge gegeben.

Es werden das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 24. März 2000, GZ 31 E Vr 1111/98-26, mit Ausnahme des freisprechenden Teils und des diesbezüglichen Kostenausspruchs sowie das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2001, AZ 24 Bs 270/00, zur Gänze aufgehoben. Die Sache wird zur Erneuerung des Verfahrens in Ansehung der Antragsgegnerin S***** Verlagsgesellschaft mbH vorerst an das Landesgericht St. Pölten sowie in Bezug auf das Strafverfahren gegen Dr. Kathatrina K***** an das Oberlandesgericht Wien verwiesen.

Text

Gründe:

In der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Dr. Jörg H***** gegen die Angeklagte Dr. Katharina K***** sowie die Antragsgegnerin O***** GmbH & Co KG wurde die Antragsgegnerin, die O***** GmbH & Co KG als Medieninhaberin des Periodikums „D*****" mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 24. März 2000, GZ 31 Vr 1111/98-26, gemäß § 6 Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 20.000 Schilling an den Antragsteller Dr. Jörg H***** sowie zur Urteilsveröffentlichung verurteilt und die Antragsgegnerin im vorbezeichneten Umfang gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG zum Kostenersatz verpflichtet. Die Angeklagte Dr. Katharina K***** wurde vom Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen und im Umfang dieses Erkenntnisses dem Privatankläger Kostenersatz auferlegt.

Nach den Urteilsfeststellungen erschien in der periodischen Druckschrift „D*****" vom 9. Oktober 1998 unter dem Titel "Opfer der Anständigen" ein (von Katharina K***** verfasster) Artikel, in dem dem Antragsteller Dr. Jörg H***** unter anderem vorgeworfen wurde, er sei in 1. Instanz in einem Strafverfahren verurteilt worden, weil er den guten Ruf eines Menschen und damit dessen Zukunftschancen ruiniert habe. Tatsächlich sei der Antragsteller mit - zwischenzeitig aufgehobenem - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Oktober 1998 wegen des Vergehens der versuchten üblen Nachrede nach §§ 115, 111 Abs 2 StGB verurteilt worden, weil er (im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dr. Dieter B*****) am 9. September 1997 durch Verfassen eines - Dr. D***** betreffenden - Textes, Aufnahme eines Videobandes mit diesem Text und Absenden des Videobandes an den O*****, zum Zweck der Ausstrahlung im Programm ORF 1 und ORF 2, einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt hat, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wobei es lediglich aufgrund der Weigerung der ORF-Mitarbeiter nicht zur Ausstrahlung des übermittelten Videobandes kam.

Nach dem konstatierten Bedeutungsinhalt sei dem Leser des Artikels nicht bloß ein Bericht über ein anhängiges Strafverfahren geboten, sondern ein eigenständiger tatbestandsmäßiger Vorwurf im Sinne des § 111 StGB vermittelt worden. Den von der Antragsgegnerin, der Oscar B***** GmbH & Co KG, angebotenen Wahrheitsbeweis erachtete das Erstgericht als misslungen, da durch die Übersendung des Videobandes an den ORF zum Zwecke der Veröffentlichung allein versucht worden sei, Prof. D***** eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens zu beschuldigen, welcher Vorwurf nicht mit der - behaupteten - erfolgreichen Zerstörung des guten Rufs und der Zukunftschancen eines Menschen gleichgesetzt werden dürfe. Diese kausale Verkettung könne dem bezughabenden Artikel nicht entnommen werden.

Den Freispruch der Angeklagten Dr. Katharina K***** begründete der Erstrichter damit, dass diese bei der Urteilsverkündung gegen Dr. Jörg H***** am 1. Oktober 2001 anwesend gewesen sei und so den Eindruck gewonnen habe, er hätte den guten Ruf und die Zukunftsperspektiven von Dr. D***** zerstört. Sohin habe sie nicht mit strafrechtlichem Vorsatz gehandelt.

Der dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 10. Oktober 2001, AZ 24 Bs 270/00 nicht Folge. Jener des Privatanklägers und Antragstellers Dr. Jörg H***** gab das Berufungsgericht jedoch Folge, hob das angefochtene Urteil in seinem freisprechenden Teil (Punkt 1.), im Umfang der Urteilsveröffentlichung (Punkt 3.) und im Kostenausspruch (Punkt 4.) auf und erkannte in der Sache selbst dahin, dass Dr. Katharina K***** wegen der oben bereits angeführten Passage des von ihr verfassten Artikels in der Ausgabe des „Standard" vom 9. Oktober 1998 des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 500 Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurde. Gemäß §§ 34 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG wurde der Antragsgegnerin eine entsprechende Urteilsveröffentlichung aufgetragen.

In seiner Begründung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Angeklagte habe als erfahrene Journalistin wissen müssen, welchen Eindruck ihre Äußerung bei den Lesern erwecken würde. Wenn eine rufschädigende Äußerung aber in den Medien veröffentlicht wurde, sei nach § 111 Abs 3 StGB der von ihr reklamierte Rechtfertigungsgrund des guten Glaubens nicht anwendbar. Der Wahrheitsbeweis für die inkriminierte Äußerung sei nicht erbracht worden, weil die Angeklagte die Verurteilung des Privatanklägers ursächlich mit den Ereignissen rund um die Jahre zurückliegende Kandidatur Dr. D***** für das Amt des Rechnungshofpräsidenten in Verbindung gebracht habe.

Mit Erkenntnis vom 2. November 2006 (S***** Verlagsgesellschaft mbH und K***** gegen Österreich, Beschwerde Nr. 19710/02) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass durch die Verurteilung der Dr. Katharina K***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie die der S***** Verlagsgesellschaft mbH (als Gesamtrechtsnachfolgerin der O***** GmbH & Co KG) gemäß § 6 Abs 1 MedienG auferlegte Entschädigungszahlung eine Verletzung des Art 10 EMRK stattfand, weil die von den österreichischen Gerichten angeführten Gründe für den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit nicht „erheblich und ausreichend" waren, um den Eingriff zu rechtfertigen und der Eingriff in Ansehung beider Beschwerdeführer unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel und in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig war (Z 59 ff des zitierten Erkenntnisses).

Rechtliche Beurteilung

Gestützt auf diese Entscheidung beantragen Dr. Katharina K***** und die S***** Verlagsgesellschaft mbH gemäß § 363a StPO die Erneuerung des Strafverfahrens.

Diese Anträge sind berechtigt. Ausgehend von der Rechtsansicht des EGMR (vgl Reindl, WK-StPO Vor §§ 363a - c Rz 8), der die Verurteilung der Dr. Katharina K***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie die der S***** Verlagsgesellschaft mbH gemäß § 6 Abs 1 MedienG auferlegte Entschädigungszahlung als Verletzung des Art 10 EMRK betrachtet, ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die festgestellte Konventionsverletzung einen nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz ausüben konnte (§ 363a Abs 1 StPO).

Demnach war gemäß § 363b Abs 3 StPO bei nichtöffentlicher Beratung den Erneuerungsanträgen der Dr. Katharina K***** und der S***** Verlagsgesellschaft mbH stattzugeben und das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien zur Gänze, jenes des Landesgerichtes St. Pölten bloß in seinem verurteilenden Teil aufzuheben. Wurde die Grundrechtsverletzung - wie hier - durch einen Einzelakt verursacht, der als solcher konventionswidrig war, hat der Oberste Gerichtshof das erneuerte Verfahren nur dann selbst zu führen, wenn dieser Einzelakt ihm selbst zuzurechnen ist. In allen anderen Fällen verweist er die Sache zur Erneuerung des Verfahrens an jenes Gericht, vor dem die Grundrechtsverletzung ursprünglich aufgetreten ist (Reindl, WK-StPO § 363c Rz 7 f). Die Sache war sohin in Ansehung der St***** mbH zunächst zur Erneuerung des Verfahrens an das Landesgericht St. Pölten, sowie sodann in Ansehung der Entscheidung über die Berufung des Antragstellers gegen den Freispruch der Katharina K***** an das Oberlandesgericht Wien zu verweisen.

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