OGH 2Ob225/06m

OGH2Ob225/06m8.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am ***** 2005 verstorbenen ***** Christoph ***** B*****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller 1) Familienstiftung V*****, 2) Rechtsanwältin Valeria M*****, 3) Rechtsanwalt Franco M*****, alle vertreten durch Mag. Alexander Stolitzka, Rechtsanwalt in Wien, gegen Punkt 1.) des Beschlusses des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgericht vom 24. Juli 2006, GZ 13 R 117/06p, 13 R 148/06x-63, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Oberwart vom 3. April 2006, GZ 11 A 406/05f-41, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser hinterließ seine Witwe und zwei volljährige Kinder. Der Nachlass umfasst in Österreich vier Liegenschaften im Sprengel des Erstgerichtes. Die erblasserische Witwe und die beiden Kinder gaben jeweils zunächst bedingte und sodann unbedingte Erbsantrittserklärungen ab.

Die im Spruch genannten Antragsteller (= Gläubiger) beantragten die Nachlassseparation gemäß § 812 ABGB und die Verwaltung des Nachlasses durch einen Separationskurator, die Errichtung des Inventars samt Schätzung sowie Anmerkung der Separation im Grundbuch. Das Erstgericht bewilligte den Antrag mit der Begründung, dass der Bestand der behaupteten Forderung und die Gefahr bescheinigt seien und dass die Bestreitung durch die Erben aus dem Akt ersichtlich sei. Auf Grund des Rekurses der drei Erben änderte das Rekursgericht den Beschluss im Sinne der Abweisung des Antrages ab, wobei die Anordnung der Errichtung eines Inventars und der Schätzung unangefochten blieb. Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung damit, dass es fraglich sei, ob die Antragsteller ihre Forderungen ausreichend bescheinigt hätten. Wohl müsse die Forderung des Nachlassgläubigers nicht bewiesen werden; die Vorlage von Urkunden über gerichtliche Urteile oder sonstige Verfahrensergebnisse könne durchaus ausreichen, um eine Bescheinigung zu bejahen. Die Antragsteller würden sich hinsichtlich der von ihnen geltend gemachten Rechtsanwaltshonorarforderung gegen die Verlassenschaft im Wesentlichen auf fremdsprachige, nicht übersetzte Urkunden, stützen. Bei Zugrundelegung der in deutscher Sprache vorliegenden Urkunden könne von einer ausreichenden Bescheinigung eines noch aufrechten Honoraranspruches zum Zeitpunkt des Antrages auf Nachlassseparation nicht ausgegangen werden. Im Hinblick auf Artikel 8 B-VG und § 53 Abs 1 GeO könne in einem österreichischen Verlassenschaftsverfahren mangels europarechtlicher Sonderbestimmungen eine ausländische Urkunde ohne Übersetzung nicht verwertet werden. Ob nun gegenständlich das Erstgericht gehalten gewesen wäre, ein Verbesserungsverfahren einzuleiten, könne dahinstehen, weil es den Rekursgegnern ohnedies nicht gelungen sei, Umstände, die sich subjektiv zur Rechtfertigung der erörterten Besorgnis eignen würden, vorzubringen. Besorgnis der Gefahr sei jedes hinreichend motivierte, auch bloß subjektive Bedenken; ein Nachweis im technischen Sinn sei nicht erforderlich, der Gläubiger müsse aber zumindest Umstände behaupten, die bei vernünftiger Überlegung seine Besorgnis rechtfertigen könnten. Erforderlich sei also das Vorbringen konkreter Umstände. Ganz unlogisches oder widersinniges Vorbringen reiche ebenso wenig aus wie die abstrakte Möglichkeit, dass die Erben irgendwelche nicht näher definierte Verfügungen treffen könnten. Im gegenständlichen Fall hätten die Antragsteller lediglich allgemein gehaltene Rechtssätze referiert. Als einzig konkretes Argument sei angeführt worden, dass die Erben im Ausland wohnen. Es bestünde die Gefahr, dass das Vermögen ins Ausland verbracht werden könnte und die Verfolgung und Vollstreckung des Anspruches erschwert werde. Betreffend im Ausland aufhältige Erben könnten sich die Antragsteller durchaus auf eine langjährige Judikaturkette berufen, wonach allein die Tatsache, dass die Erben im Ausland wohnen, die subjektive Besorgnis des Gläubigers, das Vermögen könnte ins Ausland verbracht und die Verfolgung und Vollstreckung des Anspruches erschwert werden, ausreiche. Dem könne hier auch nicht entgegengehalten werden, dass das gegenständliche Verlassenschaftsverfahren (ursprünglich) nur Liegenschaften umfasst habe. Mittlerweile habe das Verlassenschaftsverfahren nämlich ergeben, dass auch ein sich im Inland befindliches Sparbuch mit einem nennenswerten Betrag vorhanden sei. Im Allgemeinen wäre somit die Bezugnahme auf im Ausland wohnende Erben, die Vermögen dorthin verbringen könnten, berechtigt. Der gegenständliche Fall sei jedoch von einer besonderen Konstellation geprägt. Sämtliche Beteiligten befänden sich im Ausland. Die erbserklärte Tochter habe ebenso wie die Antragsteller ihren Wohnsitz in der Schweiz, die übrigen Erben wohnten in Deutschland. Für die als Nachlassgläubiger auftretenden Rekursgegner sei es nun einerlei, ob sie ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft bzw. gegen die Erben in Österreich, Deutschland oder der Schweiz durchsetzen müssen. Ihre Rechtslage sei dadurch nicht verschlechtert, wenn Vermögen von Österreich nach Deutschland transferiert werde. Die Rechtsdurchsetzung erscheine hinsichtlich der erblasserischen Tochter, die in der Schweiz wohne, sogar erleichtert, wenn diese ihr Nachlassvermögen in die Schweiz transferiere. Die zitierte Judikatur sei daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. In der Rechtsprechung sei nämlich stets davon ausgegangen worden, dass im Inland ansässige Nachlassgläubiger davor geschützt werden müssten, dass ausländische Erben Vermögen aus dem Inland verbringen. Auch die fortschreitende Europäisierung des Zivilverfahrensrechts spreche dagegen, die referierte Judikatur unreflektiert auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden. Für Österreich und Deutschland fände die EuGVVO Anwendung. Die Schweiz sei Vertragsstaat des sog Lugano-Abkommens. Diese Rechtsquellen ermöglichten eine erleichternde grenzüberschreitende Durchsetzung in diesen Ländern. Hinzuweisen sei auch darauf, dass es sich hier um drei deutschsprachige Länder handle, sodass auch faktische Gegebenheiten die Rechtsdurchsetzung nicht erschwerten. Auf die erwähnte Europäisierung habe auch der österreichische Gesetzgeber bzw. die österreichische Judikatur Rücksicht genommen. So werde etwa vom Tatbestand des § 379 Abs. 2 Z 2 EO jenes Ausland ausgenommen, in dem weder das Lugano-Abkommen noch das EuGVÜ Anwendung fände. Weiters sei auf § 57 ZPO (aktorische Kaution) zu verweisen. Die grundsätzlich noch zulässige Ausländersicherheitsleistung sei im österreichischen Zivilprozess dann verpönt, wenn die Kostenentscheidung im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt werden könne. Auch im Zustellrecht nehme die EU bzw. der EWR-Raum eine Sonderstellung ein. So dürften EWR-Staatsangenörige nicht dazu verhalten werden, einen Zustellbevollmächtigten in Österreich namhaft zu machen (§ 9 ZustellG). All dies zeige, dass aus zivilverfahrensrechtlicher Sicht der Begriff „Ausland" durchaus differenziert zu betrachten sei. Ohne Hinzutreten von berücksichtigungswerten Umständen erscheine es dem Rekurssenat daher verfehlt, lediglich mit Hinweis auf den ausländischen Wohnsitz der Erben eine Nachlassseparation zu bewilligen, zumal auch die Tatsache, dass die Forderung von den Erben bestritten würden, nicht ausreiche, um die Gefahr im Sinne des § 812 ABGB zu bejahen. Aus diesen Erwägungen gehe hervor, dass das Erstgericht die Nachlassseparation und die Bestellung des Separationskurators samt Anmerkung im Grundbuch nicht hätte bewilligen dürfen, weshalb dem Rekurs Folge zu geben sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage der Besorgnisgefahr im Sinne des § 812 ABGB vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden sei, wenn sowohl Erben als auch Nachlassgläubiger im Ausland wohnen.

Die Antragsteller beantragen in ihrem Revisionsrekurs die gänzliche Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz, in eventu die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen.

Die Erben beantragen die Zurück- bzw. Abweisung des Revisionsrekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Gläubiger muss in seinem Antrag auf Absonderung der Verlassenschaft solche konkreten Umstände anführen, die seine subjektive Besorgnis für die Einbringlichkeit seiner Forderung begründet erscheinen lassen. Ein ganz widersinniges Vorbringen oder die bloß abstrakte Möglichkeit von Verfügungen der Erben über den Nachlass, die in jedem Fall gegeben ist, rechtfertigen eine Nachlassabsonderung nicht (RIS-Justiz RS0013072; Eccher in Schwimann, ABGB3, Rz 6 zu § 812; Welser in Rummel3, § 812, Rz 15).

2. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung genügt zur Bewilligung der Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben jede hinreichend motivierte Besorgnis des Antragstellers, dass der Erbe den Nachlass und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlassforderung schmälern könnte. Die Absonderung soll allen denkbaren Gefahren vorbeugen, die Gefahr der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben ist nur als Beispiel einer Gefahr genannt. Die Möglichkeit der Verbringung des Nachlassvermögens durch im Ausland wohnhafte Erben begründet eine solche Besorgnis, weil damit eine Erschwerung der Verfolgung und Vollstreckung der Ansprüche des Nachlassgläubigers verbunden ist (RIS-Justiz RS0013087).

3. Das Rekursgericht zeigt zutreffend auf, dass zwar im Allgemeinen die Bezugnahme auf im Ausland wohnende Erben, die Vermögen dorthin verbringen könnten, berechtigt und im Sinne der geforderten Gefahrenbesorgnis ausreichend ist, dass aber der gegenständliche Fall von einer besonderen Konstellation geprägt ist, zumal sich sämtliche Beteiligten im Ausland befinden. Auch ist es zutreffend, dass die fortschreitende Europäisierung des Zivilverfahrensrechts dagegen spricht, die zu 2. referierte Rechtsprechung ohne weiteres auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden.

4. Der Gesetzgeber hat mit der EO-Novelle 1995 ua die Voraussetzungen für die Exekution zur Sicherstellung nach § 370 EO insofern modifiziert, als es nicht mehr ausreicht, dass das Urteil „im Ausland" vollstreckt werden müsste, sondern nunmehr verlangt wird, dass es sich dabei um Staaten handelt, die weder das EuGVÜ, noch das LGVÜ ratifiziert haben (vgl auch § 379 Abs 2 Z 2 und § 381 Abs 1 EO). Nur solche Staaten gelten in diesem Zusammenhang als Ausland, weil der Gesetzgeber durch das gegenseitige Vollstreckungssystem des EuGVÜ/LGVÜ davon ausgeht, dass in einem anderen EuGVÜ/LGVÜ-Staat die Vollstreckungsmöglichkeit gewährleistet ist (Klicka in Angst, EO, § 370 Rz 12; Albrecht, Die Exekutionsordnungs-Novelle 1995, RV 56 [zu §§ 370, 379 und 381]).

5. Diese Überlegungen sind für den vorliegenden Fall nutzbar zu machen. Für die Gläubiger macht es im Falle der Erlangung eines rechtskräftigen Titels aufgrund der genannten Übereinkommen (bzw der EuGVVO) keinen maßgeblichen Unterschied, ob in Österreich, der Schweiz oder in Deutschland zu vollstrecken ist, zumal sämtliche der genannten Staaten zumindest das LGVÜ ratifiziert haben. Die Gefahrenbesorgnis im Sinne des § 812 ABGB kann somit nur dann als gegeben erachtet werden, wenn der Erbe in einem Staat wohnt, der nicht dem EuGVÜ/LGVÜ beigetreten ist. Wenn schließlich Gläubiger und Erbe im selben Staat wohnhaft sind - wie hier zwischen erbl Tochter und Gläubiger der Fall - schließt sich eine begründete Gefahrenbesorgnis lediglich auf Grund des ausländischen Wohnsitzes des Erben regelmäßig von selbst aus, da diesfalls keine besondere Erschwerung der Verfolgung und Vollstreckung der Ansprüche für den Gläubiger besteht.

Auf Grund des Fehlens der Gefahrensbesorgnis ist somit auf den Themenkomplex „Bescheinigung der Forderung" nicht mehr einzugehen. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

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