Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war von 15. 3. 1993 bis 14. 2. 2005 als Büroangestellte beim Beklagten beschäftigt. Ab 25. 8. 2003 befand sie sich nach der am 30. 6. 2003 erfolgten Geburt ihres Kindes in Karenz, wobei beide Parteien davon ausgingen, dass die Karenz zwei Jahre dauern werde. Vom 1. 10. 2003 bis zum 31. 10. 2004 war die Klägerin beim Beklagten geringfügig beschäftigt.
Von 1. 11. 2004 bis 14. 2. 2005 arbeitete die Klägerin 14,5 Stunden pro Woche für den Beklagten. Dieser war im Oktober 2004 an die Klägerin wegen einer Anhebung des Beschäftigungsausmaßes herangetreten, weil eine weitere Mitarbeiterin im Dezember 2004 Mutterschutz beanspruchen wollte. Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass die Klägerin ab 1. 11. 2004 14,5 Stunden pro Woche - und zwar teilweise im Betrieb, teilweise zu Hause - arbeiten werde. Ob das bis dahin bestandene Karenzverhältnis fortdauern sollte, wurde nicht besprochen; ebenso wenig der Zeitraum, über den die Klägerin 14,5 Stunden pro Woche arbeiten sollte.
Anfang 2005 befand sich das Kind der Klägerin gesundheitlich in schlechtem Zustand. Etwa eine Woche vor dem 14. 2. 2005 teilten der Beklagte und seine im Betrieb mitarbeitende Lebensgefährtin der Klägerin bei einem Gespräch über Arbeitsanfall und Arbeitsablauf mit, sie wollten die Buchhaltung fortan zur Gänze im Büro haben. Damit hätte die Klägerin ihre gesamte Arbeitszeit im Betrieb erledigen müssen. Der Beklagte erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin ab Juni 2005 ohnehin wieder mehr Stunden werde arbeiten müssen. Die Klägerin, die durch diese Entwicklung die für ihr Kind notwendige Betreuungszeit nicht mehr als gewährleistet ansah, erklärte daraufhin am 14. 2. 2005 ihren Austritt.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage EUR 4.230,34 sA an Abfertigung. Aufgrund des Mutterschaftsaustrittes stehe ihr gemäß § 23a Abs 3 AngG die Hälfte der nach § 23 Abs 1 AngG zustehenden Abfertigung zu. Die Dauer ihrer Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze habe weder 2004 noch 2005 das nach § 15e MSchG zulässige Ausmaß überschritten. Abgesehen davon habe der Gesetzgeber an eine Überschreitung der Grenzen des § 15e MSchG keine Rechtsfolgen geknüpft. Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Austritt der Klägerin sei nach Ende der Karenz erfolgt. Die Parteien hätten beginnend mit 1. 11. 2004 eine unbefristete Teilzeitbeschäftigung vereinbart, sodass die Karenz am 31. 10. 2004 geendet habe. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, hätte die Beschäftigungszeit der Klägerin im Jahr 2005 die zulässige Frist überschritten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Die 13-Wochen-Frist des § 15e Abs 2 MSchG sei für 2005 zu halbieren, weil die Karenz nur bis zum zweiten Geburtstag der Tochter vereinbart gewesen sei. Die Frist habe daher am 15. 2. 2005 geendet, sodass die einen Tag vorher abgegebene Austrittserklärung der Klägerin rechtzeitig gewesen sei. Zudem sei § 15e Abs 2 MSchG eine sanktionslose Ordnungsvorschrift. Im Unterschied zur Vereinbarung der Karenz sehe das MSchG bei der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung das (hier nicht eingehaltene) Erfordernis der Schriftlichkeit vor (§ 15j Abs 3 bis 6). Daraus gehe hervor, dass nicht automatisch jede über der Geringfügigkeitsgrenze liegende Beschäftigung während der Dauer der Karenz als Teilzeitbeschäftigung zu werten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
§ 15e MSchG normiere keine Rechtsfolgen für den Fall, dass eine Arbeitnehmerin über die in dieser Bestimmung geregelte Frist hinaus über der Geringfügigkeitsgrenze beim selben Arbeitgeber arbeite. Die Frage nach den Folgen einer solchen Überschreitung stelle sich hier aber ohnedies nicht, weil die Klägerin 2005 nur den erlaubten aliquoten Anteil der 13-wöchigen Frist gearbeitet habe. Bei der Aliquotierung sei nicht - wie der Beklagte meine - auf das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses (Austrittszeitpunkt), sondern auf das beabsichtigte Ende der Karenz abzustellen. Damit errechne sich hier für 2005 eine Frist von 44,88 Tagen bzw 6,41 Wochen. Da die Klägerin am 45. Kalendertag des Jahres 2005 bzw am dritten Tag der siebenten Woche das über der Geringfügigkeitsgrenze liegende (sowie auch das karenzierte) Arbeitsverhältnis beendet habe, sei daher die zulässige Frist nicht überschritten worden. Damit habe im Austrittszeitpunkt ein aufrechtes, bis 29. 6. 2005 dauerndes Karenzverhältnis bestanden. Der rechtzeitige Austritt der Klägerin (drei Monate vor Ende der Karenz) habe daher den Abfertigungsanspruch der Klägerin nach § 23a Abs 3 AngG ausgelöst.
Im Ergebnis sei dem Erstgericht auch darin beizupflichten, dass keine Teilzeitvereinbarung iSd MSchG zwischen den Streitteilen vorliege (§ 15h MSchG idF vor dem BGBl I Nr. 64/2004, weil die Klägerin nicht ausdrücklich iSd § 40 Abs 16 MSchG die Anwendung von § 15h bzw i MSchG idgF verlangt habe). Andernfalls wäre nämlich die Karenzzeit mit Beginn der Teilzeitbeschäftigung zu Ende gegangen. Der Hinweis des Erstgerichtes auf das Schriftformerfordernis des § 14j Abs 3 und 4 MSchG idF BGBl I Nr. 64/2004 sei aber verfehlt, weil dieses Erfordernis angesichts des Zeitpunktes der Geburt des Kindes der Klägerin hier noch nicht gelte. Dennoch sei das Erstgericht im Ergebnis im Recht:
Zwar sei eine einvernehmliche vorzeitige Beendigung der Karenz zulässig; hier sei aber der Wegfall des Karenzverhältnisses bei der Vereinbarung der 14,5 Wochenstunden umfassenden Arbeitsleistung der Klägerin kein Thema gewesen. Auch eine schlüssige vorzeitige Beendigung der Karenz sei nicht erfolgt. Werde eine Beschäftigung vereinbart, ohne auf die bestehende Karenz Bezug zu nehmen, lasse dies auf die Absicht schließen, dass die davor bestehende Situation an sich nicht geändert werden solle. Andernfalls hätten redliche Parteien wohl auf die Karenz Bezug genommen. Ein Wunsch der Klägerin nach einem Abgehen von ihrem Karenzierungswunsch bei gleichzeitigem Abschluss einer „echten" Teilzeitvereinbarung sei nicht ersichtlich. Die Anhebung des Beschäftigungsumfangs sei vielmehr vom Beklagten angestrebt worden, der auch noch eine Woche vor dem Austritt der Klägerin mit seinem Hinweis auf das höhere Beschäftigungsausmaß ab Juni 2005 offensichtlich das Ende der Karenz angesprochen habe. Keiner der Streitteile sei somit von einer stillschweigenden Beendigung der Karenz ausgegangen.
Dass über die Dauer der Anhebung des Beschäftigungsausmaßes nicht gesprochen worden sei, ändere daran nichts. Dies sei daran gelegen, dass beide Teile die 13-Wochen-Frist nicht gekannt haben. Gerade der Beklagte selbst sei ja davon ausgegangen, dass die Klägerin ab Juni 2005 wieder mehr Stunden arbeiten werde müssen. Mit einer die Karenz beendenden Teilzeitvereinbarung bereits im Oktober 2004 lasse sich das nicht in Einklang bringen.
Diese Auffassung decke sich mit der von Ercher/Stech/Langer (MSchG und VKG, § 153 Rz 54) vertretenen Ansicht, dass durch das bloße Überschreiten der Frist des § 15e MSchG nicht von einer konkludenten Vereinbarung über eine vorzeitige Beendigung der Karenz ausgegangen werden könne. Vielmehr habe die Arbeitnehmerin durch die Geltendmachung der Karenz ihren Willen zum Ausdruck gebracht, Karenz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen. Die Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei daher nur auf die Ausübung einer Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze gerichtet, auch wenn sie sich - entgegen dem Gesetz - über die Frist des § 15e MSchG hinaus erstrecke.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Unstrittig ist, dass die geringfügige Beschäftigung der Klägerin beim Beklagten vom 1. 10. 2003 bis zum 31. 10. 2004 gemäß § 15e Abs 1 MSchG keine Auswirkungen auf das karenzierte Arbeitsverhältnis hatte. Strittig ist hingegen die Beurteilung der Auswirkungen der folgenden Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus. Gemäß § 15e Abs 2 MSchG „kann die Dienstnehmerin neben ihrem karenzierten Dienstverhältnis mit ihrem Dienstgeber für höchstens 13 Wochen im Kalenderjahr eine Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus vereinbaren. Wird Karenz nicht während des gesamten Kalenderjahres in Anspruch genommen, kann eine solche Beschäftigung nur im aliquoten Ausmaß vereinbart werden". Für den Fall, dass länger als nach § 15e Abs 2 MSchG zulässig über der Geringfügigkeitsgrenze gearbeitet wird, normiert das Gesetz keine Rechtsfolgen. Daraus wird - wie das Berufungsgericht schon ausführte - von Ercher/Stech/Langer (aaO § 15e Rz 54) geschlossen, dass § 15e MSchG eine sanktionslose Ordnungsvorschrift sei. Durch das bloße Überschreiten der Frist komme es zu keiner konkludenten Vereinbarung über eine vorzeitige Beendigung der Karenz. Schließlich habe die Arbeitnehmerin durch die Geltendmachung der Karenz ihren Willen zum Ausdruck gebracht, Karenz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen. Andererseits sei davon auszugehen, dass sich die Vereinbarung zwischen der Arbeitnehmerin und dem Arbeitgeber nur auf die Ausübung einer Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze während der Karenz richte, auch wenn sie sich entgegen dem Gesetz über die 13-Wochen-Frist hinaus erstrecke.
Demgegenüber geht Schrenk (Kinderbetreuungsgeld - Neue Karenzbestimmungen, FJ 2001, 403) - allerdings ohne nähere Begründung - davon aus, dass bei Überschreiten der Frist des § 15e MSchG der Kündigungs- und Entlassungsschutz verloren gehe, „da es sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr um eine Karenz im mutterschutzrechtlichen Sinn" handle. In diesem Sinn dürften wohl auch die Ausführungen von Burger-Ehrenhofer (Ab 1.1.2002: Das neue Kinderbetreuungsgeld, RdW 2002, 29) und von Schäffer-Ziegler (Aspekte des „Zuverdienstes" im neuen Kinderbetreuungsgeld, ÖJZ 2002, 16 ff) zu verstehen sein, die ebenfalls von einem Wegfall des Kündigungs- und Entlassungsschutzes ausgehen. Auch nach Wolfsgruber (ZellKomm § 15e MSchG Rz 10) kommt es bei Fristüberschreitung zu einer Beendigung der Karenzierung des Hauptdienstverhältnisses.
Diese Konsequenz wird von Brodil (in Mazal/Risak, X. Rz 21) abgelehnt, der stattdessen eine Relevierung der Fristüberschreitung als Pflichtverletzung der Mutter im Rahmen arbeitsrechtlicher Institute als möglich erachtet, „insbesondere durch eine Entlassung nach dem Maßstab des § 12 MSchG". Im Falle einer fristüberschreitenden Beschäftigung beim eigenen Dienstgeber sei dies naturgemäß nicht zu erwarten, wohl aber sei dies bei einer Beschäftigung bei einem Dritten denkbar.
Egermann (Das Zusammenspiel von MSchG und KBGG, ZAS 2004/209 [212ff]) geht hingegen für den Fall der Fristüberschreitung von einer Aussetzung der Karenz aus, während der der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz ruhe.
All dies kann im vorliegenden Fall - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - dahingestellt bleiben, weil eine fristüberschreitende Beschäftigung hier ohnedies zu verneinen ist.
Zunächst ist den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts beizupflichten, dass die Parteien mit der Übereinkunft, das Beschäftigungsausmaß anzuheben, keine Beendigung des Karenzverhältnisses vereinbart haben. Weder wurde derartiges angesprochen, noch stehen irgend welche Umstände fest, aus denen auf eine entsprechende Absicht auch nur eines der beiden Teile geschlossen werden könnte. Selbst der Beklagte ging ja - wie das Berufungsgericht aus seiner Äußerung über eine ohnedies erfolgende weitere Anhebung des Beschäftigungsverhältnisses ab Juni richtig schloss - vom Fortbestand der Karenz aus.
Dem Revisionswerber ist auch nicht beizupflichten, dass schon wegen des Unterbleibens einer Befristung der Vereinbarung über die Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze von einer fristüberschreitenden Beendigung (aus der der Revisionswerber die Beendigung der Karenz ableitet) auszugehen ist.
Es trifft zu, dass die Parteien die Vereinbarung über die Beschäftigung im Ausmaß von 14,5 Wochenstunden nicht befristet haben. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung war daher nicht klar, wie lange die Beschäftigung in diesem Ausmaß dauern wird. In derartigen Fällen müsse nach Ansicht des Revisionswerbers von vornherein von einer fristüberschreitenden Beschäftigung ausgegangen werden; da eine ex-ante-Betrachtung stattzufinden habe, sei die Frist nur dann gewahrt, wenn von vornherein die Beschäftigung nur in einer die Frist wahrenden Dauer vereinbart werde (so auch Wolfsgruber in ZellKomm, MSchG § 15e Rz 10). Dem ist nicht zu folgen: Solange nicht feststeht, dass die Arbeitnehmerin in einem Jahr länger als nach § 15e MSchG zulässig über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus beschäftigt ist, kann nicht von einer Fristüberschreitung ausgegangen werden. Das gegenteilige Ergebnis, wonach eine zunächst nicht befristet vereinbarte Beschäftigung, die dann tatsächlich kürzer als 13 Wochen dauert, als Fristüberschreitung gewertet wird, ist mit dem Schutzzweck des § 15e MSchG nicht zu vereinbaren.
Dass die Beschäftigung der Klägerin im Jahr 2004 die Frist des § 15e MSchG nicht überschritten hat, ist unstrittig.
Für das Jahr 2005 ist die Frist zu aliquotieren. Unter Anwendung der von Ercher/Stech/Langer (aaO, § 15e Rz 47) entwickelten Berechnungsformel hat das Berufungsgericht für das Jahr 2005, an dessen 29. 6. die Karenz enden sollte, eine Frist von 44,88 Tagen (6,41 Wochen) errechnet. Dieses Ergebnis wird vom Revisionswerber nicht in Frage gestellt; er leitet daraus aber eine Frist von nur 44 Tagen ab, weil das rechnerisch erzielte Ergebnis abzurunden sei. Er beruft sich dabei auf Schrank (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht [ErgLfg 1/056] 372 IV), der diese Ansicht allerdings nicht näher begründet, und auf Ercher/Stech/Langer (aaO § 15e Rz 47), die allerdings - ebenfalls ohne Begründung - die Abrundung nur „sicherheitshalber" empfehlen. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass für eine Abrundung des auf Kommastellen lautenden Ergebnisses keinerlei Veranlassung besteht. Sie würde bedeuten, dass die der Arbeitnehmerin offen stehende Frist um einen - wenn auch geringen - Teil (hier allerdings fast um einen ganzen Tag) verkürzt wird, was dem Schutzzweck des MSchG widersprechen würde. Mit dem Berufungsgericht geht der Oberste Gerichtshof davon aus, dass der Klägerin für ihren Austritt nicht nur 44 Tage sondern auch noch der 45. Tag des Jahre 2005 zur Verfügung stand. Ihr an diesem Tag erklärter Austritt war daher - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - rechtzeitig, sodass sich ihr Klagebegehren als berechtigt erweist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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