OGH 1Ob279/06w

OGH1Ob279/06w27.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Glawischnig und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 20. August 1993 verstorbenen Gerhard Ignaz H*****, über den Revisionsrekurs des Erben Leopold J*****, vertreten durch Heller‑Pitzal‑Pitzal Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. August 2006, GZ 44 R 428/06a, 44 R 429/06y‑414, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Döbling vom 17. und 16. Mai 2006, GZ 35 A 187/04v‑409 und 408, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00279.06W.0227.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass Punkt 5. der erstinstanzlichen Entscheidung vom 17. Mai 2006 (ON 408) wie folgt lautet:

„5. Der Antrag des Erben, die Inventarisierung des Nachlasses komme auch dem unbedingt erbserklärten erben gemäß § 807 ABGB zugute, wird zurückgewiesen."

 

 

Begründung:

 

Die vom Revisionsrekurswerber (in der Folge: Erbe) auf Grund des Testaments vom 23. 1. 1992 zum gesamten Nachlass abgegebene unbedingte Erbserklärung wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 5. 10. 1993 zu Gericht angenommen. Die Tochter des Erblassers (Mag. Heidemarie B*****) gab eine bedingte Erbserklärung auf Grund des Gesetzes ab. Sie machte sowohl ihren gesetzlichen Erbrechtsanspruch als auch ihren Pflichtteilsanspruch klageweise geltend. Der Erbe obsiegte mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. 8. 2003 (26 Cg 20/96v‑199) im Erbrechtsstreit. Das Urteil wurde rechtskräftig. Im Pflichtteilsstreit unterlag der Erbe überwiegend (5 Cg 81/99i‑298 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien).

Am 23. 4. 2003 wurde zu 4 S 154/03d des Handelsgerichts Wien der Nachlasskonkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen eröffnet und Dr. Ilse K***** zur Masseverwalterin bestellt. Diese gab bekannt, dass Masseunzulänglichkeit vorliege. Im Rahmen des Konkursverfahrens fand keine Nachlassverwertung statt, sondern gelangte nur der Betrag von EUR 1.412,66 zur Verteilung, mit dem ein Teil der Kosten der Masseverwalterin abgedeckt werden konnte. Sämtliche Aus- und Absonderungsrechte waren vorab befriedigt worden. In ihrem Bericht wies die Masseverwalterin darauf hin, dass dem Erben die Rechtswohltat der Inventarerrichtung zugutekomme, weil im Verlassenschaftsverfahren ein Inventar errichtet worden sei.

Nach Aufhebung des Konkurses legte der Erbe am 10. 8. 2005 ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis vor, in dem er von einer Nachlassüberschuldung von EUR 209.290,92 ausging. Er beantragte, von der Einantwortung des Nachlasses abzusehen und ihm die Nachlassaktiven an Zahlungs statt zu überlassen, da er die Begräbniskosten bezahlt habe. Überdies stellte er den Antrag, das Gericht möge aussprechen, dass eine Inventarisierung des Nachlasses erfolgt sei und diese dem unbedingt erbserklärten Erben gemäß § 807 ABGB zugutekomme.

Das Erstgericht legte das eidesstättige Vermögensbekenntnis vom 10. 8. 2005 der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde, erteilte dem Erben die Verfügungsermächtigung über drei Konten und ein Sparbuch, enthob den Verlassenschaftskurator seines Amtes, wies die Anträge des Erben ab und antwortete den Nachlass zur Gänze dem Erben auf Grund dessen unbedingter Erbserklärung ein. Die vom Erben angeführte Begründung, dass der Nachlass überschuldet sei, sei nicht geeignet, die Einantwortung zu hindern. Der Antrag, auszusprechen, dass die Inventarisierung dem Erben zugutekomme, sei nicht berechtigt. Das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar sei dem Gericht nie zur Annahme vorgelegt worden, da die ursprüngliche Grundlage für das Inventar, nämlich die bedingte Erbserklärung der Tochter des Erblassers, nach deren Unterliegen im Erbrechtsstreit „weggefallen" sei. Das vorliegende Fragment könne dem unbedingt erbserklärten Alleinerben nicht als Rechtswohltat zugutekommen.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in allen Punkten und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung, folgerte das Rekursgericht rechtlich, dass zwar auf Grund der von der Tochter des Erblassers abgegebenen bedingten Erbserklärung ein Inventar zu errichten gewesen sei, der Gerichtskommissär aber nur den Entwurf eines Inventars erstellt habe; dieses sei nie fertiggestellt worden, da die Tochter des Erblassers im Erbrechtsstreit unterlegen sei, sodass keine Notwendigkeit für eine Inventarisierung zur Feststellung des Ausmaßes der Haftung der bedingt erbserklärten Erbin mehr gegeben gewesen sei. In der Unterlassung der Fertigstellung des Inventars liege daher kein Verfahrensmangel. Ein solcher wäre auch nur relevant, wenn die Tochter des Erblassers mit ihrem Anspruch durchgedrungen wäre. Der Rekurswerber selbst habe keinen Anspruch auf Errichtung eines Inventars, da er eine unbedingte Erbserklärung abgegeben habe. § 807 ABGB lege keine Verpflichtung des Gerichts fest, die Haftung des unbedingt erbserklärten Erben zu beschränken, sondern lasse ihn nur an der Rechtswohltat eines Inventars teilnehmen, wenn ein solches errichtet worden wäre. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein Inventar, um die Wirkungen des § 807 ABGB zu entfalten, formell zu Gericht angenommen werden müsse, da es hier nicht fertiggestellt worden und auch nicht fertigzustellen gewesen sei. Der Verlassenschaftskonkurs sei kein Argument gegen die Einantwortung. Der Rekurswerber habe eine unbedingte Erbserklärung abgegeben. Der Oberste Gerichtshof habe eine Einantwortung an einen unbedingt erbserklärten Erben oder eine Einantwortung nach Durchführung eines Verlassenschaftskonkurses nur abgelehnt, wenn trotz der unbedingten Erbserklärung eine Haftungsbeschränkung gemäß § 807 ABGB geboten gewesen sei. Es erscheine auch nicht schlüssig begründbar, weshalb die vom Erben übernommene unbeschränkte Haftung durch die Abwicklung eines Verlassenschafskonkurses außer Kraft gesetzt werden könnte, zumal sich sonst jeder unbedingt erbserklärte Erbe seiner Haftung auf diese Weise ohne weiteres entledigen könnte.

Der Revisionsrekurs des Erben ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass hier noch die Bestimmungen des AußStrG 1854 anzuwenden sind, weil das Verlassenschaftsverfahren (lange) vor dem 1. 1. 2005 anhängig gemacht wurde (§ 205 AußStrG Nf).

Die Auffassung des Rekursgerichts, dass weder ein Inventar erstellt worden noch ein solches zu erstellen gewesen sei, rügt der Rechtsmittelwerber sowohl als Mangelhaftigkeit des Verfahrens wie auch als Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung. Aus den Ausführungen der Vorinstanzen sei nicht abzuleiten, aus welchem Grund das vorliegende Inventar nicht als solches gelten, sondern nur einen Entwurf darstellen sollte. Selbst wenn man lediglich der Entwurf eines Inventars vorläge, wäre das Erstgericht verpflichtet gewesen, auf Grund des Antrags der pflichtteilsberechtigten Tochter des Erblassers den gesamten Nachlass zu inventarisieren. Daraus folge aber, dass die Wirkungen des § 807 ABGB auch für den unbedingt erbserklärten Erben einzutreten hätten. Sei ein Inventar errichtet worden, dann sei so vorzugehen, als würden nur bedingt erbserklärte Erben vorhanden sein. Dies bedeute, dass nach einem Konkursverfahren über das Nachlassvermögen eine Einantwortung zu unterbleiben habe, wenn feststehe, dass kein Nachlassvermögen mehr vorhanden sei. Eine Einantwortung sei im gegenständlichen Fall nicht erforderlich.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen:

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung 3 Ob 83/05k (= SZ 2005/152) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre zur Frage geäußert, ob eine Überlassung des Nachlassvermögens an Zahlungs statt auch nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung zulässig sei, und dies verneint. An dieser Rechtsansicht ist festzuhalten. Die „unbedingte", also ohne Inanspruchnahme der mit der Inventur des Nachlasses verbundenen Haftungsbeschränkung abgegebene Erbserklärung bewirkt die persönliche unbeschränkte Haftung des Erben mit seinem gesamten Vermögen für alle Nachlassverbindlichkeiten. Die unbedingt abgegebene Erbserklärung war (auch) zur alten Rechtslage (Außerstreitgesetz 1854) unwiderruflich und konnte nicht nachträglich in eine bedingte umgewandelt werden können. Auch allfällige Willensmängel der Erbserklärung sind unbeachtlich. Gerade zu einer Umwandlung der unbeschränkten Haftung des unbedingt erbserklärten Erben in eine beschränkte käme es aber, erklärte man eine kridamäßige Verteilung des Nachlassvermögens nach § 73 AußStrG 1854 trotz der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für zulässig, weil in diesem Fall nur der Nachlass selbst, nicht jedoch auch das Vermögen des unbedingt erbserklärten Erben den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung stünde. Die Haftung des Erben für die Verbindlichkeiten des Nachlasses entsteht zwar erst mit der Einantwortung und richten sich die Forderungen der Gläubiger davor gegen den ruhenden Nachlass. So haftet auch der unbedingt erbserklärte Erbe nicht unbeschränkt, wenn während der Abhandlung ein Inventar errichtet worden ist. Das Recht, selbst die Inventarisierung der Verlassenschaft zu verlangen und so der unbeschränkten persönlichen Haftung zu entgehen, steht dem unbedingt erbserklärten Erben jedoch nicht zu (SZ 2005/152 mwN).

Die Vorinstanzen haben daher völlig zu Recht den Antrag des Erben auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt abgewiesen und ihm den Nachlass eingeantwortet, zumal er selbst davon ausgeht, dass für die zwingend notwendig erachtete Inventarisierung erfolgt sei.

Der Revisionsrekurswerber hat nicht den Ausspruch begehrt, die Inventarisierung des Nachlasses sei erfolgt. Er geht lediglich von dieser Voraussetzung aus und begehrte den Ausspruch, die Inventarisierung komme gemäß § 807 ABGB auch ihm zugute. Die Abweisung des nicht gestellten Antrags erweist sich demnach als entbehrlich. Im Übrigen hat der vom Verlassenschaftsgericht beauftragte Gerichtskommissär ein für die Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens ausreichendes Inventar errichtet (ON 105). Über das Begehren, die Inventarisierung komme auch ihm zugute, stand dem Verlassenschaftsgericht aber keine Entscheidungsbefugnis zu:

Durch § 807 ABGB wird die Rechtswohltat des Inventars auch dem unbedingt erbserklärten Erben unbegrenzt eingeräumt, wenn das Inventar vor der Einantwortung errichtet wurde (SZ 57/172; RIS‑Justiz RS0111972). Die Inventarisierung wird nur für die Zwecke des Nachlassverfahrens vorgenommen; die Entscheidung des Abhandlungsgerichts hat nur für dieses Verfahren Wirkungen und kommt ihrem Wesen nach einem besonderen außerstreitigen Beweissicherungsverfahren gleich (SZ 64/184; 1 Ob 48/99m; 7 Ob 71/01v; RIS‑Justiz RS0007726 ua). Den Parteien bleibt es, ohne dass es dazu einer Verweisung auf den Rechtsweg bedürfte, unbenommen, die mit der Inventarerrichtung verbundenen Streitigkeiten im Rechtsweg endgültig auszutragen (2 Ob 26/98g; 1 Ob 235/01t; 4 Ob 170/03h; RIS‑Justiz RS0006465). In der Einantwortungsurkunde ist zwar festzustellen, ob sich der Erbe mit oder ohne Vorbehalt des Inventars erbserklärt hat. Hingegen hat sie nichts darüber zu enthalten, ob die Rechtswohltat der Errichtung des Inventars, insbesondere wenn sie auf Antrag eines anderen Beteiligten erfolgt ist, dem Erben zugutekommt. Hierüber ist im Rechtsweg zu entscheiden (7 Ob 290/62 = NZ 1963, 14). Der Rechtsmittelwerber kann daher seine allenfalls beschränkte Haftung ausschließlich im Prozessweg geltend machen (vgl JBl 1953, 542; Eccher in Schwimann ABGB³ § 802 Rz 6). Für den vom Revisionsrekurswerber hier begehrten Ausspruch, dass die Inventarisierung auch dem unbedingt erbserklärten Erben gemäß § 807 ABGB zugutekomme, fehlt es somit an einer Entscheidungsbefugnis des Außerstreitgerichts.

Dem Revisionsrekurs ist daher spruchgemäß nicht Folge zu geben.

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