OGH 7Ob255/06k

OGH7Ob255/06k14.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ludwig L*****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrages (Streitwert EUR 21.801,85), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. Juni 2006, GZ 16 R 49/06b-66, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Dezember 2005, GZ 4 Cg 111/01z-62, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 28. 6. 1949 schenkte die Großmutter des Klägers der Beklagten mehrere zum Bestand des Gutes T***** gehörende Liegenschaften, darunter Schloss T***** mit Hof, Wirtschaftsgebäuden und Park sowie landwirtschaftlichen Flächen. Die Schenkung erfolgte „mit der Auflage:

a) das Schloss T***** samt Park als Erholungsheim der Stadt zu verwenden und stets als solches zu erhalten,....."

Die Beklagte betrieb von 1959 bis 1989 das Schloss T***** als Kindererholungsheim. In den Jahren 1959 bis 1979 betrieb die Beklagte acht Eigenheime. Zum Ende der Jahre 1979, 1981, 1985 und 1986 wurde jeweils ein Eigenheim geschlossen. Im Jahr 1983 wurde der Verein „W*****" mit der Aufgabe der Organisation und Durchführung der Kinder- und Jugenderholung im Raum W***** gegründet und von der Beklagten finanziert. Die Beklagte schloss mit dem Verein 1983 für die Erholungsheime, darunter auch Schloss T*****, Mietverträge ab. Abgerechnet wurde aufgrund von so genannten Verpflegungstagessätzen, die im Vorhinein provisorisch festgesetzt und dann entsprechend den tatsächlichen Aufwendungen mit einem Durchschnittswert für alle Heime angepasst wurden. Die Beklagte leistete diese Beträge. Für die jeweiligen Heime gab es Untersuchungen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit. In Bezug auf Schloss T***** wurde ab dem Jahr 1986/87 festgestellt, dass der von der Beklagten zu finanzierende tatsächliche Aufwand für dieses Objekt jährlich rund S 3 Mio höher war als der auf ein Jahr umgerechnete Verpflegungstagessatz pro dort untergebrachtem Jugendlichen. In den letzten Jahren vor der Schließung blieb die Auslastung in etwa gleich, ebenso der Anteil der dort untergebrachten Kinder, gemessen an allen noch betriebenen Eigenheimen. Die Auslastung gemessen an den Verpflegungstagen war in den letzten zehn Jahren (1979 bis inklusive 1987) im Schnitt um rund 25 % geringer als im Zeitraum 1960 bis 1977. Hingegen waren in den letzten zehn Jahren im Schnitt mehr Kinder in T***** als im Durchschnitt des Vergleichszeitraumes 1960 bis inklusive 1977. Es wurden zwar Maßnahmen wie beispielsweise Schulpropaganda ergriffen, um das Heim wieder attraktiver zu machen. Anfang 1987 war aber klar, dass trotz der bereits getroffenen provisorischen Maßnahmen Instandsetzungskosten von rund 30 Mio S notwendig wären, um den Betrieb des Schlosses aufrechtzuerhalten. In Summe wandte die Beklagte in den Jahren 1959 bis 1988 für den Betrieb des Schlosses T***** 147,7 Mio S auf. Die Aufwendungen für alle Heime wurden aus folgenden Budgetposten der Beklagten finanziert: Pflegegebührenersatz, Subventionen der Beklagten, Zuschüsse, Fonds und Fahrtkostenersatz (nur 1959 und 1982). Dabei flossen zwischen 1959 bis 1988 12 % des Gesamtbudgets für Heime nach T*****. Die gesamte Erholungsfürsorgeaktion musste in den Jahren 1959 bis 1988 Verluste von S 12,9 Mio (valorisierter Wert 1988) hinnehmen.

1988 kündigte der Verein „W*****" den Mietvertrag mit der Beklagten und stellte das Objekt zurück. 1991 verkaufte die Beklagte die Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs T***** samt dem darauf befindlichen Schloss an die Gemeinde T***** um einen Kaufpreis von S 9 Mio. Die Gemeinde T***** sanierte das Gebäude mit einem Aufwand von rund S 30 Mio. Die Gemeindeorgane beschlossen, eine „soziale Widmung" vorzunehmen. Betriebswirtschaftliche Überlegungen wurden nicht angestellt. Mieter sind Einrichtungen wie Kindergarten, Hilfswerk, Arzt, Lebensberatung SOS und Dorferneuerungsverein. Der Schlosspark ist öffentlich zugänglich, der Festsaal wird für kulturelle Veranstaltungen verwendet.

Die hypothetischen Kosten für den Weiterbetrieb des Heimes nach einer hypothetischen Generalsanierung hätten 1989 bis 1991 S 21,8 Mio (valorisierter Wert 1988) betragen, das wären 13,4 % des hypothetischen Gesamtbudgets aller Heime der Beklagten (Eigenheime, Fremdheime, Tagesheime, ausländische Heime) gewesen. Die von der Beklagten betriebenen Eigenheime wurden alle mit Defizit betrieben, wobei T***** bis auf wenige Ausnahmen im Jahresschnitt das teuerste Heim der von der Beklagten damals geführten Eigenheime (bezogen auf die Pflege, Tageseinheiten) war und es auch vergleichsweise atypisch hohe Aufwendungen hatte. Wäre jedoch im Jahr 1989 anstatt der Schließung eine Generalsanierung mit einem Aufwand von ca S 30 Mio durchgeführt worden, wäre Schloss T***** aufgrund der gleichzeitig sinkenden Betriebskosten bezogen auf die Verpflegungsätze das billigste Eigenheim der Beklagten geworden. So hätte der Aufwand pro Verpflegungstag bei einem fiktiven Weiterbetrieb von T***** im Jahr 1989 S 376, im Jahr 1990 S 390 und im Jahr 1991 S 404 betragen. Der durchschnittliche Verpflegungssatz aller Eigenheime hingegen betrug für diese Jahre S 418, S 454 und S 518. Die durchschnittlichen Verpflegungssätze aller Heime betrugen für diesen Zeitraum S 264, S 270 und S 289.

Von den noch verbliebenen drei Eigenheimen wandelte die Beklagte im Jahr 1997 eines in eine sozialpädagogische Einrichtung um und schloss ein weiteres im Jahr 2001. Es verblieb nur noch das Eigenheim S*****, das vom Verein „W*****" betrieben wird. Dieses ist deshalb so attraktiv, weil die Gemeinde S***** über zahlreiche Freizeiteinrichtungen verfügt, die von den Kindern mitgenutzt werden können. Im Gegensatz dazu sind solche in T***** nicht vorhanden, im Schlosspark als Naturdenkmal können keine sportlichen Anlagen installiert werden. Das Heim S***** wurde im Jahr 1984 von der Beklagten erworben und bis 1986 generalsaniert.

Im Verfahren 6 Cg 82/98t des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien wies der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 70/00p den Anspruch der Erben der Geschenkgeberin auf Bezahlung des von der Beklagten lukrierten Kaufpreises für das Geschenkobjekt mit der Begründung ab, dass die Beklagte sich vertraglich zur Errichtung und Führung eines Erholungsheimes verpflichtet habe und diese Vertragspflicht von den Erben der Geschenkgeberin durchsetzbar sei. Wenngleich die Betriebskosten über die Jahrzehnte exorbitant angestiegen seien und die Beklagte erhebliche Investitionen hätte vornehmen müssen, um den Fortbetrieb zu sichern, sei dadurch die Vertragserfüllung nicht unmöglich. Auch der Verkauf der Liegenschaft bewirke keine Unmöglichkeit der Leistung, könne doch von vornherein nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte die Liegenschaft zurückerlangen oder ihrer Betriebspflicht im Einverständnis mit dem Eigentümer nachkommen könne. Das allein auf den Wegfall des Schenkungsvertrages zufolge Eintritts einer auflösenden Bedingung gestützte Zahlungsbegehren der Kläger sei nicht berechtigt. Ob die von der Beklagten übernommene „immerwährende" Betriebspflicht dann wegfallen könnte, wenn unbeeinflussbare Einwirkungen zu einer für den Leistungsschuldner besonders drückenden Situation führten, wäre erst im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Zuhaltung des Vertrages zu prüfen.

Der Kläger als einer der Rechtsnachfolger der Geschenkgeberin, dessen Klagelegitimation nicht mehr strittig ist, begehrt von der Beklagten nun die Zuhaltung der behaupteten vertraglichen Verpflichtung, das Schloss T***** samt Park als Erholungsheim der Beklagten zu verwenden und dieses stets als solches zu erhalten. Die Leistung sei weder unmöglich noch bestehe eine besonders drückende Situation für die Beklagte. Sie habe fast zeitgleich mit der Einstellung des Betriebes im Schloss T***** das Schloss L***** erworben und es für einen Heimbetrieb adaptiert. Die Beklagte habe mutwillig den Schenkungsvertrag verletzt. Mit dem Schenkungsvertrag seien karitative Anliegen verfolgt worden. Die Beklagte sei offensichtlich deshalb ausgewählt worden, weil sie ein potenter Fürsorgeträger sei, der auch in der Lage sei, die mit dem vereinbarten immerwährenden Betrieb verbundenen finanziellen Belastungen zu tragen. Die Unrentabilität sei vorhersehbar gewesen. Der Vorwurf der schikanösen Rechtsausübung sei unberechtigt. Der Kläger fühle sich als Enkel der Geschenkgeberin verpflichtet, das Schloss T***** jener Verwendung zuzuführen, die der Vereinbarung im Schenkungsvertrag entspreche.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass ihr seit 1988 die Führung des Erholungsheimes aufgrund der notwendigen Kosten für die Sanierung und der hohen jährlichen Verluste mangels entsprechender Nachfrage unzumutbar sei. Die notwendigen Ausgaben fehlten der Beklagten zur Erfüllung anderer sozialer Aufgaben. Der Weiterbetrieb des Kinderheimes habe für die Beklagte zu einer besonders drückenden Situation geführt. Die sinkende Nachfrage und die exorbitanten Verluste ab 1986 seien bei Abschluss des Schenkungsvertrages im Jahr 1949 nicht vorhersehbar gewesen. Zweck des Vertrages sei es gewesen, die Beklagte bei der Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben zu unterstützen. Die Beklagte betreibe als Eigenheim nur mehr das Erholungsheim in S*****. Sie habe dort schon vorher ein Kinder- und Jugenderholungsheim betrieben und das Schloss 1982 mit Tauschvertrag von der Republik erworben. Es stünden dort Sporteinrichtungen für Jugendliche zur Verfügung, welche es in T***** nicht gebe. Die Erholungsfürsorge in Fremdheimen (sogenannten „zugekauften Einrichtungen") sei wesentlich billiger als der Betrieb eines Ganzjahresheims, das nur ca zwei Monate pro Jahr ausgelastet sei. Die mangelnde Auslastung von T***** sei lagebedingt. Es sei das teuerste und kostenintensivste Heim der Beklagten gewesen. Die Beklagte habe als Gebietskörperschaft die sozialen Aufgaben nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erfüllen. Der Heimbetrieb in Schloss T***** wäre nach diesen Grundsätzen nicht möglich gewesen. Der Rückkauf eines renovierten und umgebauten Schlosses würde beträchtliche Mittel, zumindest S 40 Mio erfordern. Der zusätzliche Aufwand für den - neuerlichen - Umbau in ein Erholungsheim, um dieses mit einem Jahresverlust von S 3 Mio zu führen, sei unzumutbar. Dem Kläger sei schikanöse Rechtsausübung vorzuwerfen, weil es ihm nie um die Aufrechterhaltung des Heimbetriebes durch die Beklagte gegangen sei. Erst 13 Jahre nach Einstellung des Heimbetriebes und nach Abweisung seines Leistungsbegehrens habe er auf Vertragszuhaltung geklagt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Für die Beklagte habe keine drückende Situation bestanden, die den Weiterbetrieb des Erholungsheimes unzumutbar gemacht hätte. In den Betrieb von Schloss T***** seien 12 % des Gesamtbudgets für alle Kinderheime geflossen. Die Anzahl der untergebrachten Kinder habe sich nicht verändert. In den letzten drei Jahren seien durchschnittlich 1.622 Kinder, in den letzten zehn Jahren 1.634 Kinder untergebracht worden. Gegen die Annahme einer besonders drückenden Situation spreche der Erwerb und die Generalsanierung von Schloss L*****. Dem gegenüber wäre die Generalsanierung von T***** kostengünstiger gewesen, danach hätte das Heim kostensparender betrieben werden können. Schließlich stünden der Beklagten als Gebietskörperschaft die nötigen Mittel zur Weiterführung von Schloss T***** zur Verfügung. Für das Jahr 2003 seien etwa EUR 2,8 Mio für den Bereich Erholungsfürsorge und Jugendwohlfahrt budgetiert gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass die Beklagte mit ihrer Betriebseinstellung die immerwährende Betriebspflicht verletzt habe. Die Betriebspflicht hätte nur dann wegfallen können, wenn unbeeinflussbare Einwirkungen zu einer für den Leistungsschuldner besonders drückenden Situation geführt hätten. Die „Ewigkeitsklausel" verleihe einer Vertragsbestimmung eine erhöhte Stabilität. Es genüge für deren Aufhebung nicht bloß ein „wichtiger Grund", wie er für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ausreiche. Vielmehr sei an die Unzumutbarkeit als Voraussetzung für den Wegfall oder die Anpassung des Vertrages höhere Anforderungen zu stellen. Unzweifelhaft sei eine Kinder- und Jugenderholung in einem Eigenheim der Beklagten teurer als eine von der Beklagten finanzierte Erholung in einem Fremdheim. Diese Situation sei aber - zumindest nicht gänzlich - von der Beklagten nicht unbeeinflusst. Gerade der Erwerb eines Schlosses bringe es mit sich, dass allein die Erhaltung des Gebäudes mit Unkosten verbunden sei. Es sei nicht überraschend, dass nach einem rund 30-jährigen Betrieb eines Kinder- und Jugenderholungsheimes eine umfassende Renovierung erforderlich sei. Die Beklagte hätte jene Mittel, die sie in die Generalsanierung des Erholungsheimes Schloss L***** investiert habe, zur Sanierung des Schlosses T***** verwenden können, um ein nach heutigem Verständnis attraktives Kinder- und Jugenderholungsheim zu schaffen. Dass ein heruntergekommenes Erholungsheim ohne Sporteinrichtungen unattraktiv sei, verstehe sich von selbst. Auch wenn im Schlosspark selbst (einem Naturdenkmal) keine Sportanlagen hätten errichtet werden dürfen, habe die Beklagte nicht bewiesen, dass diese nicht auf den zum Schloss gehörenden anderen Grundstücken - allenfalls im Zusammenarbeit mit der Gemeinde T***** - auf anderen Grundstücken hätte errichtet werden können. Es entstehe der Eindruck, dass der Beklagten bei ihren Entscheidungen die immerwährende Betriebspflicht nicht immer bewusst gewesen sei und deshalb offenbar jegliches Konzept gefehlt habe, wie diese vertraglich übernommene Betriebspflicht erfüllt hätte werden können. Diese Versäumnisse seien der Sphäre der Beklagten zuzurechnen. Die Tatsachen, dass mittlerweile die Kinder- und Jugenderholung wirtschaftlich günstiger in Fremdheimen organisiert werden könne, sei für die Schließung des Eigenheims nicht zwingend, wie das Beispiel Schloss L***** zeige. Verglichen zur Kindererholung in allen anderen Heimen liege allerdings der durchschnittliche Verpflegungssatz um rund 40 % höher. Dies bedeute jedoch keine besonders drückende Situation, weil der Anteil der Kosten für T***** aus dem Gesamtbudget für alle Heime nicht wesentlich gestiegen sei, nämlich von 12 % von 1959 bis 1989 auf 13,4 % (hypothetisch berechnet) von 1988 bis 1991. Durch die Verpflichtung der Gebietskörperschaft, die Verwaltung sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig zu führen, sei die vertragliche Verpflichtung nicht aufgehoben. Die Beklagte hätte vielmehr Konzepte erarbeiten müssen, um diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 70/00p bestehe keine Veranlassung zu einer Vertragsergänzung, weil keine „Vertragslücke" vorliege. Die Motive der Parteien zum Abschluss des Vertrages könnten vielfältig gewesen sein. Es sei nicht zwingend, dass die Geschenkgeberin lediglich die Beklagte bei der Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben unterstützen habe wollen. Es sei auch denkbar, dass sie die Erhaltung des Schlosses habe gewährleisten und dort den Bestand einer Kinder- und Jugenderholung habe sichern wollen. Die Absicht der Parteien des Schenkungsvertrages stehe nicht fest. Dem Kläger sei keine missbräuchliche Rechtsausübung anzulasten. Es liege in der Natur der zu beurteilenden Auflage im Schenkungsvertrag, dass der Kläger als Rechtsnachfolger der Geschenkgeberin daraus keinen unmittelbaren persönlichen (Vermögens-)Vorteil erlangen, sondern nur ein ideelles Interesse verfolgen könne. Auch wenn das Schloss T***** zur Zeit wichtigen sozialen Zwecken diene, so werde es dennoch der vertraglich übernommenen Verpflichtung zuwider nicht als Erholungsheim betrieben. Die Beklagte könne daher auf Zuhaltung des Vertrages in Anspruch genommen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, da zur Beurteilung der Frage, wann eine vereinbarte „immerwährende" Betriebspflicht durch eine „besonders drückende Situation" für eine Gebietskörperschaft wegfallen könne, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle und dieser Rechtsfrage Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unter einer Auflage wird eine einem unentgeltlichen Geschäft beigefügte Nebenbestimmung verstanden, durch die ein Zuwendungsempfänger zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet wird (RIS-Justiz RS0012650). Eine Schenkung unter Auflage bleibt eine Schenkung, es wird nur ihr Wert durch die Auflage vermindert. Bereichert ist der Beschenkte daher nur mit dem um die Auflage verminderten Wert des Geschenkes (RIS-Justiz RS0018914). Die Verpflichtung aus der Auflage ist mit dem Wert des Zugewendeten zu begrenzen. Erreicht der Wert des Zugewendeten nicht die Höhe des zur Vollziehung der Auflage erforderlichen Aufwandes, ist der Beschenkte berechtigt, die Vollziehung der Auflage zu verweigern (Schubert in Rummel I³, § 938 ABGB, Rz 8).

Zu 6 Ob 70/00p hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Geschenkgeberin keine Auflage formuliert, sondern die Beklagte eine eigene vertragliche Verpflichtung übernommen habe, weil den Vertragspartnern hätte bewusst sein müssen, dass die Kosten des Umbaus und der Betriebsführung weder aus dem Geschenk selbst noch aus seinen Erträgnissen gedeckt werden könnten.

Ausgehend davon ist also die als „Auflage" formulierte Bestimmung des Schenkungsvertrages nicht als solche zu beurteilen, da sich die Beklagte unabhängig vom Wert des übernommenen Geschenkes zum Betrieb und zur Erhaltung eines Erholungsheims im Schloss T***** verpflichtet hat, war doch von vornherein klar, dass die Betriebs- und Erhaltungskosten auf „immerwährende" Zeit den Wert „des Geschenkes" übersteigen werden.

Die Beklagte hat sich zum Betrieb und zur Erhaltung des Heimes „stets", das heißt immerwährend verpflichtet. Aber auch immerwährende Leistungsversprechen müssen nicht „ewig" dauern.

Zu den „Ewigkeitsklauseln" haben insbesondere Binder, Der rechtliche Umgang mit „Ewigkeitsklauseln" in dinglichen Bezugsverträgen, JBl 1999, 368 und F. Bydlinski, Zulässigkeit und Schranken „ewiger" und extrem lang dauernder Vertragsbindungen, Schriftreihe Niederösterreichische Juristische Gesellschaft, Heft 58, Stellung genommen. Beide leiten überzeugend aus der Rechtsordnung ab, dass „Ewigkeitsklauseln" ihre Geltungskraft einbüßen müssen, wenn unbeeinflussbare äußere Einwirkungen für den Leistungsschuldner zu einer besonders drückenden Situation führen. Dies muss aber, Binder aaO folgend, nicht zum völligen Wegfall der Leistungspflicht führen, vielmehr ist der Vertrag unter Beibehaltung des zugrunde liegenden Leistungs-/Gegenseitigkeitssynallagmas weiterzuentwickeln. Es sind daher im Sinn des § 914 ABGB die korrespondierenden Leistungspflichten unter Bedachtnahme auf die ermittelte hypothetische Parteienrichtung und die Übung des redlichen Verkehrs für den Einzelfall neu zu definieren.

Diesen Überlegungen ist zuzustimmen, ergibt sich doch insbesondere aus den allgemein anerkannten Grundsätzen der Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen im allgemeinen aus wichtigem Grund (RIS-Justiz RS0027780; RS0018813; RS0018842; so auch unvorhergesehene und erhebliche nachträgliche Erschwerung der Erbringung der geschuldeten Leistung RS0018811), der Anwendung der Regeln der Unmöglichkeit auf die Fälle der Unzumutbarkeit bzw Unerschwinglichkeit (dazu die folgenden Ausführungen) und als letztes Mittel der Beseitigung vertraglicher Bindungen durch Wegfall der Geschäftsgrundlage (9 Ob 152/03y; RIS-Justiz RS0017454 ua), dass die Rechtsordnung dem Element der nach den entsprechenden Kriterien zu prüfenden Unzumutbarkeit im Einzelfall Rechnung trägt und sie zu einer Aufhebung einer Vertragspflicht führen kann.

Nach der Rechtsprechung und Lehre wird die Anwendung der Unmöglichkeitsregeln auch für den Fall befürwortet, dass die Leistungserbringung für den Schuldner nachträglich unzumutbar bzw unerschwinglich wird (8 Ob 86/06i, P. Bydlinski in KBB, § 920 ABGB, Rz 2, Reischauer in Rummel I³, § 920 ABGB, Rz 4, Binder/Reidinger in Schwimann, Praxiskommentar³ § 920 ABGB, Rz 2). Nur die vom Schuldner weder verschuldete noch vorhersehbare Unerschwinglichkeit der Leistung kann einer Unmöglichkeit gleichgesetzt werden (8 Ob 86/06i, RIS-Justiz RS0034443, P. Bydlinski, aaO, Reischauer aaO, Binder/Reidinger aaO). Eine der Unmöglichkeit der Leistung gleichkommende Unerschwinglichkeit liegt vor, wenn die Leistung unvernünftig und wirtschaftlich sinnlos wäre (RIS-Justiz RS0034088).

Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Legt man den „Schenkungsvertrag" nach §§ 914 f ABGB aus, so stehen die Leistungen in folgendem Austauschverhältnis: Die Geschenkgeberin stellte der Beklagten ihre Liegenschaft samt Schloss durch (nicht gesondert entgeltliche) Eigentumsübertragung zur Verfügung und die Beklagte verpflichtet sich im Gegenzug zum Betrieb eines (Kinder)Heimes in dem Schloss und zur Erhaltung des Heimes auf ihre Kosten, um das geplante gemeinsame soziale Anliegen umzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass der Wille der Beteiligten vorzüglich darauf gerichtet war, dass die Geschenkgeberin mit dem Geschenk einen Beitrag zur Erfüllung der der Beklagten obliegenden sozialen Aufgaben leistete und dass die Beklagte sich verpflichtete, unabhängig vom Wert des Geschenkes diese sozialen Aufgaben ua im Schloss T***** zu erfüllen. Diesen Zweck erfüllte das Geschenk auch 30 Jahre hindurch. Nunmehr haben sich aber - im Jahr 1949 (das Schloss lag in der russischen Besatzungszone und diente damals als russisches Hauptquartier [vgl 6 Ob 70/00p]) nicht vorhersehbar - die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse so gewandelt, dass sich völlig ohne Zutun der Beklagten in den auf den Schenkungsvertrag folgenden 40 (nunmehr schon knapp 60) Jahren die Anforderungen sowohl an Lage als auch Ausstattung eines Jugenderholungsheimes enorm geändert haben. Die Nähe zu W***** und das Fehlen von attraktiven Freizeiteinrichtungen für Jugendliche wurden im Jahr 1990 - im Gegensatz zum Jahr 1949 - schon wegen der gestiegenen Mobilität und dem allgemeinen Freizeitstandard als erheblicher Nachteil empfunden, sodass die Attraktivität und damit auch zwangsläufig die Rentabilität dieses Eigenheims schon aus diesem Grund ganz erheblich gemindert wurde. Dazu kommt, dass die Erblassungszwecken dienende Unterbringung in Fremdheimen im Laufe der Zeit wesentlich kostengünstiger erfolgen konnte als in Eigenheimen, was man im Jahr 1949 ebenfalls nicht vorhersehen konnte. Selbst wenn die Beklagte die Kosten für die Generalsanierung in der Höhe von ca S 30 Mio im Jahr 1989 aufgewendet hätte und damit der Verpflegungssatz gesunken wäre, so wären dennoch die Verpflegungskosten im Schloss T***** um rund 30 % höher gewesen als im Durchschnitt aller Heime. Der Betrieb eines derart enorm teureren Heimes zu einer Zeit, in der die gleichen sozialen Anliegen erheblich kostengünstiger umgesetzt werden können, ist einer Gebietskörperschaft, die nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ihre Angelegenheiten zu besorgen hat (vgl Art 126b Abs 5 B-VG; Mayer, B-VG³ Abschn IV zu Art 126b), nicht zumutbar, wenn sie damit ein Vermögensdefizit verursacht, mag dieses für sie auch keineswegs existenzgefährdend sein. Es genügt bereits, dass ihr in wirtschaftlich sinnloser und unvernünftiger Weise Eigenmittel entzogen werden, die ihr bei der Umsetzung anderer Aufgaben fehlen. Das Vermögensdefizit tritt aber nur dann ein, wenn der Beklagten durch den Weiterbetrieb oder die Weitererhaltung des Eigenheimes ein Verlust zugefügt wird, der nicht durch den Wert der ins Eigentum übertragenen Liegenschaften ausgeglichen ist. Die Beteiligten wählten „Schenkungsvertrag" als Bezeichnung des Vertrages. Daraus geht hervor, dass zwar die Beklagte die jeweils üblichen Betriebs- und Verpflegungskosten tragen muss, die sie auch bei Unterbringung in anderen Heimen aufwenden hätte müssen, weil dies - wie schon dargelegt - ihr Beitrag zur Umsetzung des sozialen Vorhabens ist, dass sie aber nicht darüber hinaus verpflichtet ist, für den Betrieb des Heimes offensichtlich unverhältnismäßige Kosten aufzuwenden oder unwirtschaftliche Erhaltungsmaßnahmen auf eigene Kosten zu treffen. Sonst wäre für den Begriff „Schenkung" im Vertrag überhaupt kein Raum, weil der Beklagten von der Geschenkgeberin nur Lasten übertragen worden wären, wenn sie auch bei den dargestellten nicht vorhersehbaren und wirtschaftlich äußerst ungünstigen Verhältnissen zum Betrieb des Heimes in jedem Fall verpflichtet wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass die Höhe der von der Beklagten über die Jahre geleisteten Aufwendungen für das Heim, abzüglich der jeweils üblichen und durchschnittlichen Kosten, die sie auch bei anderer Unterbringung hätte tragen müssen, sind im Wesentlichen durch die Höhe des „Geschenkes" begrenzt ist. Andere Motive als die Unterstützung der Beklagten bei der Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben mögen bestanden haben, treten aber dagegen klar in den Hintergrund.

Von dieser Auslegung des vorliegenden Vertrages ausgehend ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Vertragszuhaltung trotz „Ewigkeitsklausel" der Wert des Geschenkes entscheidungsrelevant ist, weil erst daran die finanzielle Belastung der Beklagten unter Berücksichtigung des ihr Zugekommenen ermittelt werden kann.

Es wird, weil dazu entsprechende Feststellungen fehlen, zunächst der Wert des Geschenkes im Jahr 1949 valorisiert zum Zeitpunkt des Einstellens des Betriebes des Heimes festzustellen sein. Dem ist gegenüberzustellen, welche Aufwendungen die Beklagte von 1949 an für die Erhaltung des Heimes getätigt hat (valorisiert zum genannten Stichtag). Hinzuzuzählen sind die Verluste, die die Beklagte tragen musste, weil sie höhere Kosten aufwenden musste, als dies bei anderen Heimen nötig gewesen wäre. Ergibt sich dann, dass die Beklagte bis zur Einstellung des Betriebes für das Heim T***** in Summe bereits Aufwendungen machen musste, die den Wert des Geschenkes überstiegen, so stellt sich der Weiterbetrieb - nunmehr ausschließlich auf Kosten der Beklagten ohne „Weiterwirken" des Beitrages der Geschenkgeberin - als unerschwinglich und unzumutbar im Sinne von unmöglich dar, sodass die Beklagte zur Einhaltung ihrer Vertragspflicht nicht mehr angehalten werden könnte. Die Klage wäre abzuweisen.

Wäre dies nicht der Fall und wäre der Betrieb im Einzelfall auf einen relevanten Zeitraum noch sinnvoll weiterzuführen gewesen, bevor der Ausgleich im Vermögen der Beklagten eingetreten wäre, läge keine Unzumutbarkeit des Weiterbetriebes (zur Zeit) vor.

In diesem Fall könnte von einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung durch den Kläger nicht gesprochen werden, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat (§ 510 Abs 3 ZPO). Es steht nicht fest, dass der Kläger kein anderes relevantes Interesse bei der Klagsführung hat, als der Beklagten zu schaden (RIS-Justiz RS0026271). Das eigene Interesse als Erbe der Geschenkgeberin ergibt sich daraus, dass die einen Dritten begünstigende Verpflichtung durch die Beklagte eingehalten wird. Die Beklagte kann sich auch nicht ihrer Vertragspflicht dadurch entledigen, dass der Käufer das Schloss nun zur Befriedigung ganz anderer sozialer Bedürfnisse für ganz andere Begünstigte verwendet.

Erst nach Verbreiterung der Tatsachengrundlage im dargelegten Sinn ist eine abschließende Entscheidung in der Rechtssache möglich.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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