Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 300,10 (darin EUR 50,02 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des zum Grundbuch L***** gehörenden Grundstückes 2035, das man von der D*****-Landesstraße aus über das im Eigentum der Beklagten stehende Weggrundstück 2037 (öffentliches Gut) dieser Katastralgemeinde erreichen kann. Ein weiterer Anrainer dieses öffentlichen Interessenweges ist die E***** GmbH mit den Grundstücken 2038 und 2034 derselben Katastralgemeinde. Da das Betriebsgelände der E***** GmbH direkt an diesem Weg heranreicht, trat deren Geschäftsführer mit dem Ansuchen an die Beklagte heran, den öffentlichen Weg vom Betriebsgelände wegzuverlegen. Um dies vorzubereiten, machte die Beklagte am 10. 12. 2001 kund, dass sie beabsichtige, den Weg zu verlegen. Unter einem wurde dazu aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Erhalt bzw ab Kundmachung am Gemeindeamt dementsprechende Stellungnahmen abzugeben. Die Klägerin erhob innerhalb offener Frist am 20. 12. 2001 „Einspruch", da ihr durch diese Verlegung ein Umweg von rund 1.300 m entstehen würde, um zu ihrer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft zu gelangen. Die Beklagte machte am 30. 1. 2002 zunächst den Vorschlag, der Klägerin als Abgeltung für den Umweg eine einmalige Zahlung zu leisten, was von dieser abgelehnt wurde. Am 26. 6. 2002 kam es zu einem Gespräch der Klägerin mit dem Bürgermeister der Beklagten, in dessen Zuge der Klägerin zugesichert wurde, ihr nach Aufhebung der Widmung als öffentliches Gut den an ihr Grundstück angrenzenden Wegstreifen, soweit erforderlich, zu einem ortsüblichen Preis zu verkaufen. Mit Schreiben der Beklagten vom 23. 8. 2002 wurde der Klägerin zugesagt, den Wegstreifen zu einem Quadratmeterpreis von EUR 3,-- - vorbehaltlich der positiven Beschlussfassung durch den Gemeinderat - zum Kauf anzubieten. Die Klägerin nahm dieses Anbot an. Über die notwendige Aufhebung der Widmung als öffentliches Gut und Übertragung ins Privatvermögen der Gemeinde wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht gesprochen und wurde dies von beiden Seiten auch nur als Formalität angesehen. Es war jedoch der Klägerin bekannt und bewusst, dass die Umwidmung Grundvoraussetzung für die Durchführung des Kaufvertrages sein werde. In seiner Sitzung vom 3. 9. 2002 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, einen Teil des Weggrundstückes an die Klägerin um EUR 3,--/m2 zu verkaufen. Davon wurde die Klägerin am 12. 9. 2002 in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde sie ersucht, für die Vermessung des Grundstückes bei der Agrarbezirksbehörde ein Flurbereinigungsverfahren in die Wege zu leiten. Sie wurde darauf hingewiesen, dass die Auflassung des öffentlichen Gutes sowie die grundbürgerliche Durchführung der Grundstücksübertragung erst nach Vorliegen eines Teilungsplanes erfolgen könne. Ebenfalls in der Gemeinderatssitzung vom 3. 9. 2002 wurde der an das Grundstück der E***** GmbH anschließende Teil des Weges 2037 umgewidmet und dadurch ins freie Gemeindevermögen übertragen. In der Folge wurde dieses Weggrundstück kostenlos an Ernst und Günther E***** übertragen. Hinsichtlich des Wegteiles, dessen Übertragung an die Klägerin geplant war, wurde eine solche Umwidmung nicht vorgenommen. Die Klägerin nahm in der Folge mit der Agrarbezirksbehörde S***** Kontakt auf und bezahlte nach Erhalt der von dieser Behörde ermittelten Quadratmeteranzahl von 368 m2 im Oktober 2002 den vereinbarten Kaufpreis von EUR 1.104,-- an die Beklagte, der von dieser auch angenommen wurde. Nachdem Verantwortliche der E***** GmbH vom Verkauf des Wegteiles an die Klägerin erfahren hatten, intervenierten diese massiv sowohl mündlich als auch schriftlich bei der Beklagten und beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Insbesondere wies die Unternehmensleitung auf die Notwendigkeit einer weiteren Benützung dieses Weges wegen notwendiger Wartungsarbeiten und aus feuerpolizeilichen Erwägungen hin.
Mit Beschluss vom 21. 5. 2003 hob der Gemeinderat der Beklagten den Beschluss vom 3. 9. 2002 hinsichtlich des abgeschlossenen Kaufvertrages mit der Klägerin auf Grund „angeblicher Streitigkeiten zwischen E***** und W***** zur Vermeidung von Eskalationen" einseitig auf und zahlte der Klägerin den schon übermittelten Kaufpreis zurück. Die Beklagte erachtete sich in der Folge nicht mehr an den Kaufvertrag gebunden. In der Gemeinderatssitzung vom 20. 4. 2004 wurde der Gemeinderat mit einem Antrag des Bürgermeisters konfrontiert, das verfahrensgegenständliche Teilwegstück des Grundstückes 2037 im Ausmaß von 338 m2 als öffentliches Gut aufzulösen und in freies Gemeindevermögen umzuwandeln. Mit Mehrheitsbeschluss lehnte der Gemeinderat diesen Antrag ab. Versuche der Beklagten, der Klägerin eine andere Zufahrtsmöglichkeit oder aber ein Ersatzgrundstück anzubieten, blieben erfolglos. Die Klägerin begehrte zuletzt, die Beklagte schuldig zu erkennen, alle zur Durchführung der mit der Klägerin getroffenen Kaufvereinbarung hinsichtlich des Teiles des Grundstückes 2037 des Grundbuches L***** im Gesamtausmaß von 368 m2 im Verfahren vor der Agrarbezirksbehörde S***** notwendigen Erklärungen abzugeben, um die getroffene Vereinbarung letztlich auch grundbücherlich durchführen zu können, sowie auch alle sonstigen erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um den mit der Klägerin vereinbarten Kaufvertrag umzusetzen. Sie brachte vor, dass die Beklagte an den abgeschlossenen Kaufvertrag gebunden und daher verpflichtet sei, alles für dessen Durchführung erforderliche zu unternehmen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, einseitig vom Beschluss von 3. 9. 2002 abzugehen, mit welchem sie auch einen Vertrauensstatus geschaffen habe. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Auch der Klägerin sei von Anfang an klar gewesen, dass der Kaufvertrag unter der Bedingung der Umwidmung des Weggrundstückes von öffentlichem Gut ins Privatvermögen der Gemeinde gestanden sei. Diese Umwidmung sei jedoch nicht zustandegekommen, weil öffentliche Interessen gegen eine solche Umwidmung gesprochen haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar ein rechtsgültiger Kaufvertrag zustandegekommen sei, das Kaufobjekt aber nach wie vor als öffentliches Gut gewidmet sei. Rein privatrechtliche Verfügungen über öffentliches Gut setzten jedoch die Aufhebung der Widmung zum Gemeingebrauch voraus. Diese Umwidmung sei nicht nur nicht vorgenommen worden, sondern der Gemeinderat habe sogar einen darauf gerichteten Antrag des Bürgermeisters ausdrücklich abgelehnt. An dieser Entscheidung sei das Gericht gebunden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Wer mit der Gemeinde einen Vertrag abschließe, müsse die für deren Willensbildung geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen beachten und auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht gekannt haben sollte. Gemäß § 43 Abs 1 der steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 obliege dem Gemeinderat die Beschlussfassung über alle zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörenden Angelegenheiten. Der Beschluss vom 3. 9. 2002 falle in diese Zuständigkeit. Der Kaufvertrag sei daher grundsätzlich wirksam zustande gekommen. Wie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei jedoch die verfahrensgegenständliche Teilfläche des Grundstückes 2037 nach wie vor als öffentliches Gut der Beklagten im Sinn des § 72 der steiermärkischen Gemeindeordnung gewidmet. Zum Verkauf eines Teiles des öffentlichen Gutes müsse die jeweilige Fläche aber durch einen Gemeinderatsbeschluss in freies Gemeindevermögen umgewandelt werden, bezüglich dessen Abverkauf dann die Gemeinde so vorgehen könne wie bei jedem anderen unbeweglichen Gemeindevermögen. Unabdingbare Voraussetzung zur (grundbücherlichen) Durchführung des geschlossenen Kaufvertrages sei also die Fassung eines Beschlusses des Gemeinderates der Beklagten zur Auflassung der besagten Teilfläche des Grundstückes 2037 im Ausmaß von 368 m2 als öffentliches Gut und die Umwandlung in freies Gemeindevermögen. Das Begehren der Klägerin laufe aber auch auf die Erwirkung eines derartigen Gemeinderatsbeschlusses hinaus. Die Mitglieder des Gemeinderates seien gemäß § 16 Abs 4 steiermärkische Gemeindeordnung in Ausübung ihres Mandates frei und an keinen Auftrag gebunden. Es sei daher auch eine Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten eines Gemeinderates gar nicht möglich. Damit verbiete sich aber auch eine Stattgebung des Klagebegehrens, zumal die gewünschten notwendigen Erklärungen zur grundbücherlichen Durchführung der getroffenen Kaufvereinbarungen bzw alle sonstigen erdenklichen Anstrengungen nur im Wege eines Gemeinderatsbeschlusses erfolgen könnten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, wie das Recht auf freie Ausübung des Gemeinderatsmandates mit allgemeinen zivilrechtlichen Regeln über das wirksame Zustandekommen eines Vertrages korrespondiere, gesicherte Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 8 Abs 3 des steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LStV 1964, erfolgt die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, der Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße sowie eines öffentlichen Interessentenweges durch Verordnung der Gemeinde.
Privatrechtliche Verfügungen über öffentliches Gut, wie den vorliegenden Weg, die den Gemeingebrauch beeinträchtigen, setzen die Aufhebung der Widmung zum Gemeingebrauch voraus (SZ 72/65; Klicka in Schwimann ABGB3 § 287 Rz 13; Spielbüchler in Rummel ABGB I3 § 287 Rz 3). So wie die Widmung als „öffentliches Gut" bedarf daher auch die Entwidmung von öffentlichem Gut ins Privatvermögen eines entsprechenden Verwaltungsaktes, im konkreten Fall also einer Verordnung nach § 8 Abs 3 des steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964. Eine privatrechtliche Erklärung des Eigentümers des öffentlichen Gutes kommt hiefür nicht in Frage (SZ 72/65). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass durch den beabsichtigten Verkauf des Weggrundstückes an die Klägerin der Gemeingebrauch öffentlichen Gutes beeinträchtigt würde. Über Bestand und Umfang des Gemeingebrauches haben aber die Verwaltungsbehörden zu befinden (SZ 72/65). Auch die Revisionswerberin geht in Übereinstimmung mit der Aktenlage davon aus, dass eine Umwidmung des von ihr begehrten Wegstückes vom öffentlichen Gut ins Privatvermögen der Gemeinde nicht erfolgt ist. Vielmehr wurde mit dem Beschluss vom 20. 4. 2004 sogar ausdrücklich eine Umwidmung abgelehnt. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, warum es sich bei diesem Beschluss um einen absolut nichtigen handeln soll, ist dies ohne Einfluss darauf, dass eine Entwidmung vom öffentlichen Gut nie erfolgt ist. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend aufgezeigt hat, begehrt die Klägerin trotz der allgemein gehaltenen Fassung ihres Klagebegehrens auch die Umwidmung des Wegegrundstückes. Ein solcher Entwidmungsakt könnte aber nur durch den Gemeinderat der Beklagten erfolgen. Nun ist es aber den ordentlichen Gerichten verwehrt, Organen der Verwaltung Weisungen zu erteilen (VfSlg 7882 ua), da dies einen Verstoß gegen die in Art 94 B-VG festgelegte Gewaltentrennung darstellen würde. Genausowenig ist aber ersichtlich, wie die Beklagte ihrem Gemeinderat Weisungen erteilten sollte, ohne in die freie Mandatsausübung ihres Organes einzugreifen. Da es sich bei der Widmung wie Entwidmung öffentlichen Gutes um einen Verwaltungsakt handelt, kann ein solcher auch nicht durch Gerichtsurteil ersetzt werden. Fehlt es aber an der Umwidmung von öffentlichem Gut in Privatvermögen als notwendiger Voraussetzung für weitere privatrechtliche Verfügungen, ist auch das Begehren auf Abgabe allfälliger Erklärungen, zB gegenüber der Agrarbezirksbehörde, verfehlt. Unabhängig davon, ob der Klägerin die Geltendmachung des Ersatzes eines Vertrauensschadens zukommt, kann sie jedenfalls nicht auf der Zuhaltung des Kaufvertrages bestehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)