OGH 2Ob175/06h

OGH2Ob175/06h1.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Mag. jur. Dr. jur. Kurt ***** K*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Salzburg, 5020 Salzburg, Schallmooser Hauptstraße 11, vertreten durch Dr. Reinhold Gsöllpointner und Dr. Robert Pirker, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 15. November 2005, GZ 21 R 369/05v-43, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25. Juli 2005, GZ 3 A 44/04x-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des von der Pensionsversicherungsanstalt gestellten Antrags auf Aktenübersendung abgeändert.

Text

Begründung

Der Nachlass nach dem am 12. 1. 2004 verstorbenen Erblasser wurde am 31. 1. 2005 seiner Witwe eingeantwortet. Ein Sohn des Erblassers, für den zu GZ 3 P 56/04y des Bezirksgerichtes Salzburg am 23. 8. 2004 ein Sachwalter bestellt wurde, war im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren, in dem ein Pflichtteilsbedeckungsübereinkommen geschlossen wurde, als Noterbe beteiligt.

Die Revisionsrekurswerberin, die über einen vom pflegebefohlenen Sohn des Erblassers geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszulage zu entscheiden hat, ersuchte zur Klärung des Sachverhalts um Übersendung des Verlassenschaftsaktes zur Einsichtnahme.

Das Erstgericht wies diesen Antrag unter Berufung auf § 141 AußStrG zurück. Diese Bestimmung, nach der das Gericht Auskünfte über Einkommens- und Vermögensverhältnisse nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern, nicht aber sonstigen Personen oder Stellen erteilen dürfe, verdränge als lex specialis die Rechts- und Verwaltungshilfe iSd § 360 Abs 1 ASVG. Eine Aktenübersendung im Rahmen der Amtshilfe sei daher nicht möglich. Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Es billigte die Begründung des Erstgerichtes und verwies überdies auf den Umstand, dass die am 1. 1. 2005 in Kraft getretene Bestimmung des § 141 AußStrG auch als lex posterior der älteren Bestimmung des § 360 ASVG vorgehe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Pensionsversicherungsanstalt ist zulässig und berechtigt. Die Revisionsrekurswerberin beruft sich auf § 360 ASVG, der ua die Gerichte verpflichtet, den im Vollzug des ASVG an sie ergehenden Ersuchen der Versicherungsträger im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit zu entsprechen.

Die von den Vorinstanzen dieser Verpflichtung entgegen gehaltene Bestimmung des § 141 AußStrG ist systematisch im 11. Abschnitt („Sonstige Bestimmungen") des II. Hauptstücks des AußStrG („Verfahren in Ehe-, Kindschafts- und Sachwalterschaftsangelegenheiten") eingeordnet. Wie die übrigen „Sonstigen Bestimmungen" dieses Abschnitts bezieht sie sich auf das II. Hauptstück, nicht aber auf das III. Hauptstück („Verlassenschaftsverfahren"), das keine vergleichbare Bestimmung enthält. § 141 AußStrG ist daher im Verlassenschaftsverfahren nicht anzuwenden.

Dies entspricht durchaus auch dem Zweck der zitierten Bestimmung. Sie trägt ua dem Umstand Rechnung, dass die Pflegschaftsakten, in denen vielfach Familien- und Vermögensverhältnisse offen gelegt werden, dem Schutz der Pflegebefohlenen dienen und es mit diesem Schutz nicht vereinbar wäre, wenn Außenstehende im Wege der Einsicht in bzw der Auskunft aus solchen Akten Informationen über die Betroffenen erlangen könnten, die sie ohne die ja zum Vorteil der Betroffenen geführten Verfahren nicht erlangen könnten. Im Verlassenschaftsverfahren hingegen ist kein Grund ersichtlich, einen Erben oder - wie hier - Noterben im hier interessierenden Zusammenhang nur deshalb anders als die übrigen Beteiligten zu behandeln, weil er pflegebefohlen ist.

Grundsätzliche Überlegungen über das Verhältnis des § 141 AußStrG zur Amtshilfe sind daher entbehrlich, weil die Bestimmung hier ohnedies nicht anwendbar ist und daher der unter Berufung auf § 360 ASVG verlangten Aktenübersendung nicht entgegensteht.

Obwohl das Erstgericht nach dem Wortlaut seiner Entscheidung das Begehren der Revisionsrekurswerberin zurückgewiesen hat, hat es inhaltlich den damit geltend gemachten Anspruch auf Aktenübersendung verneint. Inhaltlich liegt daher eine (im Spruch der Entscheidung unrichtig bezeichnete) Abweisung des Begehrens vor, sodass der Oberste Gerichtshof berechtigt ist, in Abänderung der bestätigenden Rekursentscheidung sofort in der Sache zu entscheiden.

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