OGH 11Os137/06s

OGH11Os137/06s23.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Jänner 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz S***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 8. September 2006, GZ 631 Hv 14/05p-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S***** der Verbrechen (zu I./1. und II./1. und 2.) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, (zu II./2.) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie (zu II./3.) des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, und der Vergehen (zu I./2. und II./4.) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und (zu II./5.) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

I. in Altlengbach, Wien und Vösendorf mit einer unmündigen Person, nämlich der am 29. Juli 1977 geborenen Viola J*****

1.) von Ende 1988 bis zum 28. Juli 1991 in etwa 25 bis 35 Angriffen den außerehelichen Beischlaf unternommen,

2.) von Ende 1988 bis zum 28. Juli 1991 durch die zu I./1. beschriebenen Taten mit dem minderjährigen Kind seiner Lebensgefährtin, das seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen,

II. in der Zeit von Sommer 2002 bis 2004 in Bullendorf

1.) in zwei Fällen mit einer unmündigen Person, nämlich der am 3. August 1992 geborenen Katharina J***** den Beischlaf unternommen,

2.) bei einem weiteren Angriff Katharina J***** mit Gewalt, indem er sie an den Haaren packte, sie auf das Bett schleuderte und solang festhielt, bis sie den Angeklagten gewähren ließ, zur Duldung des Beischlafs genötigt,

3.) bei einem Angriff außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an Katharina J***** vorgenommen, indem er sie an der Brust massierte,

4.) durch die zu II./1. und 3. geschilderten Tathandlungen mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung oder Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen,

5.) dadurch, dass er wiederholt zu Katharina J***** äußerte, solle sie sich irgendjemandem anvertrauen, würde er ihre Hasen umbringen, diese durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme, jemandem von den zu II./1. bis 4. angeführten Vorfällen zu erzählen, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung des am 8. September 2006 gestellten Antrags auf Einholung eines psychologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betreffend die Zeuginnen Katharina und Viola J*****, weil „aufgrund der Widersprüchlichkeiten der Aussagen, insbesondere der Katharina J***** in der heutigen Hauptverhandlung, Zweifel an der Glaubwürdigkeit in der Aussage der Zeugin bestehen" (S 235 f).

Die Tatrichter durften diesen Antrag zu Recht abweisen. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, kommt zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (RIS-Justiz RS0120634; Hinterhofer, WK-StPO § 118 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Im konkreten Fall wurde ein solcher Ausnahmefall im Antrag nicht dargetan, zumal sowohl hinsichtlich der (bereits 29-jährigen) Zeugin Viola J***** wie auch der 14-jährigen Zeugin Katharina J***** (die im Übrigen in der Hauptverhandlung vom 8. September 2006 - dem Antrag zuwider - nicht vernommen worden war) konkrete Widersprüche oder sonstige Umstände, die ein Sachverständigengutachten erfordern würden, nicht einmal behauptet wurden. Es fehlt an Anhaltspunkten für eine habituelle und demzufolge die Aussagen im Strafverfahren erschütternde Falschbezichtigungstendenz (vgl RIS-Justiz RS0120109). Der - verspätete - Hinweis der Beschwerde auf einen isoliert herausgegriffenen Satz aus der Aussage der Zeugin Rosemarie J***** vernachlässigt, dass diese im unmittelbaren Anschluss gesagt hat, in der gegenständlichen Sache lüge Katharina J***** bestimmt nicht (S 209).

Auch die Vernehmung des Polizeibeamten Ch***** als Zeugen unterblieb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten, erachtete doch das Erstgericht das im Antrag bezeichnete Beweisthema, dass die Zeuginnen Viola und Katharina J***** bei ihren polizeilichen Vernehmungen so ausgesagt haben, wie es protokolliert worden ist (S 235), bereits als erwiesen (US 12, 14; vgl Danek, WK-StPO § 238 Rz 12). Der Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass dem Angeklagten mangels Erektion ein Geschlechtsverkehr mit Viola J***** nicht möglich gewesen sei, verfiel zu Recht der Ablehnung. Im Hinblick auf die Aussage der Zeugin Rosemarie J*****, bis zum Jahr 2002 mit dem Angeklagten problemlos geschlechtlich verkehrt zu haben, hätte der Antrag nämlich darlegen müssen, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Im Übrigen hat der Angeklagte in der Folge selbst zugestanden, mit Viola J***** mehrmals einen Geschlechtsverkehr unternommen zu haben (S 237 f). Soweit das Gutachten auch zum Beweis dafür beantragt wurde, dass „bei einer Penetration eines 10-, 11-jährigen Kindes dies mit einer Blutung verbunden sein muss", handelt es sich - abgesehen davon, dass das Opfer zu den festgestellten Tatzeiten zwischen 11 und 14 Jahren alt war - mangels näherer Ausführungen um einen Erkundungsbeweis. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich der Sache nach auf die bloße Behauptung, die Ankündigung des Tötens von Haustieren stelle auch keine Drohung mit einer Vermögensverletzung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB dar, unterlässt aber hiezu prozessordnungswidrig jegliche inhaltliche Argumentation (s dazu im Übrigen Jerabek in WK2 § 74 Rz 32; Nittel SbgK § 74 Rz 86).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung resultiert (§ 285i StPO).

Stichworte