Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Im Anlassverfahren (13 C 1125/02a des Bezirskgerichts Innsbruck) begehrte ein in Italien ansässiges Unternehmen von der dort Beklagten (der nunmehrigen Amtshaftungsklägerin) EUR 23.487,71 s.A. an Werklohn für die Endbearbeitung (das Bedrucken) eines Stoffes. Das Bezirksgericht Innsbruck erkannte die Klageforderung als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die dort Beklagte zur Zahlung des Werklohns.
Das Landesgericht Innsbruck bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Den Antrag auf Zulassung der Revision nach § 508 ZPO wies es zurück.
Im gegenständlichen Verfahren begehrte die Klägerin aus dem Titel der Amtshaftung EUR 39.490,61 s.A an Ersatz jener Aufwendungen bzw jenes Schadens, der ihr infolge der Entscheidung im Anlassverfahren entstanden sei. Die Rechtsansicht der Gerichte im Anlassverfahren sei unvertretbar; die rechtliche Beurteilung sei nicht nachvollziehbar und widerspreche den Gesetzen der Logik, weil das in Italien ansässige Unternehmen den zu bearbeitenden Stoff schon ursprünglich fehlerhaft bedruckt und damit die Nachbesserung verursacht habe. Bereits die erstmalige Fehlleistung sei kausal für den Vertragsrücktritt jener Kundin gewesen, an die die Stoffe zur Auslieferung gelangen hätten sollen.
Das Erstgericht wies die Amtshaftungsklage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus,
dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Den Gerichten im Anlassverfahren lag folgender Sachverhalt zur Beurteilung vor:
Unternehmensgegenstand der (dort) Beklagten ist die Produktion von Lodenstoffen. Um nach einem Brand in ihrer Produktionsstätte den Lieferverpflichtungen gegenüber einer bestimmten Kundin nachkommen zu können, beauftragte die Beklagte ein in Italien ansässiges Unternehmen (die dortige Klägerin) mit der Endbearbeitung eines Stoffes. Ein Liefertermin wurde nicht vereinbart, es war dem Geschäftsführer der Klägerin aber „klar", dass die Endbearbeitung in äußerst kurzer Zeit erfolgen sollte. Am 17. und 19. 9. 2001 erhielt die Klägerin die zu bedruckenden Stoffballen. Nach Fertigstellung lieferte sie diese am 28. 9. und 3. 10. 2001 an ein Unternehmen, das die Stoffe im Auftrag der Kundin der Beklagten kontrollierte. Die Kundin reklamierte die aufgedruckten Karos seien „verzogen", weswegen der Stoff zur Weiterverarbeitung ungeeignet wäre. Diese Reklamation wurde am 10. 10. oder 11. 10. 2001 an die Klägerin weitergeleitet, die in der Folge sowohl mit der Beklagten als auch mit deren Kundin vereinbarte, dass die Stoffballen zur Nachbearbeitung zurückgenommen werden. Ein Termin, zu dem die Verbesserungsarbeiten abgeschlossen sein sollten, wurde nicht festgelegt. Technisch erfordert die Nachbearbeitung einen Zeitraum von 2 bis 3 Tagen. Üblicherweise wird dafür eine Frist von einer Woche bis 14 Tagen vereinbart. Bereits am 17. 10. 2001 schloss das italienische Unternehmen die Nachbearbeitung ab, die eine deutliche Verbesserung des Ergebnisses erbrachte; eine hundertprozentige Wiederherstellung des Karomusters war nicht erreicht. Ob die Ware im Bereich der international anerkannten Toleranzgrenzen lag bzw den hohen Qualitätsanforderungen der Kundin entsprach, konnte nicht festgestellt werden. Ohne eine Kontrolle der nachbearbeiteten Ware vorzunehmen, erklärte die Kundin nach Abschluss der Nachbearbeitung gegenüber dem italienischem Unternehmen, dass sie an den Stoffen kein Interesse mehr habe. Der Grund der Rücktrittserklärung der Kundin lag ausschließlich darin, dass der von ihr mit der Beklagten ursprünglich vereinbarte Liefertermin zwischenzeitig abgelaufen war.
Rechtlich ging das Erstgericht im Anlassverfahren davon aus, dass nach dem auf das Vertragsverhältnis anzuwendenden Römischen Schuldvertragsübereinkommen mangels Rechtswahl der Parteien der Vertrag dem Recht jenes Staates unterliege, mit dem er die engsten Verbindungen aufweise. Da die in Italien ansässige Klägerin durch die Endverarbeitung der Stoffe die für den Vertrag charakteristische Vertragsleistung erbracht habe, komme italienisches Recht zur Anwendung. Der Vertrag sei als Werkvertrag im Sinn des Art 1655 des italienischen Codice Civile zu qualifizieren. Nach dieser Bestimmung habe der Besteller das Werk zu prüfen, sobald ihn der Unternehmer dazu in die Lage versetze. Erfolge eine solche Prüfung nicht, gelte das Werk als angenommen. Nach den das Gesetz ergänzenden Handelsbräuchen derjenigen italienischen Provinz, in der die Klägerin ihren Sitz habe, seien Mängelrügen für erkennbare Mängel innerhalb von 8 Tagen ab Erhalt der bearbeiteten Ware zu erheben; danach erhobene Mängelrügen seien nicht mehr zulässig. Zufolge Übernahme der Ware zur Nachbearbeitung trotz verspäteter Mängelrüge habe die Klägerin auf die Einhaltung dieser Frist konkludent verzichtet. Die Nachbearbeitung habe sie in der Folge rechtzeitig vorgenommen. Da ihr hinsichtlich der Nachbearbeitung kein Verzug anzulasten sei, könne der Rücktritt der Kundin, der seinen Grund ausschließlich im Ablauf der ursprünglich zwischen dieser und der Beklagten vereinbarten Lieferfrist gehabt habe, nur für deren Rechtsverhältnis zur Beklagten relevant sein; der Werklohnanspruch der Klägerin werde dadurch nicht berührt. Es bestehe keine Rechtsgrundlage dafür, der Klägerin den von der Beklagten an ihre Kundin geleisteten „pauschalen Schadenersatz" „weiter zu verrechnen" bzw die Klägerin zum Ersatz des der Beklagten entgangenen Werklohns zu verhalten.
Das Berufungsgericht im Anlassverfahren verwies auf die vom Erstgericht getroffene Feststellung, der Rücktritt der Kundin sei ausschließlich deshalb erfolgt, weil der von ihr mit der Beklagten vereinbarte Liefertermin abgelaufen war. Von dieser Feststellung entferne sich das Berufungsvorbringen, wenn behauptet werde, bereits die erste Fehlleistung der Klägerin sei kausal für den Rücktritt der Kundin und damit haftungsbegründend gewesen. Mangels Vorbringens zum ursprünglich zwischen der Beklagten und deren Kundin vereinbarten Liefertermin stehe nicht fest, der Rücktritt der Kundin sei - auch nur zum Teil - wegen der zunächst mangelhaften Leistung der Klägerin erfolgt.
Den Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO wies das Berufungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung zurück, eine Revision sei bei der Anwendung ausländischen Rechts nur dann zulässig, wenn eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre. Derartiges sei nicht aufgezeigt worden.
Die nunmehr von der Klägerin im Amtshaftungsverfahern erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Im Amtshaftungsprozess kommt es schon auf der für die Vorinstanzen bedeutsamen ersten Prüfungsstufe nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf die Vertretbarkeit der Rechtsauslegung bzw Rechtsausübung im Zuge hoheitlichen Organverhaltens an. Auf der im Revisionsverfahren relevanten zweiten Prüfungsstufe müsste aber auch noch die durch das Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung des Organverhaltens als vertretbar eine gravierende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls und insoweit geradezu unvertretbar sein. Die Zulässigkeit der Revision hängt somit nicht davon ab, ob das Berufungsgericht die Vertretbarkeitsfrage richtig gelöst hat. Bedeutsam ist vielmehr nur, ob deren Lösung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruhte (1 Ob 55/04a; 1 Ob 9/03k; 1 Ob 103/02g; Zechner in Fasching/Konecny², IV/1 § 502 Rz 66). Eine solche gravierende Fehlbeurteilung vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.
2. Im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist die Anwendbarkeit italienischen Sachrechts. Aus Art 1218 des Codice Civile ergibt sich der Grundsatz, dass der Schuldner, der die Leistung nicht gehörig erbringt, zum Schadenersatz verpflichtet ist. Nach Art 1228 haftet - vorbehaltlich eines abweichenden Willens der Parteien - der Schuldner, der sich zur Erfüllung der Verbindlichkeit der Tätigkeit Dritter bedient, auch für deren vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten. Gemäß Art 1225 Codice Civile ist bei mangelndem Vorsatz des Schuldners an der Nichterfüllung oder Verspätung der Ersatz auf den Schaden beschränkt, der im Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit vorausgesehen werden konnte.
3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ergibt sich für das Anlassverfahren:
Die Revisionswerberin hat sich zur Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung gegenüber ihrer Kundin eines in Italien ansässigen Unternehmens (= der Klägerin im Anlassverfahren) bedient, sodass sie im Rahmen des Art 1228 Codice Civile grundsätzlich für dessen Verhalten einzustehen hat. Dessen Verhalten ist aber nicht haftungsbegründend gewesen, hatte doch die Kundin (ebenso wie die Revisionswerberin) ihr Einverständnis zur Nachbesserung durch die Erfüllungsgehilfin erklärt. Begehrt der Gläubiger aber nach einem Schuldnerverzug weiterhin Erfüllung, kann er nur dann zurücktreten, wenn der Schuldner nochmals in Verzug gerät. Ein solcher ist der Erfüllungsgehilfin nicht anzulasten, da sie die Nachbesserung in angemessener Frist vornahm. Befand sich die Erfüllungsgehilfin mit der einverständlich vorgenommenen Nachbesserung nicht in Verzug, war mit dem Rücktritt der Kundin nicht zu rechnen; mangels Voraussehbarkeit des Schadens entfällt eine Haftung (siehe Art 1225 des Codice Civile). Wenngleich - auf der Ebene der natürlichen Kausalität - die erstmalige Fehlleistung durch die Erfüllungsgehilfin als (letztlich) kausal für den Rücktritt der Kundin der Revisionswerberin angesehen werden kann, übersieht die Revisionswerberin, dass der Erfüllungsgehilfin eine nicht gehörige Leistungserbringung im Sinn des Art 1218 Codice Civile auf Grund der vereinbarten Nachbesserung nicht anzulasten ist. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin liegt gerade kein „weiterer Leistungsverzug" vor, der ab dem Zeitpunkt des missglückten erstmaligen Leistungsversuchs der Klägerin des Anlassverfahrens zuzurechnen wäre. Dies hätte die Revisionswerberin den Ersatzansprüchen ihrer Kundin entgegenhalten können. Akzeptierte die Revisionswerberin dennoch die - rechtsgrundlose - Rücktrittserklärung ihrer Kundin, muss sie die „zur Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung" erbrachten Leistungen aus Eigenem tragen. Auch für ihre sonstigen Gegenforderungen (Entgeltausfall, frustrierte Transportkosten und Mängelbehebungsaufwand) besteht keine Rechtsgrundlage. Weiters war sie zur Zahlung des für die Nachbearbeitung vereinbarten Werklohns tatsächlich verpflichtet.
4. Im Hinblick auf die Ausführungen zu Punkt 3 kommt dem geltend gemachten Mangel des Berufungsverfahrens keine Relevanz zu. Wenngleich das Berufungsgericht (zusätzlich) damit argumentierte, der Rücktritt und der daraus resultierende Schaden wäre bei rechtzeitiger Rüge (innerhalb der nach dem Handelsbrauch offen stehenden 8-Tages-Frist) unterblieben und dabei außer Acht ließ, dass eine solche Feststellung nicht getroffen wurde, bleibt dies für den Ausgang des Verfahrens ohne Bedeutung.
5. Das weitere Vorbringen der Revisionswerberin geht (neuerlich) dahin, im Anlassverfahren hätte aus Gründen der formalen Logik allein die natürliche Kausalität als maßgeblich und haftungsbegründend erachtet werden müssen. Die Revisionsausführungen lassen aber vermissen, aus welchen Rechtsgrundlagen oder Rechtssätzen der italienischen Rechtsordnung dies (entgegen Art 1225 des Codice Civile) abzuleiten oder welche in der italienischen Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre (vgl 8 Ob 64/99s uva).
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor. Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig.
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