OGH 6Ob282/06y

OGH6Ob282/06y21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Barbara K*****, geboren am 1. Dezember 1995, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. September 2006, GZ 43 R 424/06f-131, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 2. Juni 2006, GZ 2 P 635/96v-125, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es bestehe zwar Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dahin, dass die aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren des Unterhaltspflichtigen festgelegten Zahlungsplans zurückzuzahlenden Schulden von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen sind, der Oberste Gerichtshof habe sich jedoch „mit der entgegenstehenden Argumentation in der Literatur ... nicht ausdrücklich auseinandergesetzt".

Der Vater ist für die mj Barbara, die bei ihrer Mutter lebt, geldunterhaltspflichtig. Barbara strebt eine Erhöhung der bestehenden Unterhaltspflicht an. Im Jahr 1999 wurde über das Vermögen des Vaters das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Aufgrund eines bestätigten Zahlungsplans hat der Vater monatlich 452 EUR zurückzuzahlen. Im Schuldenregulierungsverfahren wurden Forderungen in Höhe von insgesamt 247.690,33 EUR anerkannt, davon stammten 227.738,32 EUR aus der vormaligen Selbstständigkeit des Vaters. Das Erstgericht berücksichtigte die Zahlungsplanraten bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht. Andernfalls wären sonst unter keinen Umständen abzugsfähige Posten, wie etwa der geschuldete Unterhalt für die beiden Töchter des Vaters und seine ehemalige Ehegattin, „plötzlich abzugsfähig".

Das Rekursgericht reduzierte hingegen die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Der überwiegende Teil der vom Zahlungsplan umfassten Schulden des Vaters resultiere aus seiner vormaligen Selbstständigkeit; diese Schulden hätten nicht seinem privaten Konsum gedient. Es habe sich somit überwiegend um Schulden gehandelt, die zwecks Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des selbstständig tätigen Vaters aufgenommen worden waren; sie seien betrieblich veranlasste Aufwendungen gewesen, die - wie sonstige Betriebsausgaben auch - die Unterhaltsbemessungsgrundlage minderten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs verweist auf Literaturstimmen, die meinen, dass „Verbindlichkeiten durch die Konkurseröffnung nicht geadelt werden [könnten], sondern ihr Wesen beibehalten" würden; damit blieben aber „nur solche Schulden, die vor Konkurseröffnung bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigungswürdige Schulden darstellen, auch im Konkurs berücksichtigungswürdig". Andernfalls verliere das Kind nicht nur einen Großteil seiner konkursunterworfenen Unterhaltsforderungen, sondern müsste auch noch durch Verringerung seiner laufenden Unterhaltsansprüche den Zahlungsplan mitfinanzieren. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit durch seinen 1. und seinen 7. Senat mehrfach ausgesprochen, die Unterhaltsbemessungsgrundlage ändere sich aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans; die danach zurückzuzahlenden Schulden seien grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, diene doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach

dessen Erfüllung wieder herzustellen (1 Ob 86/04k = SZ 2004/77; 1 Ob

176/04w = EFSlg 107.210; 7 Ob 279/05p = EFSlg 110.311; 7 Ob 289/05h =

EF-Z 2006/13 [Gitschthaler]; 7 Ob 291/05b; diese Rechtsprechung lediglich referierend 6 Ob 52/06z = EF-Z 2006/12 [Gitschthaler]). Sowohl in der Literatur (Neuhauser in Schwimann, ABGB³ [2005] § 140 Rz 57; Zencica, Konkurs der Unterhaltsbemessung?, ÖA 2006, 63; G. Kodek, Zur Unterhaltsbemessung im Konkurs, Zak 2006, 146) als auch von zahlreichen Zweitinstanzgerichten (etwa LG Linz EFSlg 110.313; LG St. Pölten EFSlg 110.314; LGZ Wien EFSlg 110.315) wurde diese Rechtsprechung abgelehnt. Der Hauptvorwurf besteht darin, dass durch die Berücksichtigung der Zahlungsplanraten Schulden des Unterhaltspflichtigen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug gebracht werden können, die an sich nicht abzugsfähig wären. G. Kodek (aaO) spricht in diesem Zusammenhang von einer - abzulehnenden - „Adelung von Verbindlichkeiten durch Konkurseröffnung". Auch wenn diese Kritik durchaus beachtenswert ist, bedarf es dennoch im vorliegenden Fall einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der kritisierten Rechtsprechung des 1. und des 7. Senats nicht: Wie der Revisionsrekurs nämlich selbst erkennt, sind Schulden, die vor Konkurseröffnung bei der Unterhaltsbemessung abzugsfähig gewesen wären, auch nach Konkursaufhebung zu berücksichtigen. Sind daher die Zahlungsplanraten auf abzugsfähige Schulden zurückzuführen, bestehen gegen eine entsprechende Verminderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nach Konkursaufhebung keine Bedenken (in diesem Sinn auch Neuhauser, aaO mwN). Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (4 Ob 46/03y; 7 Ob 273/04d; 1 Ob 194/04t). Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs noch zu mehreren anderen, seiner Auffassung nach erheblichen Rechtsfragen zugelassen; dazu enthält der Revisionsrekurs jedoch keinerlei Ausführungen. Er war somit zurückzuweisen.

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