OGH 14Os121/06k

OGH14Os121/06k18.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter R***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. August 2006, GZ 22 Hv 96/06v-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter R***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II. zu 1. in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB aF (III.) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF (IV.) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (V.) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Edelstauden zwischen Ende Februar und Ende April 2003

I. mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar

1. in zumindest einem Angriff an einem nicht näher bekannten Tag vor dem 24. April 2003 mit seiner am 24. April 1989 geborenen Tochter Eveline R*****, indem er an ihrer Scheide leckte,

2. in zumindest zwei Angriffen an nicht näher bekannten Tagen mit seiner am 24. Februar 1992 geborenen Tochter Claudia R*****, indem er jeweils an ihrer Scheide leckte,

II. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person

1. vorzunehmen versucht, und zwar in einem Angriff an einem nicht näher bekannten Tag dadurch, dass er die Scheide seiner am 22. Februar 1991 geborenen Tochter Alexandra R***** zu betasten versuchte,

2. vorgenommen, und zwar in zumindest drei Angriffen an nicht näher bekannten Tagen vor dem 24. April 2003 an seiner Tochter Eveline R*****, indem er ihre Brüste und bei zumindest zwei dieser Angriffe auch ihre Scheide betastete,

III. an einem nicht näher bekannten Tag außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB aF seine Tochter Eveline R***** mit Gewalt, indem er ihre schützend vor die Scheide gehaltenen Hände wegzog, durch die zu Punkt I. 1. angeführte Handlung zur Duldung dieser dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt,

IV. in zumindest zwei Angriffen an nicht näher bekannten Tagen vor dem 24. April 2003 außer den Fällen des § 201 StGB aF seine Tochter Eveline R***** mit Gewalt, indem er ihre schützend vor die Scheide und die Brüste gehaltenen Hände wegzog, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich dem Betasten ihrer Scheide und ihrer Brüste genötigt,

V. durch die zu Punkt I. bis IV. angeführten Taten geschlechtliche Handlungen mit ihm in absteigender Linie verwandten Personen, nämlich seinen Töchtern Eveline, Alexandra und Claudia R*****, vorgenommen. Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen jenen Übergriff der zu II. 2. geschilderten Taten gerichteten, bei dem der Angeklagte ausschließlich die Brüste des Opfers betastete, einen Freispruch mangels Feststellungen zur Intensität der inkriminierten Aktivität reklamierenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider haben die sonst zwischen Versuch und Vollendung differenzierenden Tatrichter (vgl II. 1. sowie II. 2.) - vom Beschwerdeführer übergangen - zum in Rede stehenden Faktum festgestellt, dass der Angeklagte begann, die bereits entwickelten Brüste des Mädchens zu betasten und die durch die Missbrauchshandlung ihres Vaters „schockierte" Eveline R***** bereits nach kurzer Zeit aufstand und das Wohnzimmer verließ (US 5).

Mithin ist für den Obersten Gerichtshof - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - unzweifelhaft erkennbar, dass die Tatrichter unter Bezugnahme auf die Berührung beider Brüste mit resultierendem emotionalem Ausnahmezustand eine für die Vollendung des Tatbildes des erwähnten Deliktes erforderliche geschlechtliche Handlung feststellen wollten, bei der zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit die männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine - nicht bloß flüchtige und sexualsinnbezogene - Berührung gebracht werden (RIS-Justiz RS0096677; Schick in WK² § 202 Rz 10 ff). Da die Tatrichter zudem in ihrer Beweiswürdigung auf die Verantwortung des Angeklagten Bezug nahmen (hiezu S 212 iVm S 138), denen zufolge er jeweils mit seiner Handfläche beide Brüste umfasste, um die Konturen zu spüren, wobei sein könne, dass er mehrmals auf die Brust von Eveline R***** gegriffen habe und sie nach einiger Zeit aufgestanden sei, legt der Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler mangels Feststellungen dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19). Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) geht nicht von der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen aus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Das Vorbringen, das Erstgericht habe zu Punkt I. 1. des Urteils keine ausdrückliche Feststellung dahin getroffen, dass der Angeklagte mit seiner Zunge in die Scheide seiner Tochter Eveline R***** eingedrungen sei, übergeht die - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachgetragene (Fabrizy, StPO9 § 270 Rz 8) - entsprechende Konstatierung (US 9), wobei die linquinale Penetration - hinreichend konkretisiert - als mit großer Intensität ausgeführt angenommen wurde (US 7).

Die Rüge, dass Idealkonkurrenz des Vergehens nach § 212 Abs 1 StGB mit den strafbaren Handlungen nach § 201 Abs 2 StGB aF und § 202 Abs 1 StGB aF, welche unter Brechung des Willens des Tatopfers begangen werden, nicht in Betracht komme, lässt die Urteilsfeststellungen über die fallbezogen maßgebliche Ausnützung der väterlichen Autorität des Angeklagten anlässlich seines wiederholten gewaltsamen Vorgehens gegen seine Tochter Eveline R***** außer Acht (US 5 ff). Im Übrigen ist das Unrecht der Tat durch deren Unterstellung bloß unter die Strafbestimmung der Vergewaltigung bzw der geschlechtlichen Nötigung dann nicht abgegolten, wenn die Autorität des Täters für das Entstehen der Tatsituation oder die Ausführung der Tat zumindest mitbestimmend war (Schick in WK² § 201 Rz 50 und § 212 Rz 15, Fabrizy, StPO9 § 212 Rz 10).

Hinsichtlich der weiteren Fakten mangelt es der Rüge an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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