Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die in ihren Spruchpunkten 2. (Aufhebung der angeordneten Innehaltung) als unangefochten unberührt bleiben, werden in ihren Spruchpunkten 1. (Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses) und 3. (Verfügung des Einbehalts von der Nachzahlung) ersatzlos aufgehoben.
Text
Begründung
Das Erstgericht verpflichtete mit Beschluss vom 1. 6. 2005 den Vater, der noch für eine im Oktober 1994 geborene Tochter sorgepflichtig ist, zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 176 EUR ab 1. 1. 2005 für seinen im Jänner 1999 geborenen Sohn Daniel. Der Unterhaltsbemessung lag ein vom Vater unter Anspannung all seiner Kräfte erzielbares monatliches Durchschnittseinkommen einschließlich der Sonderzahlungen von 1.100 EUR zugrunde.
Mit Beschluss vom 25. 7. 2005 erhöhte das Erstgericht den Daniel gewährten Unterhaltsvorschuss auf 176 EUR monatlich. Am 14. 11. 2005 wurde über das Vermögen des Vaters das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Am 10. 1. 2006 wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben. Die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens erwuchs am 13. 2. 2006 in Rechtskraft.
Der Vater ist seit 2003 arbeitslos. Er ist beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet.
Das Erstgericht setzte den Daniel gewährten Unterhaltsvorschuss auf 105 EUR monatlich mit Ablauf des November 2005 herab. Ferner hob es die Innehaltung der Vorschussauszahlung auf und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, die zu Unrecht ausbezahlten Vorschussbeträge von der Nachzahlung aus der erfolgten Innehaltung einzubehalten. Es führte aus, gemäß § 7 Abs 1 UVG habe das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 3 und 4 Z 1 UVG begründete Bedenken bestünden, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) bestehe oder der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend zu hoch festgesetzt sei. Gemäß § 19 Abs 1 UVG habe das Gericht die Herabsetzung mit dem auf den Eintritt des Herabsetzungsgrundes folgenden Monatsersten anzuordnen. Nach ständiger Rechtsprechung bestünden schon durch die Konkurseröffnung begründete Bedenken, dass die Unterhaltspflicht nicht mehr in voller Höhe des vor der Insolvenz geschaffenen Exekutionstitels bestehe. Das Schuldenregulierungsverfahren und das Abschöpfungsverfahren seien in diesen Wirkungen dem Konkursverfahren gleichgestellt. Es sei weiterhin davon auszugehen, dass der Vater unter Anspannung all seiner Kräfte ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.100 EUR einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen erzielen könne. Trotz der Anspannung könne aber das Abschöpfungsverfahren nicht außer Acht gelassen werden. Zur Berechnung des verbleibenden Unterhaltsvorschussbetrags sei zunächst die Differenz der Existenzminima nach § 291b Abs 2 EO und § 291a EO zu ermitteln. Diese Differenz sei auf die Sorgepflichten des Vaters aufzuteilen. Die Differenz der Existenzminima betrage im vorliegenden Verfahren 234,20 EUR. Hievon entfielen 16/35-tel auf Daniel, dies ergebe gerundet monatlich 105 EUR.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes teilweise Folge. Es setzte den Daniel gewährten Unterhaltsvorschuss mit Ablauf des November 2005 auf monatlich 127 EUR herab, hob die angeordnete Innehaltung der Vorschussauszahlung auf und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien um die Auszahlung der Vorschüsse an die Mutter sowie, die zu Unrecht ausbezahlten Vorschussbeträge von der Nachzahlung aus der erfolgten Innehaltung einzubehalten. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Auswirkungen der Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens, so führte es aus, stünden zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner nur die Beträge zur Verfügung, die sich aus der Differenz des allgemeinen Existenzminimums gemäß § 291a EO und dem Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b EO ergeben. Ausgehend von einem vom Vater erzielbaren Durchschnittsnettoeinkommen von 1.100 EUR monatlich, das aliquote Sonderzahlungsanteile enthalte, betrage im Jahr 2006 das allgemeine Existenzminimum des Vaters 1.033 EUR (Grundbetrag 690 EUR [§ 291a Abs 1 EO] plus Unterhaltsgrundbetrag für zwei Personen [§ 291a Abs 2 Z 2 EO] plus allgemeiner Steigerungsbetrag [§ 291a Abs 3 Z 1 EO] und Unterhaltssteigerungsbetrag für zwei Personen [§ 291a Abs 3 Z 2 EO]). Das Unterhaltsexistenzminimum des Vaters betrage im Jahr 2006 754,65 EUR (75 % der Summe aus Grundbetrag, Unterhaltsgrundbetrag und allgemeinen Steigerungsbetrag). Die Differenz der Existenzminima betrage daher gerundet 278 EUR. Die Aufteilung dieses Ergebnisses im Verhältnis 16 : 19 für Daniel einerseits und der Tochter andererseits ergebe eine restliche Unterhaltsverpflichtung für Daniel von monatlich 127 EUR.
Rechtliche Beurteilung
Der nachträglich vom Rekursgericht zugelassene Revisionsrekurs des Kindes gegen diese Entscheidung ist zulässig und berechtigt. Im Rechtsmittel wird geltend gemacht, dass das Rekursgericht bei der Berechnung der Existenzminima von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 52/06z abgewichen sei. Die Differenz betrage richtig 420,37 EUR, sodass die Unterhaltspflicht für den Rechtsmittelwerber auch unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Vaters in der Differenz der beiden Existenzminima Deckung finde.
Hiezu wurde erwogen:
Nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestehen, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend zu hoch festgesetzt ist. Der aufgrund eines Exekutionstitels gewährte Vorschuss soll damit der jeweiligen materiellen gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechen und darf außerdem den in § 6 Abs 1 UVG angeführten Betrag nicht überschreiten (SZ 65/114 ua; Neumayr in Schwimann³ § 7 UVG Rz 1). Nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehen an sich durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen begründete Bedenken dahin, dass die Unterhaltspflicht nicht mehr in voller Höhe des vor der Insolvenz geschaffenen Exekutionstitels besteht (1 Ob 86/04k = JBl 2004, 730; 3 Ob 1/05a mwN; RIS-Justiz RS0076080; Neumayr aaO § 7 UVG Rz 27). Ferner sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens oder des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 199 Abs 2 KO in den Wirkungen der Konkurseröffnung gleicht (3 Ob 1/05a mwN).
Erzielt der Gemeinschuldner eigenes Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, so fällt das nur eine bescheidene Lebensführung ermöglichende Existenzminimum gar nicht in die Konkursmasse, in die jedoch das den unpfändbaren Freibetrag übersteigende Nettoeinkommen einzubeziehen ist. Die Tilgung von Unterhaltsschulden ist daher nur aus der jeweiligen Differenz der Existenzminima nach § 291a EO und § 291b Abs 2 EO möglich (3 Ob 1/05a mwN; 6 Ob 52/06z mwN; RIS-Justiz RS0115702).
Der Rechtsmittelwerber hält zutreffend fest, dass diese Rechtsprechung im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Prüfung bedarf, weil bei - richtiger - Anwendung der Differenzmethode, wie sie vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 52/06z im Allgemeinen und im Besonderen für einen - wie hier - für zwei Kinder sorgepflichtigen Vater dargelegt wurde, der Unterhaltsvorschuss nicht herabzusetzen ist:
1. Nach der Differenzmethode ist zunächst das Existenzminimum des unterhaltspflichtigen Gemeinschuldners zu ermitteln. Da im Unterhaltsrecht grundsätzlich sämtliche Jahreseinkünfte auf zwölf Monate umgelegt werden und somit die Sonderzahlungen bereits in der monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage inkludiert sind, ist der erhöhte allgemeine Grundbetrag nach § 291a Abs 2 Z 1 EO maßgeblich. Soweit in der Rechtsprechung bisweilen (und im vorliegenden Verfahren vom Rekursgericht) Regelungen für Einkommen mit Sonderzahlungen angewendet wurden (allgemeiner Grundbetrag nach § 291a Abs 1 EO), wurde übersehen, dass dann anschließend die Jahressumme an unpfändbaren Beträgen (14 x allgemeiner Grundbetrag) auf zwölf Monate umgelegt werden müsste. Zu berücksichtigen sind weiters Unterhaltsgrundbeträge nach § 291a Abs 2 Z 2 EO und Unterhaltssteigerungsbeträge nach § 291a Abs 2 Z 2 EO, und zwar auch für jene Kinder, für die der Unterhalt berechnet werden soll. Den Gläubigern des unterhaltspflichtigen Gemeinschuldners soll jenes Einkommen vorenthalten werden, dass dieser benötigt, um sich und seine Unterhaltsberechtigten erhalten zu können, und dass daher insoweit nicht pfändbar ist (§ 290a EO).
Das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen ist somit nach der Tabelle 1 bm der vom Bundesministerium für Justiz im Internet auf seiner Website veröffentlichten Existenzminimumtabellen zu ermitteln. Da der Vater für zwei Personen unterhaltspflichtig ist, wäre die Spalte 3 der Tabelle heranzuziehen. Bei den vom Vater aus unselbständiger Tätigkeit erzielbaren Einkommen von monatlich 1.100 EUR netto betrüge das Existenzminimum daher 1.090,50 EUR monatlich ab 1. 1. 2006. Für Dezember 2005 betrüge es 1.073 EUR.
2. Als weiterer Schritt ist das Unterhaltsexistenzminimum zu ermitteln. Dieses beträgt gemäß § 291b Abs 2 EO grundsätzlich 75 % des unpfändbaren Freibetrages nach § 291a EO, wobei Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge für jene Berechtigten, die Exekution wegen eines Unterhaltsanspruchs führen, nicht zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sind. Der Oberste Gerichtshof führte in der Entscheidung 6 Ob 52/06z aus, unter dem Gesichtspunkt, dass die Belastungsgrenze des § 291b Abs 2 EO ausschließlich dem eigenen Lebensaufwand des Unterhaltspflichtigen diene und bei der Unterhaltsbemessung auch nur eines einzelnen Unterhaltsberechtigten eine Gesamtbetrachtung und damit Einbeziehung sämtlicher Berechtigter erfolge, erscheine es sachgerecht, die Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge bei Ermittlung des Unterhaltsexistenzminimums außer Acht zu lassen. Eine andere Betrachtungsweise führte dazu, dass die Unterhaltsberechtigten allein aus der Tatsache, dass sie berechtigt sind, Nachteile erlangten. Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge, die an sich ihnen zugutekommen sollten, würden sie nunmehr belasten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Das Unterhaltsexistenzminimum des Unterhaltspflichtigen ist daher nach Tabelle 2 bm, erste Spalte (= 0 Unterhaltsberechtigte) der vom Bundesministerium für Justiz auf seiner Website im Internet veröffentlichten Existenzminimumtabellen zu ermitteln. Im vorliegenden Verfahren betrüge es ab 1. 1. 2006 rund 670 EUR monatlich, im Dezember 2005 rund 653 EUR.
3. Nach der Differenzmethode stünde den Unterhaltsberechtigten die Differenz der beiden ermittelten Existenzminima zur Deckung ihrer Unterhaltsansprüche zur Verfügung, im vorliegenden Verfahren nach den obigen Berechnungen rund 420 EUR ab Dezember 2005.
4. Als letzter Schritt ist nach der Differenzrechnung zu prüfen, ob
die nach der Prozentwertmethode - ausgehend von der konkreten
Unterhaltsbemessungsgrundlage - errechneten Unterhaltsbeiträge in
dieser Differenz Deckung finden. Sollte diese nicht der Fall, müsste
es zu einer anteiligen Kürzung der Unterhaltsbeiträge kommen. Nach
der Prozentwertmethode bemisst sich der Unterhaltsanspruch Daniels
mit 16 % von 1.100 EUR = 176 EUR monatlich, jener seiner Schwester
mit 19 % von 1.100 EUR = 209 EUR monatlich. Da die Summe dieser
Beträge in der Differenz der Existenzminima Deckung findet, ist der Unterhaltsvorschuss nicht herabzusetzen.
Dem Revisionsrekurs, der sich seinem Antrag nach gegen die Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses und gegen den Ausspruch des Einbehalts, nicht aber gegen die, den Rechtsmittelwerber gar nicht beschwerende Aufhebung der Innehaltung der Vorschussauszahlung richtet, war daher Folge zu geben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)