OGH 7Ob236/06s

OGH7Ob236/06s23.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald P*****, vertreten durch Mag. Dr. Oskar Wanka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wolf-Dietrich P*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen EUR 288.501,63 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Juli 2006, GZ 13 R 248/05v-138, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Söhne der am 19. 4. 1995 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Eva Maria P*****. Der Reinnachlass in Höhe von (gerundet) S 9,800.000 (rund EUR 712.000) wurde beiden je zur Hälfte eingeantwortet (sohin rund EUR 356.000). Die Eltern der Streitteile hatten einen Gärtnereibetrieb geführt, den nach dem frühen Tod des Vaters seit Jahrzehnten der Beklagte weiterführt. Beiden Brüdern wurden in den Folgejahren von der Erblasserin mehrere Liegenschaften geschenkt.

Mit der am 17. 4. 1998 eingebrachten Klage begehrt der Kläger Pflichtteilsergänzung in Höhe von S 3,969.869 (EUR 288.501,63) samt 4 % Zinsen seit 19. 4. 1995. Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht, das eine teilweise Beweiswiederholung beschlossen und vorgenommen hat, sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In der hiegegen erhobenen außerordentlichen Revision des Klägers werden als Revisionsgründe Nichtigkeit, unrichtige Tatsachenfeststellung (samt Aktenwidrigkeit) und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Als Nichtigkeit (§ 477 ZPO) wird gerügt: Das Berufungsgericht habe mit Beschluss vom 30. 3. 2006 verfügt, dass die Streitteile Kopien sämtlicher der ihnen zur Verfügung stehenden Aktenstücke zu übersenden hätten, weil der Originalakt unwiederbringlich in Verstoß geraten und daher eine Rekonstruktion erforderlich geworden sei. Weder vor noch in der Berufungsverhandlung noch auch mit Zustellung des Berufungsurteils sei der klagenden Partei jedoch ein weiterer Beschluss des Inhaltes zugestellt worden, dass das „Erneuerungsverfahren" (im Sinne des § 27 Abs 1 der Verordnung BGBl 1927/248) abgeschlossen sei und der den Parteien Aufschluss darüber gebe, in welcher Art und Weise der in Verstoß geratene Akt durch das Berufungsgericht rekonstruiert worden sei. Dadurch sei das dem Kläger in Art 6 EMRK verbriefte Recht auf ein faires Verfahren und beiderseitiges rechtliches Gehör verletzt worden.

Rechtliche Beurteilung

Hiebei wird übersehen, dass die in der genannten Verordnung getroffenen Regelungen „zur Erneuerung der durch den Brand im Wiener Justizpalaste vernichteten Zivilprozeßakten" (§§ 20 ff) nur dann (sinngemäß: Danzl, Geo. Anm 18 zu § 174) auf sonstige Fälle zu rekonstruierender Akten zum Tragen kommen, wenn sich solche ganz oder teilweise nicht mehr beschaffen lassen (2 Nc 112/02x); wenn aber - wie hier - nicht zuletzt aufgrund der Kooperation beider Parteien bzw ihrer Vertreter und der dank des technisches Fortschrittes (Kopiertechnik) vorhandenen Duplikate sämtlicher wesentlicher Aktenstücke eine vollständige Aktenrekonstruktion möglich war (Gegenteiliges behauptet nicht einmal der Rechtsmittelwerber), dann bedurfte es weder der Durchführung eines „Erneuerungsverfahrens" im Sinne der zitierten und auf den Justizpalastbrand abgestimmten Verordnung noch kann daraus mit Erfolg eine Nichtigkeit im Sinne des § 503 Z 1 iVm § 477 ZPO abgeleitet werden.

Die Bekämpfung unrichtiger Tatsachenfeststellungen ist kein im Revisionsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof vorgesehener Rechtsmittelgrund (§ 503 ZPO) und schon deshalb nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen (RIS-Justiz RS0043371; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503). Auch eine Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) liegt in diesem Zusammenhang nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Im Rahmen der Beweisergänzung galt auch nicht das ansonsten im Rechtsmittelverfahren herrschende Neuerungsverbot (Kodek aaO Rz 5 zu § 488; RIS-Justiz RS0042008; RS0041992).

In der Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) wird die Bewertung der von den Schenkungen der Erblasserin an den Beklagten vorrangig betroffenen und für den vom Beklagten bereits seit Jahrzehnten in Fortführung der Familientradition für seinen Gärtnereibetrieb gewidmeten Liegenschaften gerügt. Die diesbezüglichen, mit Belegstellen untermauerten Ausführungen des Berufungsgerichtes stehen jedoch mit der Rechtsprechung im Einklang (insbesondere 7 Ob 224/01v), die auch die Einzelfallbezogenheit derartiger Beurteilungen ohne Rechtsfragencharakter im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich betont. Bei der Wahl der Berechnungsmethode steht der Zweck der Wertermittlung im Vordergrund. Dass die Vorinstanzen (auch) den Ertragswert einbezogen haben, stellt im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Gegen die hieraus vom Berufungsgericht gewonnenen ziffernmäßigen Ableitungen wird in der Revision - mit Ausnahme einer Schenkungsanrechnung der Erblasserin an den Kläger in Höhe von S 46.026,80 (valorisiert S 115.000 = EUR 8.357,38) - nichts vorgebracht. Der in diesem Zusammenhang erhobene Neuerungsvorwurf wurde bereits oben widerlegt; aber selbst bei Herausnahme dieser Schenkung hätte der Kläger im Rahmen der vom Berufungsgericht angestellten Pflichtteilsberechnung bereits zu Lebzeiten soviel erhalten, dass auch diesfalls dem Kläger mit seinem Ergänzungsanspruch kein Erfolg beschieden sein könnte. Die Revision ist daher aus allen diesen Erwägungen als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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