OGH 4Ob170/06p

OGH4Ob170/06p17.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, Bäckermeister, *****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg und andere Rechtsanwälte in Zell am Ziller, gegen die beklagte Partei E***** GesmbH, *****, vertreten durch Benko & Anker, Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 42.000 EUR), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 10. Mai 2006, GZ 2 R 91/06h-11, mit welchem der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Februar 2006, GZ 8 Cg 216/05y-7, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien haben die Berechtigung zur Ausübung des Bäcker- und des Konditorgewerbes. Die Beklagte beliefert auch am Sonntag Beherbergungsbetriebe; sie setzt dafür Arbeitnehmer und Firmenfahrzeuge ein.

Die Beklagte erzeugt überwiegend Bäckereiwaren. In ihrer Betriebsstätte schenkt sie weder Getränke aus, noch verabreicht sie dort Speisen. Sie verfügt auch über die Gewerbeberechtigung zur Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht 3.500 kg nicht übersteigt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten das Unterlassen der Auslieferung von Brot- und Backwaren an Kunden unter Verwendung von Fahrzeugen, die erkennbar einem Bäckereibetrieb zugeordnet werden können (sohin Fahrzeuge mit Firmenaufschrift, Firmenlogo etc) und/oder unter Verwendung von Brot- und Backwarenbehältnissen, die erkennbar einem Bäckereibetrieb zugeordnet werden können (sohin Behältnisse mit Firmenaufschriften, Firmenlogo etc), und/oder unter Einsatz von Dienstnehmern, wobei als Dienstnehmer alle Personen mit Ausnahme des jeweiligen Geschäftsführers und der jeweiligen Gesellschafter der beklagten Partei zu gelten hätten. Hilfsweise begehrt er dieses Verbot, soweit die Fahrzeuge und/oder die Behältnisse einem Bäckereibetrieb „oder einem Konditoreibetrieb" zugeordnet werden könnten. Weiters beantragt er die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

Zur Begründung stützt sich der Kläger auf § 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch): Die Beklagte habe an Sonntagen Brot und Gebäck an Beherbergungsbetriebe ausgeliefert und damit gegen die Vorschriften des Sonn- und Feiertags - Betriebszeitengesetzes (BZG) verstoßen. Wegen des Einsatzes von Dienstnehmern und der Offenkundigkeit der Gewerbeausübung könne sie sich nicht auf die in § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG enthaltene Ausnahme von der Sonntagsruhe berufen. Nach § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG seien daher ausschließlich die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften maßgebend. Weder das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 (BäckAG) noch das Arbeitsruhegesetz (ARG) und die dazu ergangene Verordnung (ARG-VO) erlaubten eine Auslieferung am Sonntagmorgen. Die Beklagte habe das Konditorgewerbe nur angemeldet, um ihre Unterlassungspflicht zu umgehen. Zudem habe die beanstandete Tätigkeit nichts mit dem Betrieb eines Konditorgewerbes zu tun, da in erster Linie Brot und Backwaren ausgeliefert würden und nicht etwa typische Konditorprodukte wie Torten oder andere Mehlspeisen. Schon das BäckAG stehe daher einer Auslieferung entgegen. Sollte das BäckAG unanwendbar sein, verstieße die Beklagte gegen das ARG. Sie könne sich insbesondere nicht auf die in Punkt VIII. 27. des Anhangs zur ARG-VO enthaltene Ausnahme für Konditoreibetriebe berufen. Denn die Lieferung von Brot- und Backwaren an Hoteliers diene nicht der Aufrechterhaltung des Betriebs, und bei den belieferten Unternehmen handle es sich nicht um von dieser Bestimmung erfasste „Gäste oder Endverbraucher". Zudem habe die Beklagte ihre Unterlassungsverpflichtung anerkannt. Die Beklagte wendet ein, gegen keine Rechtsvorschriften verstoßen zu haben. Sie verfüge über Gewerbeberechtigungen für das Bäcker-, das Konditor- und das Transportgewerbe und sei daher berechtigt, Brot- und Backwaren auch an Sonn- und Feiertagen auszuliefern. Das BäckAG sei auf die Auslieferung nicht anwendbar; die ARG-VO lasse die Beschäftigung von Dienstnehmern nach den Punkten VIII. 27 (Konditoreibetrieb) und XI. 4. c. (Güterbeförderung von leicht verderblichen Lebensmitteln) zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einer - nach dem Vorbringen ohnehin gewollten - Einschränkung auf Sonn- und Feiertage statt. Der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 Z 4 BZG sei nicht erfüllt, da die Beklagte ihre Ware in offenen Behältern mit erkennbarem Inhalt und mit Firmenfahrzeugen ausgeliefert habe. Für das Konditoreigewerbe würden zwar andere Sonntagsregelungen gelten. Darauf könne sich die Beklagte aber nicht berufen, da sie primär Bäckereiware liefere. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ die ordentliche Revision zu. Nach § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG seien gewerbliche Tätigkeiten auch an Sonn- und Feiertagen zulässig, wenn für deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig sei. Als arbeitsrechtliche Vorschriften kämen das BäckAG und das ARG in Betracht. Das BäckAG gelte nach seinem § 1 Abs 3 Z 1 nicht für die Erzeugung von Backwaren in Betrieben oder Betriebsteilen, in denen ohne räumliche und organisatorische Trennung auch Tätigkeiten der Konditoren im Sinne des § 150 Abs 11 GewO ausgeübt würden. Da das bei der Beklagten zutreffe, sei das BäckAG nicht anwendbar. Daher sei das Arbeitsruhegesetz zu prüfen. Die danach ergangene ARG-VO sehe vor, dass Arbeitnehmer während der Wochenend- und Feiertagsruhe die in der Anlage angeführten Tätigkeiten ausüben dürften. Nach Punkt VIII. 27. der Anlage sei in Konditoreibetrieben die Ausübung von Tätigkeiten einschließlich der Erzeugung erlaubt, soweit sie zur Aufrechterhaltung des Betriebs und zur Betreuung der Gäste und Kunden (Endverbraucher) erforderlich seien. Konditoren seien nach § 150 Abs 11 GewO auch zur Herstellung von Gebäck und Weißbrot berechtigt. Im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung dürften sie diese Waren gemäß § 50 Abs 1 Z 2 GewO auch auf Bestellung ausliefern. Da die belieferten Hoteliers als Endverbraucher anzusehen seien, sei die Tätigkeit der Beklagten daher durch diese Bestimmungen gedeckt. Auf die Wahrung des Charakters als Konditoreierzeugungsbetrieb komme es nicht an, weil sich diese Bedingung nur auf die in § 150 Abs 11 GewO ebenfalls geregelten Ausschank- und Verabreichungsrechte beziehe. Die in Punkt XI. 4. c. der Anlage enthaltene Ausnahme zugunsten der Beförderung von leicht verderblichen Lebensmitteln sei demgegenüber nicht anwendbar, da diese Tätigkeit nur zulässig sei, wenn sie während der Wochenend- und Feiertagsruhe durchgeführt werden „müsse". Das sei hier nicht der Fall.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Gegen § 1 UWG verstößt, wer sich durch einen zu Wettbewerbszwecken begangenen Rechtsbruch einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern verschafft (RIS-Justiz RS0078089, RS0077931). Der Gesetzesverstoß muss subjektiv vorwerfbar sein. Maßgebend ist, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 - Metro-Post; RIS-Justiz RS0077771; zuletzt etwa 4 Ob 115/06z - Ampelwerbung). Es ist daher zu prüfen, ob die Beklagte mit guten Gründen annehmen konnte, auch an Sonn- und Feiertagen zur Auslieferung von Brot und Gebäck befugt zu sein.

2. Ausgangspunkt für die Beurteilung dieser Frage ist § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG. Diese Bestimmung gestattet ganz allgemein - also ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Arbeitnehmer beschäftigt werden oder nicht - jede Gewerbeausübung an Sonn- und Feiertagen, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist (RIS-Justiz RS0052485). Gewerbe- und Arbeitszeitrecht laufen daher in diesem Bereich parallel.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht maßgebend ist im Allgemeinen das Arbeitsruhegesetz (ARG) in Verbindung mit der zu dessen § 12 ergangenen Arbeitsruhegesetz-Verordnung (ARG-VO). Vorrang gegenüber diesen Vorschriften hat allerdings nach § 1 Abs 2 Z 7 ARG das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 (BäckAG). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend in einem ersten Schritt geprüft, ob das BäckAG auf die Tätigkeit der Auslieferer anzuwenden ist.

3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts folgt die Unanwendbarkeit des BäckAG aus dessen § 1 Abs 3 Z 1. Danach gilt das Gesetz nicht für die Erzeugung von Backwaren in Betrieben, in denen ohne räumliche und organisatorische Trennung auch Tätigkeiten von Konditoren iSd § 150 Abs 11 GewO ausgeübt werden. Nach der letztgenannten Bestimmung sind „Konditoren [...] zur Herstellung von Gebäck und Weißbrot berechtigt; weiters sind sie berechtigt, in den dem Verkauf gewidmeten Räumen kleine kalte und warme Speisen zu verabreichen sowie Getränke auszuschenken; bei Ausübung dieser Rechte muss der Charakter des Betriebes als Konditoreierzeugungsbetrieb gewahrt bleiben". Damit scheint die Herstellung von Gebäck und Weißbrot durch Konditoren von der Anwendung des BäckAG ausgenommen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gilt das auch dann, wenn der Charakter als Bäckereibetrieb - wie hier - eindeutig überwiegt; der letzte Teilsatz von § 150 Abs 11 GewO bezieht sich danach nur auf die im zweiten Teilsatz enthaltenen Verabreichungs- und Ausschankrechte. Diese Auffassung steht aber in einem unlösbaren Widerspruch zu § 1 Abs 1 und 2 BäckAG. Denn selbstverständlich sind auch (typische) Konditorwaren wie Torten oder andere Mehlspeisen „Backwaren", und Konditoreien sind daher „Backwaren-Erzeugungsbetriebe" iSv § 1 Abs 1 BäckAG. Daher stellt auch § 1 Abs 2 BäckAG Bäckerei- und Konditoreibetriebe einander gleich: Gibt es keine räumliche und organisatorische Trennung zwischen dem Betrieb eines Gastgewerbes einerseits und jenem eines Bäckerei- oder Konditorgewerbes andererseits, so führt die Ausübung (auch) des Gastgewerbes zur Unanwendbarkeit des BäckAG. § 1 Abs 1 und 2 BäckAG lassen somit keinen Zweifel daran, dass dieses Gesetz grundsätzlich auch Dienstnehmer in Konditoreibetrieben erfasst.

§ 1 Abs 3 BäckAG 1996 in seiner ursprünglichen Fassung (BGBl 1996/410) stimmte mit diesem Regelungskonzept überein. Das Gesetz sollte danach nicht für die Erzeugung von Backwaren in Betrieben oder Betriebsteilen gelten, „in denen ohne räumliche und organisatorische Trennung Tätigkeiten der Konditoren im Sinne des § 103 GewO 1994 ausgeübt werden". § 103 GewO erfasste damals nur das Verabreichen von Konditoreiwaren und das Ausschenken von nicht alkoholischen Getränke. Mit § 1 Abs 3 Z 1 BäckAG wurde somit die Gastgewerbeausnahme des § 1 Abs 2 BäckAG auf Fälle ausgedehnt, in denen Speisen und Getränke zwar nicht aufgrund eines Gastgewerbes, aber dennoch in rechtmäßiger Weise - nämlich aufgrund eines Nebenrechts des Konditorgewerbes - verabreicht oder ausgeschenkt wurden.

Mit der GewR-Nov 1997 wurde § 103 GewO durch den (inzwischen ebenfalls wieder aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen) § 118 GewO ersetzt. Nach dessen Abs 1 hatten die Konditoren nun das Recht der Herstellung von Gebäck und Weißbrot (Z 1), der Zubereitung von kalten Imbissen (Z 2) und - wie im Kern schon bisher - der Verabreichung ihrer Erzeugnisse sowie von nichtalkoholischen Getränken und Bier in den Verkaufsräumlichkeiten (Z 3). Nach Abs 2 musste bei der Ausübung der in Abs 1 genannten Befugnisse der Charakter des Betriebs als „Erzeugungsbetrieb" gewahrt bleiben.

Mit dieser Neuregelung sollten die Berufsbilder der Bäcker und Konditoren einander angenähert werden: Konditoren sollten zur Erzeugung von Weißbrot und Gebäck befugt sein, Bäcker nach dem ebenfalls neuen § 117 GewO idF GewR-Nov 1997 zur Erzeugung bestimmter Konditoreiwaren (EB zur RV 644 BlgNR 20. GP 33). Der in § 1 Abs 3 BäckAG enthaltene Verweis auf § 103 GewO blieb trotz dieser Änderung der Gewerbeordnung unverändert; er ging nun ins Leere. Mit der Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl I 2002/111) wurde § 118 GewO durch den inhaltlich weitgehend identischen § 150 Abs 11 GewO ersetzt; die parallele Bestimmung für Bäcker (§ 117 GewO idF GewR-Nov 1997) wurde in § 150 Abs 1 GewO übernommen. Der in § 1 Abs 3 BäckAG enthaltene Verweis blieb auch diesmal unverändert. Erst mit BGBl I 2003/79 wurde diese Bestimmung durch die heute geltende Vorschrift ersetzt. Seither verweist § 1 Abs 3 Z 1 BäckAG auf § 150 Abs 11 GewO. Nach den EB zur RV sollte es sich dabei um eine bloße Zitatanpassung handeln, die durch die GewR-Nov 2002 erforderlich geworden sei (109 BlgNR 22. GP 14).

Folgte man - wie das Berufungsgericht - allein dem Wortlaut, ginge diese Änderung bei Betrieben, die nicht auch Speisen verabreichen oder Getränke ausschenken (§ 150 Abs 1 zweiter Satz GewO, bzw § 150 Abs 11 zweiter Teilsatz GewO), weit über eine bloße Zitatanpassung hinaus. Das BäckAG wäre von vornherein nicht auf Konditoreibetriebe anzuwenden, die - was oft der Fall sein wird - auch Weißbrot und Gebäck erzeugen. Das führte zu folgendem Ergebnis: Erzeugt ein Bäcker typische Bäckereiwaren oder auch Torten und Mehlspeisen iSv § 150 Abs 1 GewO, so ist das BäckAG nach seinem § 1 Abs 1 anwendbar. Gleiches gilt, wenn ein Konditor nur typische Konditorware (also nicht „Gebäck und Weißbrot" iSv § 150 Abs 11 GewO) erzeugt; denn § 1 Abs 3 BäckAG greift in diesem Fall nicht ein. Erzeugte aber ein Konditor aufgrund des Nebenrechts nach § 150 Abs 11 GewO auch typische Bäckereiware („Gebäck und Weißbrot"), so wäre das BäckAG - anders als bei einem Bäcker - unanwendbar.

Die Gleichheitswidrigkeit dieser Auffassung ist offenkundig. Sie kann daher jedenfalls dann nicht mit guten Gründen vertreten werden, wenn in Wahrheit - wie hier - trotz Anmeldung des Konditorgewerbes weiterhin ein typischer Bäckereibetrieb vorliegt. Denn dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er die Anwendung einer arbeitsrechtlichen Vorschrift bei sonst gleichen Voraussetzungen nur davon abhängig machen wollte, welches Gewerbe der Arbeitgeber angemeldet hat.

Angesichts der dargestellten Rechtsentwicklung spricht viel dafür, den in § 1 Abs 3 Z 1 BäckAG enthaltenen Verweis auf § 150 Abs 11 GewO aufgrund der Systematik des BäckAG und des klaren Willens des Gesetzgebers (bloße „Zitatanpassung") weiterhin nur auf jene Fälle zu beziehen, in denen ein Konditor ohne räumliche und organisatorische Trennung das Ausschank- und Verabreichungsrecht nach § 150 Abs 11 zweiter Teilsatz GewO ausübt (so auch Sablatnig/Uher, Handbuch zur Arbeitszeit2 [2004] 250). Bei richtiger Auslegung ist daher nur eine der Wertung des § 1 Abs 2 BäckAG vergleichbare Situation von der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 Z 1 BäckAG erfasst. Bei der Beurteilung nach § 1 UWG kommt es allerdings nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf die Vertretbarkeit der Auslegung an. Die soeben dargestellte strenge Auffassung ist wegen des zunächst in eine andere Richtung weisenden Wortlauts nicht unbedingt zwingend. Andererseits ist es aber jedenfalls unvertretbar, die Anwendung des BäckAG gänzlich in das Belieben des Gewerbeinhabers zu stellen. Damit bleibt als vertretbare Alternative zur oben dargestellten strengen Auslegung der vom Berufungsgericht nicht geteilte Standpunkt des Klägers, wonach auch für die Anwendung des ersten Teilsatzes von § 150 Abs 11 GewO (Erzeugung von Gebäck und Weißbrot) die Bedingung des dritten Teilsatzes dieser Bestimmung zu beachten sei. Ein Konditor ist daher nur dann zur Erzeugung von Gebäck und Weißbrot befugt, wenn der Charakter seines Betriebs als Konditoreierzeugungsbetrieb gewahrt bleibt. Nur unter dieser Voraussetzung ist dann auch der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 BäckAG erfüllt. Hier ist das wegen des Überwiegens des Bäckereicharakters nicht der Fall.

4. Damit ist dem Kläger aber noch nicht (endgültig) geholfen. Denn die Unanwendbarkeit des BäckAG könnte sich im konkreten Fall schon aus dessen § 1 Abs 1 ergeben. Danach gilt das Gesetz (nur) für Arbeitnehmer, die „in Backwaren-Erzeugungsbetrieben beschäftigt und überwiegend bei der Erzeugung von Backwaren verwendet werden." Nach der Rsp des VwGH zum BäckAG 1955 ist die Manipulation an bereits vollendetem Backgut, insbesondere daher die Auslieferung, keine Tätigkeit bei dessen „Erzeugung" (VwGH GZ 90/19/0209). Diese Auffassung liegt auch dem BäckAG 1996 zugrunde, heißt es doch in den EB zur RV, dass es auf „Beschäftigte im Expedit" nicht anzuwenden ist (177 BlgNR 20. GP 11; vgl auch Sablatnig/Uher aaO). Entscheidend ist daher, ob die zur Auslieferung herangezogenen Arbeitnehmer ansonsten überwiegend bei der Erzeugung von Backwaren tätig sind. Ist das der Fall, so bleibt das BäckAG anwendbar. Werden solche Arbeitnehmer am Sonntagmorgen zur Auslieferung eingesetzt, ohne dass das im Einzelfall nach § 17 BäckAG gerechtfertigt ist, liegt darin ein auch nach § 1 UWG vorwerfbarer Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften. Daher wäre ein auf diese Fallgestaltung beschränktes Verbot zu erlassen.

5. Anders ist die Rechtslage, wenn nicht unter das BäckAG fallende Arbeitnehmer verwendet werden. Anwendbar ist in diesem Fall § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG iVm § 12 ARG iVm den Ausnahmebestimmungen der ARG-VO. Die in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltene Aufzählung von erlaubten Tätigkeiten ist zwar als Ausnahme von den Arbeitnehmerschutzbestimmungen einschränkend auszulegen (RIS-Justiz RS0051695). Kriterium ist aber auch hier die Vertretbarkeit, nicht die Richtigkeit der Auslegung.

Ausgenommen von der Wochenend- und Feiertagsruhe ist nach Punkt XI.

4. c. der Anlage ua die „Beförderung [...] von leicht verderblichen Lebensmitteln [...], sofern diese Tätigkeiten während der Wochenend- und Feiertagsruhe durchgeführt werden müssen".

Dass es sich bei Gebäck und Weißbrot um leicht verderbliche Lebensmittel handelt, liegt wegen der Gefahr des Austrocknens auf der Hand (vgl dazu schon den Erlass des BMHGI vom 24. 4. 1961, Zl 184.065-IV/28-61, zur insofern parallelen Bestimmung des § 42 Abs 3 StVO). Mangels entgegenstehender Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und/oder des Verwaltungsgerichtshofs ist es auch vertretbar, die Auslieferung solcher Waren als erforderlich iS dieser Bestimmung anzusehen. Dafür spricht zum einen der gerade an Wochenenden unbestreitbare Bedarf von Beherbergungsbetrieben an frischem Gebäck. Es wäre nicht nachvollziehbar, wollte man diesen Betrieben zwar die Abholung von Backwaren gestatten, nicht aber die Belieferung durch den Hersteller oder ein anderes zur Güterbeförderung befugtes Unternehmen. Zum anderen ist der Bestimmung nicht (zwingend) zu entnehmen, dass sich die Erforderlichkeit nicht auch aus Dispositionen des betroffenen Unternehmers selbst ergeben dürfte. Hat er im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung leicht verderbliche Waren hergestellt und sich vertraglich verpflichtet, sie am Sonntagmorgen zu liefern, so ist die Auffassung zumindest vertretbar, dass die Beförderung zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich durchgeführt werden „muss". Anders wäre zwar möglicherweise zu entscheiden, wenn die strittige Ware auch in einer gegen das BäckAG verstoßenden Weise hergestellt wurde. Das hat der Kläger aber nicht behauptet.

6. Um die Anwendung von § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG zu ermöglichen, muss die Auslieferung freilich im Rahmen der jeweiligen Gewerbeberechtigung erfolgen. Denn § 1 BZG verweist ausdrücklich auf Tätigkeiten, die der Gewerbeordnung unterliegen. Es ist daher nicht anzunehmen, dass § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG iVm den Ausnahmevorschriften der ARG-VO auch dann anzuwenden wäre, wenn die strittige Tätigkeit zwar abstrakt gestattet, jedoch nicht von der Gewerbeberechtigung des Unternehmers gedeckt wäre. Diese Frage stellt sich hier aber schon deswegen nicht, weil die Beklagte auch über die gewerberechtliche Befugnis zur Güterbeförderung verfügt. Im Rahmen dieses Gewerbes ist sie jedenfalls zur Auslieferung auch an Sonn- und Feiertagen befugt (soweit sie dafür nicht unter den Schutz des BäckAG fallende Dienstnehmer einsetzt).

7. Auf ein konstitutives Anerkenntnis kann sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte hat zwar nach Aufforderung durch den Klagsvertreter „erklärt [..], es künftig zu unterlassen, als Inhaberin des Bäckereigewerbes an Sonn- und Feiertagen Brot und Gebäck an ihre Kunden auszuliefern". Selbst wenn man das als konstitutives Anerkenntnis deuten wollte, wäre davon aber nur die Auslieferung als gewerbliche Tätigkeit eines Bäckers außerhalb seiner Betriebsstätte iSv § 50 Abs 1 Z 2 GewO erfasst. Da die Beklagte aber auch über die Berechtigung für das Güterbeförderungsgewerbe verfügt, kann ihr die von ihr (offenkundig bewusst) eng formulierte Erklärung nicht entgegengehalten werden.

8. Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist somit die Frage, welche Arbeitnehmer die Beklagte zur Auslieferung verwendet hat. Werden sie überwiegend bei der Backwarenerzeugung tätig und fallen sie daher in den Anwendungsbereich des BäckAG, so wäre ein auf diese Fallgestaltung beschränktes, vom weiten Klagebegehren jedenfalls gedecktes Verbot auszusprechen; das Mehrbegehren (auch das Eventualbegehren) wäre abzuweisen. Ansonsten wäre die Klage zur Gänze abzuweisen. Auf die vom Berufungsgericht herangezogene Ausnahmebestimmung des Punktes VIII. 27. der Anlage zur ARG-VO kommt es in keinem dieser Fälle an. Ebenso wenig relevant ist die (weitere) Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG. Denn eine Auslieferung durch den Gewerbeinhaber selbst, der mangels Dienstnehmereigenschaft nicht unter das BäckAG fällt, ist schon durch § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG iVm Punkt XI. 4. c. der Anlage zur ARG-VO jedenfalls gedeckt.

Diese Rechtslage war den Parteien offenkundig nicht bewusst. Zu den Voraussetzungen der Anwendung des BäckAG liegen auch sekundäre Feststellungsmängel vor. Das führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Das Erstgericht wird nach Erörterung und allenfalls weiterer Beweisaufnahme Feststellungen zur überwiegenden Tätigkeit der bei der Auslieferung verwendeten Arbeitnehmer zu treffen haben. Den Kläger trifft dabei die Behauptungs- und Beweislast für die überwiegende Verwendung in der Backwarenerzeugung, die Beklagte gegebenenfalls für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 17 BäckAG. Ein Teilurteil dahin, dass das Unterlassungsbegehren in Bezug auf eine Auslieferung durch den Geschäftsführer der Beklagten selbst abgewiesen wird (da er keinesfalls unter das BäckAG fällt), ist wegen des engen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Teilen des Klagebegehrens nicht zweckmäßig.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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