OGH 14Os106/06d (14Os107/06a)

OGH14Os106/06d (14Os107/06a)10.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Roland als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter W***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. April 2000, GZ 26 Hv 81/99-149, und eine weitere Entscheidung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. April 2000, GZ 26 Hv 81/99-149, mit dem gestützt auf § 55 StGB der Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1997, GZ 36 EHv 33/97-17, gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen wurde, sowie

2. der Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rechtsmittelgericht vom 7. Dezember 2000, AZ 7 Bs 511/00 (GZ 26 Hv 81/99-163 des Landesgerichtes Innsbruck), mit dem der implizierten Beschwerde des Angeklagten gegen den vorgenannten Beschluss nicht Folge gegeben wurde,

verletzen das Gesetz im § 56 StGB.

Diese Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck und des Oberlandesgerichtes Innsbruck werden aufgehoben und der Antrag auf Widerruf der vom Landesgericht Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht zurückgewiesen.

Mit seiner gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 13. April 2006, GZ 36 EHv 33/97-31, erhobenen Beschwerde wird der Verurteilte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14. April 2000, GZ 26 Hv 81/99-149, wurde Peter Rudolf W***** des Verbrechens des (am 3. August 1995) begangenen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das (seit 17. März 1997 rechtskräftige) Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1997, GZ 36 EHv 33/97-17, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 29 Monaten verurteilt. Zugleich fasste das Schöffengericht gemäß § 55 Abs 1 StGB den Beschluss, die dem Verurteilten mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1997 gewährte bedingte Nachsicht der dort über ihn verhängten (einmonatigen) Freiheitsstrafe zu widerrufen. Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 17. Oktober 2000, GZ 14 Os 91/00-6, zurückgewiesen (ON 159). Mit Urteil vom 7. Dezember 2000, AZ 7 Bs 511/00, gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Berufung des Angeklagten sowie der (gemäß § 498 Abs 3 StPO implizierten) Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck nicht Folge (ON 163).

Die vom Landesgericht Salzburg verhängte einmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollzug vom Bundespräsidenten im Gnadenweg wiederholt gehemmt wurde (ON 25 und 26 in 36 EHv 33/97 des Landesgerichtes Salzburg), hat Peter Rudolf W***** bisher nicht verbüßt. Einen Antrag des Verurteilten, ihm gemäß § 31a StGB eine nachträgliche Strafmilderung in der Form zu gewähren, dass die verhängte Freiheitsstrafe (nochmals) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werde (ON 28), wies das Landesgericht Salzburg mit Beschluss vom 13. April 2006, GZ 36 EHv 33/97-31, ab. Über die dagegen erhobene Beschwerde des Verurteilten wurde vom Oberlandesgericht Linz (AZ 10 Bs 148/06w) noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 14. April 2000 gestützt auf § 55 StGB vorgenommene, vom Oberlandesgericht Innsbruck im Rahmen der Rechtsmittelentscheidung vom 7. Dezember 2000 bestätigte Widerruf der vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 12. März 1997 gewährten bedingten Strafnachsicht steht - wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 56 StGB darf das Gericht eine Entscheidung über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht grundsätzlich nur in der Probezeit treffen. Lediglich unter der Voraussetzung, dass der Widerrufsgrund eine innerhalb der Probezeit begangene Straftat oder eine dieser gleichgestellte Tat (§ 53 Abs 1 StGB) ist, darf der Widerruf auch noch innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der Probezeit oder nach Beendigung des Strafverfahrens wegen der neuen Tat ausgesprochen werden, wenn dieses Verfahren bei Ablauf der Probezeit schon anhängig war (vgl Jerabek in WK2 § 56 StGB Rz 6; Fabrizy StGB9 § 56 StGB Rz 1).

Der Widerruf einer bedingten Strafnachsicht gemäß § 55 StGB setzt eine nachträgliche Verurteilung gemäß § 31 StGB voraus, die wiederum nur dann ergehen darf, wenn sämtliche, der nachträglichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten vor dem früheren Urteil begangen worden sind. Dem Wortlaut des § 56 StGB entsprechend darf daher eine auf § 55 StGB gestützte Widerrufsentscheidung nur innerhalb der Probezeit getroffen werden.

Im Verfahren AZ 36 EHV 33/97 des Landesgerichtes Salzburg endete die mit (am 17. März 1997 rechtskräftig gewordenen) Urteil vom 12. März 1997 bestimmte dreijährige Probezeit mit Ablauf des 17. März 2000 (zur Berechnung der Probezeiten vgl Ratz in WK2 § 49 Rz 2). Der erst nach dem Ende der Probezeit mit Beschluss des (für eine solche Entscheidung nicht zuständigen; vgl Jerabek in WK2 § 55 Rz 5;

RIS-Justiz RS0111521, insb 14 Os 184/98, EvBl 1999/111, 476 = JBl

2000, 130 = RZ 1999/57, 227) Landesgerichtes Innsbruck vom 14. April 2000 ausgesprochene und auf § 55 StGB gestützte Widerruf der bedingten Strafnachsicht war daher unzulässig. Diesen Rechtsfehler übersah auch das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2000.

Die beiden Beschlüsse wirken sich zum Nachteil des Angeklagten aus, sodass diese Entscheidungen aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1997 ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht zurückzuweisen war.

Damit erübrigt sich auch eine Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz im Verfahren 36 EHv 33/97 des Landesgerichtes Salzburg.

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