OGH 10ObS150/06s

OGH10ObS150/06s3.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Tourismusverband F***** T*****, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras und andere Rechtsanwälte in Gmunden, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschuss nach Entgeltfortzahlung (Streitwert: EUR 2.004,20 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 2006, GZ 12 Rs 49/06x-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 2006, GZ 17 Cgs 309/05b-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der klagende Tourismusverband, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, ist Dienstgeber des Angestellten Thomas S*****, der bei der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt unfallversichert ist. Thomas S***** war infolge eines Privatunfalles vom 27. 6. bis 4. 9. 2005 arbeitsverhindert. Die klagende Partei leistete Entgeltfortzahlung an diesen Mitarbeiter.

Mit Bescheid vom 20. 10. 2005 lehnte die beklagte Partei den Antrag der klagenden Partei auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung des genannten Dienstnehmers in der angeführten Zeit mit der Begründung ab, dass kein Unternehmen im Sinne des § 53b ASVG vorliege.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei EUR 2.004,20 samt 4 % Zinsen seit 28. 9. 2005 an Zuschuss nach Entgeltfortzahlung zu bezahlen. Es stellte insbesondere fest, dass die klagende Partei seit einer Neustrukturierung im Jahr 2003 vier Gemeinden umfasst und insgesamt 9 Mitarbeiter beschäftigt. Hauptaufgabe der klagenden Partei ist die touristische Vermarktung der Traunseeregion. Sie besitzt eine eigene Rechtsbürokonzession und verkauft an Reiseveranstalter touristische Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Weiters hat sie das Fremdenführergewerbe angemeldet, um ein selbst organisiertes Aktivitätenprogramm (wie etwa Führungen) für Touristen abwickeln zu können. Die klagende Partei fungiert auch als Kartenbüro, bei dem man Tickets für Veranstaltungen österreichweit online kaufen kann.

Die Haupteinnahmequelle bilden Mitgliedsbeiträge, die von den in den vier Gemeinden gelegenen Gewerbebetrieben und Freiberuflern als Promillesatz von deren Umsatz einbezahlt werden. Eine weitere Einnahmequelle bildet die Ortstaxe, die jeder Gast pro Nacht entrichten muss. Ungefähr 10 % des Umsatzes entfielen im vergangenen Jahr auf die touristische Eigenleistungen im Zusammenhang mit dem Ticketverkauf über Austria Online Ticket und auf verschiedene andere auf eigene Rechnung durchgeführte gewerbliche Tätigkeiten. Beim Ticketverkauf tritt die klagenden Partei als Vertragspartner auf und trägt auch das wirtschaftliche Risiko, wenn die Produkte nicht verkauft werden. Gewisse Veranstaltungen werden von ihr auf eigene Rechnung und auf eigenes wirtschaftliches Risiko geplant, finanziert und vermarktet. Ziel der klagenden Partei ist es, möglichst wirtschaftlich zu arbeiten, um mit den eingehobenen Beiträgen möglichst viele Leistungen erbringen zu können. Es ist nicht Zweck der klagenden Partei, einen allfälligen Gewinn an die Mitglieder auszuschütten.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Unternehmenseigenschaft der klagenden Partei. Weder der Gesetzestext noch die Materialien beschränkten die Zuschussberechtigung auf Privatrechtsubjekte. Die Entgeltfortzahlung könne bei kleinen und mittleren Unternehmen zu finanziellen Schwierigkeiten führen, wobei auch Unternehmen hoheitlicher Rechtsträger durch eine derartige finanzielle Belastung konkursgefährdet seien. Es wäre auch gleichheitswidrig, wenn die klagende Partei zwar Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zahlen müsste, aber von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen wäre. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei in der Hauptsache nicht, wohl aber im Zinsenpunkt Folge. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung insbesondere darauf, dass die Dienstgebereigenschaft der klagenden Partei im Sinn des § 35 ASVG auch von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogen werde. Der Begriff des Unternehmens sei im ASVG nicht definiert. Die klagende Partei sei ein Dienstleistungsunternehmen und damit unabhängig davon, welcher der verschiedenen Definitionen von Unternehmen man folge, vom Wortlauf des § 53b ASVG erfasst. Sie sei auch unternehmerisch tätig und erbringe jedenfalls für 10 % ihres Umsatzes touristische Eigenleistungen. Auch wenn die klagende Partei als Körperschaft öffentlichen Rechts konstituiert sei, erfülle sie keine hoheitlichen oder öffentlichen Aufgaben im engeren Sinn (Daseinsvorsorge, Förderung des Allgemeinwohls usw). Sie agiere vielmehr mit den Mitteln des Privatrechts als selbstständiger Wirtschaftskörper mit eigenen Dienstnehmern sowie eigenen finanziellen Mitteln und strebe nach Kostendeckung. Ungeachtet der differenzierteren Definition auf europäischer Ebene (vgl Empfehlung der Europäischen Union betreffend die Definition von Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen vom 6. 5. 2002, 2003/361/EG) orientiere sich der „KMU-Begriff" des § 53b ASVG (ausschließlich) an der Dienstnehmerzahl des jeweiligen Dienstgebers in seinem Unternehmen. Schließlich bestehe auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes keine sachliche Rechtfertigung für den von der beklagten Partei vertretenen Ausschluss von öffentlich-rechtlichen juristischen Personen von der Zuschussberechtigung nach der Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG. Das Berufungsgericht sprach die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegen seine Entscheidung aus, weil insbesondere eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zuschussberechtigung von Körperschaften öffentlichen Rechts nach § 53b ASVG fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel weiterhin - zusammengefasst - die Auffassung, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts generell von Zuschüssen nach Entgeltfortzahlungen gemäß § 53b ASVG ausgeschlossen seien.

Zu dieser rechtserheblichen Frage liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. So hat der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 ObS 86/06d vom 27. 6. 2006 und 10 ObS 98/06v vom 17. 8. 2006 näher begründet, dass weder der Gesetzeswortlaut noch die dazu vorliegenden Materialien irgendeinen Anhaltspunkt für eine Herausnahme von juristischen Personen des öffentlichen Rechtes - oder von Kirchen sowie Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften öffentlichen Rechtes anerkannt sind - von der Anspruchsberechtigung nach § 53b ASVG bieten. In der Entscheidung 10 ObS 138/06a vom 12. 9. 2006 wurde näher begründet, dass auch das allgemeine (weite) Verständnis des Begriffes „Unternehmen" einen solchen - von der beklagten Partei auch in ihren Revisionsausführungen vertretenen - generellen Ausschluss von Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Anspruchsberechtigung nach § 53b ASVG nicht zu rechtfertigen vermag. Die von der beklagten Partei gegen diese auch vom Berufungsgericht bereits vertretene Ansicht vorgetragenen Argumente, zu denen vom erkennenden Senat in den zitierten Entscheidungen in den wesentlichen Punkten bereits Stellung genommen wurde, bieten keinen Anlass für ein Abgehen von dieser bereits gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Im Hinblick auf diese mittlerweile vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war daher die Revision der beklagten Partei mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Revisionsbeantwortung stellt sich als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme dar, auch wenn die klagende Partei darin im Hinblick auf die mittlerweile ergangene, aber damals noch nicht veröffentlichte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hinweisen konnte.

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