OGH 5Ob174/06h

OGH5Ob174/06h3.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. Edith S*****, vertreten durch Hannelore Istvan, Landessekretärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, Landesverband Niederösterreich, Hessstraße 4, 3100 St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin Ulrike F*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder, Rechtsanwältin in St. Pölten, wegen § 27 MRG iVm § 17 WGG (Streitwert EUR 18.168,21), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 9. Juni 2006, GZ 21 R 76/06v-74, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 6. Februar 2006, GZ 9 Msch 10004/02b-70, teilweise abgeändert wurde, den Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

„Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin den Betrag von EUR 9.005,78 samt 4 % Zinsen seit 1. 6. 1994 zu zahlen. Das Mehrbegehren von EUR 9.162,43 samt 4 % Zinsen seit 1. 6. 1994 wird abgewiesen."

Die Antragsgegnerin hat die Kosten rechtsanwaltlicher Vertretung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die auf der Liegenschaft S***** von der Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft F***** reg. GenmbH errichtete Wohnhausanlage steht in deren Eigentum. Die Anlage wurde im Rahmen eines Bundessonderwohnbauprogramms errichtet. Die Antragsgegnerin schloss am 15. 1. 1989 mit der bezeichneten Genossenschaft als „Erstmieterin" einen Mietvertrag über die Wohnung Top Nr. 9 in dieser Wohnhausanlage auf Stiege 2 ab.

Im Dezember 1993 einigten sich die Antragsgegnerin als Vormieterin und die Antragstellerin als Nachmieterin über die Zahlung einer Ablöse für diese Wohnung in Höhe von S 650.000 (EUR 47.237,34), welcher Betrag von der Antragstellerin auch an die Antragsgegnerin bezahlt wurde und zwar mit einer ersten Rate von S 400.000 am 15. 11. 1993 und mit einer zweiten Rate von S 250.000 am 16. 5. 1994. Die bezeichnete Genossenschaft schloss mit der Antragstellerin einen Mietvertrag über die Wohnung Top Nr. 9 beginnend mit Jänner 1994 ab. Im Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung an die Antragstellerin befanden sich darin Investitionen und Inventar im Gesamtwert von EUR 12.820. Die Antragsgegnerin hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Tilgungsanteil von EUR 6.070,73 bezahlt. Damit reduzierte sich das auf der Wohnung haftende Darlehen auf EUR 68.961,72 (das Darlehensnominale laut Endabrechnung - ohne Berücksichtigung der bereits erfolgten Tilgung - hatte auf EUR 75.032,45 gelautet). In diesem Umfang wäre ein von der Antragstellerin für die Wohnung zu leistender Kaufpreis gemindert worden, hätte sie von dem ihr eingeräumten Recht, die Wohnung käuflich zu erwerben, Gebrauch gemacht.

Die Antragstellerin hat die Wohnung trotz der ihr von der Antragsgegnerin verschafften Rechtsstellung nicht käuflich erworben. Im gegenständlichen Verfahren begehrt sie von der Antragsgegnerin die Rückzahlung eines Betrages von EUR 18.168,21 gemäß § 27 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 17 WGG mit der Begründung, dass der von ihr geleisteten Zahlung insofern keine Gegenleistung gegenübergestanden sei. Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin, der Antragstellerin diesen Betrag binnen vierzehn Tagen zurückzuzahlen. Dies mit der Begründung, dass insoweit keine gleichwerte Gegenleistung der Zahlung der Antragstellerin gegenübergestanden sei. Einem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Sachbeschluss dahin ab, dass die Antragsgegnerin schuldig erkannt wurde, der Antragstellerin EUR 6.550,19 sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von EUR 11.618,02 sA wurde abgewiesen. Das Rekursgericht ermittelte aus der Differenz des Verkehrswerts der Wohnung im Zeitpunkt der Möglichkeit der Antragstellerin, Eigentum zu erwerben (Anfang 1994) von EUR 105.200 und den von ihr noch zu leistenden Zahlungen in Höhe von EUR 92.456,04 den rechnerischen Betrag von EUR 12.743,96. Dieser Differenzbetrag sei jener Betrag, der der Antragstellerin als „Wert" zugekommen wäre, hätte sie die Wohnung käuflich erworben. Dazu seien der Anteil an Darlehenstilgungen durch die Antragsgegnerin in Höhe von EUR 6.070,73 und der Wert der übernommenen Fahrnisse bzw Investitionen von EUR

12.870 zu zählen. Abzuziehen davon sei die mit der Wohnungseigentumsbegründung verbundene Rückzahlungspflicht betreffend die Förderung nach dem BSWG von EUR 2.016,90. Insgesamt ermittelte das Erstgericht damit einen Betrag von EUR 29.617,79 als objektiven Wert, der der Ablösezahlung der Antragstellerin in Höhe von EUR 47.237,34 gegenübergestanden sei. Das Rekursgericht errechnete daraus einen unzulässigen Anteil der Zahlung von EUR 17.237,34. Unter Berücksichtigung einer teilweisen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche gelangte das Rekursgericht insgesamt zu einem der Antragstellerin zuzuerkennenden Betrag von EUR 6.550,19. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich das Rekursgericht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientiert habe und Detailfragen über den Einzelfall hinaus nicht von Bedeutung seien. Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses dahin, dass insgesamt von einem nicht gerechtfertigten Ablösebetrag von EUR 23.547,06 auszugehen sei. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Im Revisionsrekurs macht die Antragstellerin ausschließlich geltend, dem Rekursgericht sei bei Ermittlung des Vorteils der Antragstellerin ein Rechenfehler unterlaufen. Im Übrigen wird die Richtigkeit der Entscheidung ausdrücklich zugestanden.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat zur Frage, ob ein vom Rechtsmittelwerber aufgezeigter Rechenfehler als erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu qualifizieren ist, Folgendes erwogen:

Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung gehören auch Verstöße gegen die Gesetze der Logik und Erfahrung, aber auch Rechenfehler (vgl 2 Ob 176/3 = RZ 1974/117 = EFSlg 20.810 = RIS-Justiz RS0043706). Weil durch die Rechtsmittelbestimmungen auch die Rechtssicherheit und Rechtseinheit geschützt werden soll, kann auch ein Fehler des Berufungsgerichtes (Rekursgerichtes), der nicht zu grundlegenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofes Anlass bietet, etwa ein einfacher Rechen- oder sonstiger Denkfehler erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 62 Abs 1 AußStrG haben, liegt es doch nicht nur im Interesse der betroffenen Partei sondern auch im allgemeinen Interesse, dass Fehlentscheidungen verhindert werden (vgl Kodek in Rechberger² Rz 3 zu § 502 ZPO; Rz 5 zu § 503 ZPO).

Auch Zechner (in Fasching² Rz 67 zu § 502 ZPO) vertritt höchstgerichtlicher Rechtsprechung folgend die Ansicht, dass eine Berechnung, die auf unlogischen Prämissen basiert, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO (hier § 62 Abs 1 AußStrG) begründet. Gegenstand der in RIS-Justiz RS0108169 wiedergegeben Entscheidungen waren überwiegend Fragen unrichtiger Berechnung bei geltend gemachter laesio enormis, wobei ausgesprochen wurde, die Frage ob eine solche vorliege, betreffe grundsätzlich den Einzelfall, dem keine erhebliche Bedeutung zuerkannt werden könne. Das treffe aber dann nicht zu, wenn die Berechnung auf unlogischen Prämissen aufbaut.

Die Rechtsmittelwerberin macht im vorliegenden Fall geltend, dem Rekursgericht sei ein Rechenfehler insofern unterlaufen, als es bei Ermittlung des Darlehensrestes die von der Antragsgegnerin bereits geleisteten Tilgungsanteile in Höhe von EUR 6.070,73 bereits in Anschlag gebracht habe, dann aber den Tilgungsanteil unrichtigerweise bei Berechnung des der Antragstellerin zugekommenen Gesamtvorteils neuerlich hinzugerechnet und insofern doppelt berücksichtigt habe. Damit wird - wie oben dargestellt - eine Berechnung nach unlogischen Gesichtspunkten behauptet und insofern eine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dargetan.

Entgegen der von der Antragsgegnerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Ansicht ist diese Rechtsrüge der Antragstellerin begründet.

Errechnet man den Vorteil, den die Antragstellerin, hätte sie die Wohnung käuflich erworben, aus der Differenz zwischen dem Wert der Wohnung Anfang 1994 und den von ihr dafür noch zu leistenden offenen Darlehensrückzahlungen, so vergrößert sich die Differenz und damit der Vorteil der Antragstellerin, wenn man nur noch die tatsächlich zu leistenden Darlehensrückzahlungen (also die bereits um EUR 6.070,07 verminderte Darlehensschuld) zugrundelegt. Dann geht es aber nicht mehr an, diesen Darlehenstilgungsbetrag von EUR 6.070,07 ein zweites Mal zu berücksichtigen, indem er wie der Wert der übernommenen Einrichtungsgegenstände dem von der Antragstellerin insgesamt erhaltenen Gegenwert hinzugeschlagen wird (zur Berechnung des Darlehensrestes S 13 in ON 70).

Es ist daher die Rechtsrüge der Antragstellerin berechtigt, dass die vom Rekursgericht vorgenommene doppelte Anrechnung der von der Antragsgegnerin geleisteten Darlehenstilgungen auf einer den Gesetzen der Logik widersprechenden unrichtigen Rechnung beruht. Das verkennt die Revisionsgegnerin, wenn sie meint, neben der Berücksichtigung der von ihr bereits geleisteten Darlehensrückzahlungen als Gegenwert der Ablösezahlung sei auch noch der objektive Vorteil zu berücksichtigen, den die Antragstellerin durch die bereits geleisteten Rückzahlungen erlange. Nicht ganz verständlich ist das Argument der Revisionsrekursgegnerin, der Grund- und Baukostenanteil hätte bei fiktiver Ermittlung des Kaufpreises unberücksichtigt bleiben müssen, weil Grund- und Baukostenanteile nur bei Vermietung zur Vorschreibung gelangten, nicht aber bei der Begründung von Wohnungseigentum. Dieses Argument ist insofern nicht stichhältig, als natürlich der Erwerber als Teil des nach den §§ 13, 15 WGG zu bildenden Preises anteilig Grund- und Baukosten zu bezahlen hat (§ 13 Abs 2 Z 2 und 3 WGG). Zufolge § 17 Abs 1 WGG erhielt die Antragsgegnerin als ausscheidende Mieterin die anteilige Rückzahlung der von ihr zur Finanzierung des Bauvorhabens neben dem Entgelt geleisteten Beträge, die also nicht mehr dem bereits geleisteten des Kaufpreises hinzugerechnet werden könne. Die Antragstellerin musste den Grund- und Baukostenanteil nicht nur als Mieterin neuerlich leisten (vgl S 16 des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses); es fehlte dem fiktiven Kaufpreis auch jener Grund- und Baukostenanteil von EUR 9.099,87, den sich die Antragsgegnerin bei Beendigung ihres Mietverhältnisses auszahlen ließ.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekursgegnerin ist also dem Rekursgericht bei dieser Berechnung kein Fehler unterlaufen. Im Übrigen hat die von der Revisionsrekursgegnerin zitierte Entscheidung MietSlg 40/5 die Frage erheblicher Eigenmittel des Vermieters iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG zum Gegenstand und mit den hier zu lösenden Fragen keinerlei Berührung.

Auf die von der Revisionsrekursgegnerin behauptete gänzliche Verjährung des Anspruchs ist mangels Erhebung eines eigenen Rechtsmittels durch die Antragsgegnerin nicht mehr einzugehen. Das hatte unter Anwendung der vom Rekursgericht als gerechtfertigt erkannten Verjährung zu einem Zuspruch von EUR 9.005,78 zu führen. In diesem Sinn war dem Revisionsrekurs der Antragstellerin stattzugeben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF.

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