Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Umar K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II) und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB (III) schuldig erkannt. Danach hat er am 5. Jänner 2006 in Wien
I. den am 20. April 1994 geborenen Ruslan I***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich zu einem Oralverkehr genötigt, indem er die Zimmertüre versperrte, den Kopf des Ruslan I***** gegen seinen erigierten Penis drückte und mit dessen Kopf Auf- und Abbewegungen durchführte;
II. durch die unter I. genannte Handlung mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen;
III. versucht, Ruslan I***** durch die Äußerung, dass er ihn töte, wenn er von dem oben angeführten Vorfall jemand Mitteilung mache, mithin durch Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich Dritte von der oben genannten Handlung in Kenntnis zu setzen bzw Anzeige zu erstatten, zu nötigen.
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 3) ist voranzustellen, dass der Oberste Gerichtshof aus Z 3 nur zu beurteilen hat, ob das erkennende Gericht seine Pflicht zur Beobachtung der für die besondere prozessuale Situation anzuwendenden Verfahrensnorm wahrgenommen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 37, 39, 256).
Der Rüge des Ausschlusses der Öffentlichkeit während der Vernehmung der Zeugin Irina I***** (der Mutter des Ruslan I*****) entgegen stützte das Schöffengericht seine Verfügung (S 275) ohne Rechtsfehler auf § 229 Abs 2 StPO, wonach vor der Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich (unter anderem) eines Zeugen bei Überwiegen schutzwürdiger Interessen die Öffentlichkeit auszuschließen ist. Die Sachverhaltsgrundlage dieses temporären Ausschlussgrundes (Danek, WK-StPO § 229 Rz 5) ergibt sich aus der Anklageschrift (ON 35) und dem Ersuchen der Zeugin, ihre notwendigerweise ihren persönlichen Lebensbereich und den ihres unmündigen Kindes betreffende Aussage nicht in Gegenwart der Verwandten des Angeklagten, die nach ihren Angaben bereits bei ihr interveniert hatten, ablegen zu müssen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 46). Die eigenständig beweiswürdigenden Hypothesen des Beschwerdeführers über den Einfluss der Öffentlichkeit auf die „Wahrheitsliebe" der Zeugin und die dem Erstgericht angeblich eröffnete Möglichkeit, sich „ein wesentlich besseres Bild" von ihr bei Aussage „vor einem größeren Auditorium" zu machen, vermögen die behauptete Nichtigkeit nicht darzustellen.
Die weiteren Ausführungen aus Z 3 verkennen, dass der Angeklagte während der Vernehmung der Zeugin I***** nicht gemäß § 250 Abs 1 StPO aus dem Sitzungssaal abzutreten hatte, sondern unter Einhaltung der gesetzlich verlangten Ermahnungen und Androhungen gemäß § 234 StPO wegen ständigen Dazwischenredens des Verhandlungsraumes verwiesen wurde (S 275 f). Dies ist aber mangels Aufnahme dieser Bestimmung in den erschöpfenden Katalog der Z 3 aus diesem Nichtigkeitsgrund nicht aufgreifbar (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 33); obwohl nicht mit Nichtigkeit bedroht, wurde dem Angeklagten überdies die Gelegenheit einer Stellungnahme zur ihm bekanntgegebenen Zeugenaussage eingeräumt (S 289; vgl Danek, WK-StPO § 234 Rz 4).
Der Mängelrüge (Z 5) entgegen betreffen angebliche „Probleme" des Angeklagten mit dem minderjährigen Ruslan I***** wegen eines abhandengekommenen Mobiltelephones und eines Spielzeugwunsches keine entscheidenden Tatsachen, vielmehr sucht der Rechtsmittelwerber auf der Basis eigener Mutmaßungen die mängelfreie Beweiswürdigung des Schöffensenates (vgl unter anderem US 6) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld - sohin unbeachtlich - anzugreifen.
Mit behaupteten körperlichen Besonderheiten des Angeklagten hat sich das Erstgericht ausdrücklich auseinandergesetzt (US 7, 8) und damit seine Entscheidung nichtigkeitsfrei gehalten.
Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn im Urteil der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird (Fabrizy aaO Rz 47). Indem die Rüge mängelfrei begründete Annahmen des Schöffensenats eigenständig beweiswürdigend problematisiert, wird inhaltlich Aktenwidrigkeit aber nicht dargetan, sondern neuerlich bloß außerhalb des gesetzlichen Anfechtungsrahmens spekuliert. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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