OGH 11Os54/06k

OGH11Os54/06k19.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 16. Jänner 2006, GZ 39 Hv 206/05a-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil in seinem Schuldspruch III (Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen unzulässigen, prozessual aber wirkungslosen Subsumtionsfreispruch enthält, wurde Herbert R***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (IV 2) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB aF bzw nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF (IV 1), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB (V) sowie der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (VI) schuldig erkannt. Danach hat er zwischen Juli 2001 und Herbst 2004 in Kundl und Breitenbach am Inn in zahlreichen Einzelzugriffen

(I) zwischen August 2002 und 28. Dezember 2002 mit der am 29. Dezember 1988 geborenen, mithin unmündigen Johanna F***** zu wiederholten Malen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er der Genannten unter die Hose griff, seinen Finger in ihre Scheide mehrfach ein- und ausführte; (II) an nachstehenden unmündigen Mädchen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

1) indem er in mehreren Einzelzugriffen zwischen Juli 2001 und 28. Dezember 2002 die am 29. Dezember 1988 geborene, mithin unmündige Johanna F*****

a) im Bett liegend zu seinem nackten Körper zog und sie unter ihrem Nachthemd an den Brüsten betastete und diese massierte,

b) mit einem Seil an einer Reckstange fesselte, ihr das Leibchen hochzog, ihre nackten Brüste betastete und diese massierte;

2) indem er in mehreren Einzelzugriffen zwischen Juli 2001 und Herbst 2004 die am 22. März 1993 geborene, mithin unmündige Bernadette F***** im Bett liegend zu seinem nackten Körper zog, ihr unter der Hose an ihre Scheide griff und sie in ihrem Intimbereich streichelte; (III) durch die unter I und II geschilderten Tathandlungen Johanna F***** und Bernadette F***** - hinsichtlich ersterer auch nach dem 28. Dezember 2002 bis ca Herbst 2004 -, sohin minderjährige Personen, die seiner Aufsicht und Erziehung unterstanden, unter Ausnutzung seiner Stellung zur Unzucht missbraucht bzw mit diesen minderjährigen Personen unter Ausnützung seiner Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

  1. 1) zwischen Juli 2001 und 30. April 2004 (§ 212 Abs 1 StGB aF) und
  2. 2) zwischen 1. Mai 2004 und Herbst 2004 (§ 212 Abs 1 Z 2 StGB gF); (IV) durch die zu II 1 b geschilderten Tathandlungen Johanna F***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt, nämlich durch Fesselung ihrer Hände an einer Stange mittels eines Seiles, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar
  3. 1) zwischen Juli 2001 und 30. April 2004 (§ 202 Abs 1 StGB aF),
  4. 2) zwischen 1. Mai 2004 und Herbst 2004 (§ 202 Abs 1 StGB gF); (V) zwischen 1. Mai 2004 und 23. Juni 2005 sich pornographische Darstellungen von mündigen minderjährigen Personen (§ 207 a Abs 4 Z 3 a StGB) verschafft bzw solche besessen, indem er die Videokassette mit der Beschriftung „Original Gero-Video-Kopie", Filmtitel „Teensex Nr. 57", mit Bildmaterial genannten Inhalts von einem Unbekannten bezog und in seiner Wohnung aufbewahrte;

    (VI) zwischen Juli 2001 und Herbst 2004 dadurch, dass er in mehreren Einzelzugriffen Bernadette F***** mit einem Seil an eine Reckstange fesselte, ihr das Leibchen hochzog, sie im Brustbereich betastete und massierte, mit Gewalt zur Duldung dieser Handlungen genötigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der nur aus der Z 9 lit a in Ansehung der Anfechtung des Schuldspruches wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (III) Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Insoweit nämlich findet der Schuldspruch in den Urteilsannahmen keine ausreichende Deckung, fehlen doch eindeutige Feststellungen zum Bestehen eines Autoritätsverhältnisses des Angeklagten gegenüber den Tatopfern ebenso wie zur hier gleichermaßen relevanten Frage, ob der Angeklagte beim inkriminierten Tatverhalten seine Autorität - hinsichtlich des vom Schuldspruch IV wegen geschlechtlicher Nötigung umfassten Sachverhaltes als zusätzliches Mittel zur Gewalt (vgl Schick WK² § 201 Rz 50) - gegenüber den Tatopfern eingesetzt hat, damit diese die Missbrauchshandlungen geschehen lassen, und nicht bloß das sich ihm gebotene Gelegenheitsverhältnis ausgenützt hat (Schick aaO § 212 Rz 9), womit dem Schuldspruch III materielle Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet. Mit seinem weiteren Vorbringen ist der Beschwerdeführer hingegen nicht im Recht.

Der zum Schuldspruchfaktum V zum Beweis dafür, dass es sich bei den auf dem Video Original „Gero-Video-Kopie Teensex Nr. 57" abgebildeten Personen nicht um unmündige bzw mündige minderjährige Personen handle, gestellte Antrag auf Einholung eines „fachärztlichen Gutachtens unter Übermittlung des Videomaterials" (S 449) lässt unbegründet, weshalb ein Facharzt durch das Betrachten eines Filmes, der eine Person zeigt, ohne medizinische Untersuchung eine Altersbestimmung vornehmen können soll. Mangels Tauglichkeit des Beweisantrages begründet dessen Abweisung daher keinen Verfahrensmangel.

Entgegen der in der Mängelrüge bloß in Ansehung eines Feststellungsteiles vorgetragenen Kritik (Z 5 erster Fall) sind die Urteilsannahmen zu geschlechtlichen Handlungen des Angeklagten iSd § 207 Abs 1 StGB an Johanna F***** unabhängig von den dem Tatbild des § 206 Abs 1 StGB unterstellten Taten in ihrer Gesamtheit eindeutig (US 8 f). Davon abgesehen würden die in der Beschwerde nicht bemängelten Konstatierungen zu geschlechtlichen Handlungen des Angeklagten gegenüber der unmündigen Bernadette F***** dessen Verurteilung wegen des Verbrechens des Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Schuldspruch II; US 5) neben dem - durch das Unternehmen von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen an der unmündigen Johanna F***** verübten - Verbrechen des schweren Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (Schuldspruch I; US

4) für sich alleine tragen.

Ebenso wenig lässt die gleichermaßen als undeutlich im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes kritisierte Urteilspassage zum Schuldspruch V, wonach der Film vier „ganz offensichtlich" minderjährige Personen zeigt (US 11), Zweifel an der vom Schöffensenat insoweit als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen erkennen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt mit ihrer auf eine isolierte Betrachtung einzelner Aussageteile gestützten Argumentation gegen die (im Übrigen ohnedies eingehend erörterte: US 12 ff) Überzeugung des Schöffensenates von der Glaubwürdigkeit der Opfer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit schuldspruchrelevanter Konstatierungen.

In der den Schuldspruch V betreffenden Rechtsrüge (Z 9 lit b) fordert der Angeklagte einen „Freispruch gemäß dem Strafausschließungsgrund nach § 207a Abs 5 Z 2 StGB", ohne jedoch darzulegen, inwiefern aus der ausdrücklich nur auf pornographische Darstellungen einer mündigen minderjährigen Person nach Abs 4 Z 4 leg cit bezogenen Vorschrift des § 207a Abs 5 Z 2 StGB eine Straflosigkeit des hier aktuellen Besitzes von pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 4 Z 3 lit a StGB ableitbar sein soll.

Gleichermaßen verabsäumt es der Beschwerdeführer in der gegen die Unterstellung des Tatverhaltens unter das Tatbild des § 206 Abs 1 StGB im Schuldspruch I gerichteten Subsumtionsrüge (Z 10) mit allgemeinen Überlegungen zur Frage, ob durch Einführen eines Fingers in die Scheide eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorliege, dem Hinweis, dass Johanna F***** zum Tatzeitpunkt des dreizehnte Lebensjahr vollendet hatte, und der sonst substratlosen Behauptung, sein Verhalten laut dem Schuldspruch I wäre nach § 207 Abs 1 StGB zu subsumieren gewesen, prozessordnungskonform darzulegen, inwiefern dem Erstgericht bei der Beurteilung des konstatierten - die mehrfache intensive Penetration der Vagina eines dreizehnjährigen Mädchens mit Fingern umfassenden - Tatsachensubstrats (US 8 f) ein Rechtsirrtum unterlaufen sein soll. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil im Schuldspruch III und demgemäß im Strafausspruch aufzuheben und im Umfang der Aufhebung die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO). Im Übrigen war die Beschwerde teils als nicht gesetzesgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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