OGH 15Os51/06y

OGH15Os51/06y7.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S***** und einen anderen Angeklagten wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Josef S***** und Harald L*****, der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. September 2005, GZ 4 Hv 212/04t-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Harald L*****, seines Verteidigers Mag. Purr, des Verteidigers des Angeklagten Josef S*****, Dr. Cuber, sowie Dr. Vogt als Vertreter des Zollamtes Wien, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten S*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten werden verworfen. Hingegen wird den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde erster Instanz Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im freisprechenden Teil und demzufolge in den Sanktionsaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde erster Instanz auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josef S***** (zu I.) und Harald L***** (zu II.) jeweils (richtig:) der Finanzvergehen der vorsätzlichen Abgabenhehlerei „unter dem erschwerenden Umstand der Gewerbsmäßigkeit nach §§ 37 Abs 1 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG", Josef S***** teilweise als Bestimmungstäter gemäß § 11 zweiter Fall FinStrG, schuldig erkannt.

Demnach haben „in Graz und anderen Orten vorsätzlich bisher unbekannt gebliebene Täter eines im § 37 Abs 1 lit a FinStrG bezeichneten Finanzvergehens, welche in wiederholten Angriffen Schmuggel durch das vorsätzlich vorschriftswidrige Verbringen von eingangsabgabepflichtigen Waren, nämlich von zumindest 34 Millionen Stück (= 170.000 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings von Ungarn nach Österreich begangen hatten, nach der Tat dabei unterstützt, die Sachen, hinsichtlich welcher das Finanzvergehen begangen worden war, zu verheimlichen und zu verhandeln, wobei sie in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung) und zwar:

I. Josef S***** allein

1. im April 2000, indem er drei Transportfahrten zu je 2 Millionen Stück (= 10.000 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings, welche zuvor von Ungarn nach Österreich geschmuggelt worden waren, von Österreich nach England durchführte, und

2. im Juni bis August 2000, indem er den abgesondert verfolgten Karl-Heinz R***** bestimmte, in sieben Fahrten jeweils 4 Millionen Stück (= 20.000 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings, welche zuvor von Ungarn nach Österreich geschmuggelt worden waren, von Deutschland nach England zu transportieren und Harald L***** zu den zu II. geschilderten Tathandlungen bestimmte;

II. Harald L***** zwischen Ende Juni 2000 und Dezember 2000, indem er die Erlöse aus dem Verkauf der zu I. 2. genannten 28 Millionen Stück Zigaretten im Wert von 4,476.646,58 Euro in Deutschland übernahm und nach Österreich transportierte und Teile der Erlöse von Österreich zum Umwechseln nach England und wieder zurück verbrachte."

Hingegen wurden Josef S***** und Harald L***** von der weiter wider sie erhobenen Anklage, sie hätten im bewussten und gewollten Zusammenwirken im Juni 2000 in Graz und anderen Orten vorsätzlich bisher unbekannt gebliebene Täter eines im § 37 Abs 1 lit a FinStrG bezeichneten Finanzvergehens, welche in wiederholten Angriffen Schmuggel durch das vorsätzliche vorschriftswidrige Verbringen von eingangsabgabepflichtigen Waren, nämlich von zumindest 42 Millionen Stück (= 210.000 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings von Ungarn nach Österreich begangen hatten, nach der Tat dabei unterstützt, die Sachen, hinsichtlich welcher das Finanzvergehen begangen worden war, zu verheimlichen und zu verhandeln, wobei sie in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung), indem sie vier Transporte zu je 2 Millionen Stück (= 10.000 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings, welche zuvor von Ungarn nach Österreich geschmuggelt worden waren, von Österreich nach England durchführten, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Josef S***** und Harald L***** aus Z 5 und 9 lit a, letzterer auch aus Z 4, sowie die Staatsanwaltschaft aus Z 5 und das Zollamt Wien aus Z 5, 7 und 11 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef S*****:

Der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider besteht kein Widerspruch zwischen der Feststellung, der Angeklagte lernte „Mitte des Jahres 2000" Peter H***** kennen, welcher ihn fragte, ob er bereit sei, Zigarettentransporte von Österreich bzw Deutschland aus nach England durchzuführen, und der im Anschluss daran getroffenen Konstatierung, dass der Angeklagte zustimmte und im April 2000 bei drei Fahrten Zigaretten, von denen er wusste, dass sie von Ungarn nach Österreich geschmuggelt worden waren, nach England brachte (US 8). Keine Rede kann entgegen der Beschwerde davon sein, dass sich die Tatrichter über erhebliche Ergebnisse der Hauptverhandlung hinweggesetzt hätten (Z 5 zweiter Fall). Die Aussagen zur Auslastung der vom Beschwerdeführer gelenkten LKW (va S 99/II) stehen den Urteilsannahmen keineswegs entgegen (vgl dazu S 83, 103/II; US 14). Weshalb tatbestandsmäßiges Verhalten nur dann angenommen werden solle, wenn die Tattage genau feststehen und nähere Konstatierungen zu Type, Kennzeichen und Farbe des Schmuggelfahrzeuges vorliegen, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz ab.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald L*****:

Der Antrag auf Vernehmung eines Steuerberaters als Zeuge zum Beweis dafür, dass Josef S***** im Jahr 2002 eine Firma in Österreich gründete und „bereits Erlöse aus seiner Geschäftstätigkeit im Jahr 2000" erzielte (S 47/II), ließ nicht erkennen, aus welchen - nicht von selbst einsichtigen - Gründen die beantragte Beweisaufnahme ein für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsames Ergebnis gewinnen ließe (Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 18 mwN, 37; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330).

Die Mängelrüge (Z 5) verfehlt eine am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) orientierte Ausführung, soweit pauschal eingewendet wird, die Tatrichter hätten sich „nicht mit den Beweisergebnissen ausführlich auseinandergesetzt".

Ohne Bezug zum Schuldspruch wird der Bericht des „Foreign and Commonwealth Office" vom 13. Mai 2002 als übergangen angeführt (S 143 f/I).

Nicht erörterungsbedürftig war die Beurteilung des Beschwerdeführers durch den Zeugen Karl R***** als „Laufbursche" des Angeklagten Josef S*****, dem die Taschen in Köln verschlossen übergeben wurden. Weshalb die Identität der Täter, welche die Schmuggelfahrten durchführten, und nähere Einzelheiten der Transporte für den Schuldspruch des Angeklagten maßgeblich sein soll, unterlässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus dem Gesetz darzulegen, wobei sie überdies Urteilspassagen übergeht (s va US 9 f).

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Wien:

Zu Recht wenden sich diese Beschwerden gegen die Freisprüche der Angeklagten, weil die Beweiswürdigung unvollständig geblieben ist (Z 5 zweiter Fall).

Die Tatrichter ließen insoweit unerörtert, dass den von der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde im Einzelnen zitierten Aussagen des Zeugen H***** zufolge Transporte trotz damals verstärkter Grenzkontrollen durchaus vorgenommen wurden. Unerörtert blieb auch die in der Beschwerde der Staatsanwaltschaft bezeichnete Aussage des Zeugen Lojos M*****, wonach der Angeklagte Josef S***** während mehrerer Monate persönlich Zigarettentransporte durchführte.

Ein Eingehen auf den von der Finanzstrafbehörde herangezogenen Nichtigkeitsgrund nach Z 7 ist angesichts der mittlerweile erfolgten Urteilsangleichung entbehrlich.

Somit erwies sich die Aufhebung der Freisprüche und demzufolge der Sanktionsaussprüche und die Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung als geboten.

Eines Eingehens auf die Strafzumessungsrüge (Z 11) der Finanzstrafbehörde bedurfte es demnach nicht.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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