OGH 6Ob189/06x

OGH6Ob189/06x31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Mohammad Maqsood K*****, vertreten durch Ortner Rechtsanwalts KEG in Gmunden, gegen die Antragsgegnerin Roheena K*****, wegen Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über die Ehescheidung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 24. Mai 2006, GZ 21 R 169/06m-30, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Gmunden vom 23. Dezember 2005, GZ 1 Nc 154/04a-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag auf Anerkennung des Divorce Certificate des Reconciliation Council von Jhelum, Pakistan, nicht zurück-, sondern abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin am 1. 1. 1974 in Pakistan geheiratet. Seit zumindest 27. 11. 2002 sind der Antragsteller und die Antragsgegnerin österreichische Staatsbürger.

Der Antragsteller begehrt die Anerkennung einer in Pakistan vollzogenen Ehescheidung mit der Begründung, auf Grund der unheilbaren Zerrüttung der Ehe hätten die Parteien am 5. 3. 2004 einen Antrag auf einvernehmliche Scheidung beim zuständigen Gerichtshof in Jhelum (Pakistan) eingebracht. Mit Scheidungstermin vom 5. 6. 2004 sei die Entscheidung rechtskräftig erklärt worden. Die Antragsgegnerin habe zu diesem Zeitpunkt in Pakistan gewohnt. Über Aufforderung des Erstgerichtes verbesserte der Antragsteller seinen Antrag und brachte vor, der gewöhnliche Aufenthalt beider Parteien während des Scheidungsverfahrens sei in Pakistan gewesen. Beide seien während des Scheidungsverfahrens österreichische Staatsbürger gewesen, der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten sei in G***** bei Gmunden gewesen. Die Antragsgegnerin sei am Scheidungsverfahren beteiligt gewesen und habe das diesbezügliche verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt bekommen. Die Antragsgegnerin sei mit der Ehescheidung offenkundig einverstanden gewesen, was sich insbesondere aus ihrer Abmeldung von der ehemals gemeinsamen Wohnung in G***** ergebe.

Die vorgelegte englischsprachige Entscheidung hat folgenden Wortlaut:

„OFFICE OF THE UNION COUNCIL NO. 8. JHELUM-VII.

(DISTRICT GOVERNMENT JHELUM)

AFFECTED DIVORCE CERTIFICATE

Under section 7 (3) Muslim Family Laws Ordinance 1961 It is certified that Mr. Mohammad Maqsood K***** S/O Mohammad Akram K***** Jhelum, had Divorced and issued Notice on 05-03-2004 in the name of Mst. Roheena k***** alias K***** Roheena D/o Mohammad Nawaz K***** R/o M***** Jhelum Through Arbitration Council on 05-03-2004 as the Re-Conciliation of parties Failed therefore, the Divorce was declared and effective from 05-06-2004. Now the both parties are at liberty to contract second marriage where ever they Wish. According to Muslim Family Law ordinance 1961 Section 7, the divorce has Been affected/completed."

Weiters lag dem Antrag eine von Sunny Computer Concern, einem Übersetzer für alle Sprachen in Islamabad, Pakistan, angefertigte Übersetzung mit folgendem Wortlaut bei:

„ Übersetzung ab Englisch bis Deutsch Gelesen as

BÜRO VON DER GEWERKSCHAFT RAT NUMERIERE 8, JHELUM - VII

(Bezirk Regierung Jhelum)

BETROFFENE SCHEIDUNG BESCHEINIGUNG

Unter Abschnitt 7 (3) Muslimisch Familie Gesetze Verordnung 1961

Es wird bescheinigt, dass Herr Mohammad Mqasood K***** Sohn von Mohammad Akram K*****, Wohnhaft ***** Bezirk Jhelum, geschieden hatte, und hatte Notiz auf 05-03-2004 im Namen von Frau Roheena K***** Deckname K***** Roheena Tochter von Mohammad Nawaz K*****, Wohnhaft *****, Jhelum, Durch Schiedsgerichtsverfahrenrat auf 05-03-2004 als hat die Versöhnung der Parteien daher versagt, wurde die Scheidung und effektiv von 05-06-2004 erklärt.

Jetzt sind beide Parteien an Freiheit, zweite Ehe wohin auch immer sie zu verkürzen, wünschen.

Dementsprechend zu Muslimisch Familie Gesetz Verordnung der Abschnitt 7 von 1961, ist die Scheidung/ vollendet beeinflußt worden."

Das Erstgericht wies den Antrag auf Anerkennung der Entscheidung zurück. Bei der vorgelegten Scheidungsurkunde handle es sich nur um die Dokumentation einer Privatscheidung nach islamischem Recht. Nach sec 7 der Verordnung für das Familienrecht der Moslems 1961 werde die Scheidung auch bei Scheitern eines Versöhnungsversuches nicht kraft einer Entscheidung wirksam, sondern von selbst nach den allgemeinen Regeln des Sharia-Rechts durch Zeitablauf. Im Übrigen seien die pakistanischen Behörden bei Anwendung österreichischen Rechtes international nicht zuständig (§ 228a Abs 2 Z 4 AußStrG 1954). Nach § 20 iVm § 18 IPRG wäre österreichisches Recht anzuwenden, welches wiederum eine gerichtliche Ehescheidung erfordere.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf den vorliegenden Fall sei bereits das Außerstreitgesetz 2003 anzuwenden. Daraus sei aber für den Rekurswerber nichts zu gewinnen, weil die Gründe, wann die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe zu versagen sei, mit den Verweigerungsgründen des § 228a AußStrG 1954 übereinstimmten (7 Ob 61/05d).

Mit § 228a Abs 1 AußStrG 1854 idF KindRÄG 2001 sei die sachliche Zuständigkeit für die Anerkennung ausländischer eheauflösender oder ehetrennender Entscheidungen vom Bundesministerium für Justiz auf die Bezirksgerichte verlagert worden. Der Begriff der „Entscheidung" sei weit verstanden und die Auffassung vertreten worden, dass die gerichtliche Anerkennung auch möglich sei, wenn die Scheidung zwar nicht auf einer Entscheidung im engeren Sinn beruhe, eine Behörde aber am Zustandekommen mitgewirkt habe, etwa wenn bei einer einvernehmlichen Scheidung der Scheidungswille beim Standesamt registriert werde. Anderes sollte nach dem Willen des Gesetzgebers bei reinen Privatscheidungen gelten, deren Wirksamkeit nach österreichischem Kollisionsrecht in jedem Fall nur vorfrageweise zu beurteilen sei (unter Berufung auf Neumayr in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht § 228a AußStrG Rz 4; Fucik/Kloiber, AußStrG 325 f; Feil/Marent, AußStrG § 97 Rz 3 f). Als „Entscheidung" gälten demnach nicht nur Rechtsgestaltungsentscheidungen, sondern auch Feststellungsentscheidungen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe (unter Berufung auf Neumayr aaO Rz 5). Wesentlich sei aber, dass sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung des § 228a AußStrG 1854 und jener des § 97 AußStrG 2003 an der vergleichbaren Bestimmung des § 328 dZPO orientiert und in § 228a Abs 2 AußStrG 1854 bzw § 97 Abs 2 AußStrG 2003 weitestgehend die in § 328 dZPO enthaltenen Verweigerungsgründe der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über die Ehescheidung normiert habe (unter Berufung auf Fucik/Kloiber AußStrG 326 sowie Anzinger/Burgstaller in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, Kapitel 4, Ehesachen Rz 4 Pkt 8).

Zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland werde zu § 328 dZPO und zu Art 7 § 1 dFamRÄndG ebenfalls die Ansicht vertreten, dass der Begriff „Entscheidung" weit zu verstehen ist und eine förmliche Anerkennung auch dann möglich sei, wenn eine ausländische staatliche Stelle in irgendeiner Weise, zB durch Registrierung, an der Ehescheidung mitgewirkt hat. Liege jedoch keine „Entscheidung" vor, könne die Anerkennungsfrage nur im jeweiligen Verfahren als Vorfrage (inzident) geprüft werden. Dies treffe insbesondere auf Privatscheidungen im Ausland (durch Konsens oder Verstoßung) zu, welche also rein materiell-rechtlich einzuordnen seien (BayOLG FamRZ 2003, 381; BGH FamRZ 1994, 434; Heldrich in Palandt, BGB65 Art 17 EGBGB Rz 35 f; Winkler von Mohrenfels in MünchKomm BGB3, Art 17 EGBGB Rz 274 und 286).

Teilweise werde in Deutschland vertreten, dass es ausreiche, wenn eine Behörde in irgendeiner Form an der Scheidung mitgewirkt habe, zB bei einem Sühneversuch oder bei der Registrierung (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO § 328 Rz 54; Heldrich aaO Rz 36; BGH FamRZ 1990, 607 = BGHZ 110, 267, 270; Winkler von Mohrenfels aaO Rz 273). Nach anderer Auffassung sei als Entscheidung demgegenüber nur der Akt anzusehen, dem nach der ausländischen Rechtsordnung die Herbeiführung der Scheidung bzw Eheaufhebung zukomme (vgl Hartmann aaO Rz 54 mwN). Jedenfalls bestehe Übereinstimmung darüber, dass die Mitwirkung eines Gerichtes an dem anzuerkennenden Akt nicht zwangsläufig zu einer anerkennungsfähigen Entscheidung im Sinne des § 328 dZPO führe. Entscheidend sei vielmehr die Funktion, in der Gericht tätig geworden sei. Werde die Statusänderung durch Rechtsgeschäft eines Ehepartners oder beider Ehepartner konstitutiv herbeigeführt, liege eine Privatscheidung vor, auch wenn die entsprechende Erklärung vor einem Gericht abgegeben wurde (unter Berufung auf BayOLG FamRZ 2003, 381 mwN). Solche „Privatscheidungen" seien als privatrechtlicher Vorgang zu qualifizieren und unterlägen dem - nach den Normen des deutschen internationalen Privatrechts zu ermittelnden - Ehescheidungsstatut. Im vorliegenden Fall liege eine Privatscheidung vor. Nach sec 7 des Muslim Family Laws Ordinance (MFLO) stehe dem muslimisch pakistanischen Ehemann das einseitige Recht zu, die Ehefrau jederzeit ohne Gründe zu verstoßen, während letztere diese Möglichkeit nur dann habe, wenn sie vom Ehemann im Ehevertrag hiezu ausdrücklich ermächtigt worden sei. Die Verstoßung (talaq) werde nicht eher wirksam, bevor nicht der Vorsitzende des zuständigen Schiedsgerichtes und die Ehefrau mittels Kopie hievon schriftlich benachrichtigt worden seien und ein anschließender Zeitraum von 19 Tagen verstrichen sei, innerhalb dessen ein Versöhnungsversuch unternommen werden müsse. Die Verstoßung sei nach der Rechtsprechung in Pakistan aber auch ohne Einhaltung des in der MFLO vorgesehenen Verfahrens wirksam (Weißhaupt in Bergmann/Ferid/Heldrich, Internationales Ehe- und KindRÄG, Länderteil Pakistan S 49 f). Nichts anderes könne für sec 7 des muslimischen Familienrechtsdekretes 1961 gelten, welches mit sec 7 MFLO inhaltsgleich sei. Auch wenn hier das Verstoßungsrecht des Ehemannes dadurch eingeschränkt worden sei, dass die Verstoßung vor einem Gericht ausgesprochen werden müsse und die Auflösung der Ehe durch Verstoßung (talaq) widerruflich sei, der Mann also innerhalb der „idda-Zeit" (drei Monate) seine Ehefrau wieder aufnehmen kann, ohne einen neuen Ehevertrag schließen zu müssen, werde nach Ablauf der idda-Zeit das Eheband, wenn kein Widerruf erfolgte, gelöst. Damit sei davon auszugehen, dass der eigentliche Akt, der die Ehescheidung herbeiführe, der Ausspruch der Verstoßung (talaq) durch den Antragsteller sei.

Die Einordnung der Ehescheidung durch Verstoßung führe aber nicht nur dazu, dass hiefür das Verfahren nach § 97 AußStrG 2003 nicht vorgesehen sei, weil es sich nicht um eine „Entscheidung", sondern um ein Rechtsgeschäft handle, sondern auch dazu, dass selbst bei Zuständigkeit des Erstgerichtes zur Entscheidung über den Antrag diesem materiell-rechtlich kein Erfolg zukommen könne. Nach deutscher Rechtsprechung und Lehre stehe bei Anwendbarkeit deutschen Sachrechtes der Anerkennung einer ausländischen Privatscheidung die Bestimmung des § 1564 BGB entgegen, wonach eine Ehe nur durch gerichtliches Urteil geschieden werden könne. Die Scheidung könne also nur in einem Gerichtsverfahren erfolgen, womit die Privatscheidung ausgeschlossen sei (Brudermüller in Palandt, BGB65 § 1564 Rz 1 mwN). Dies gelte auch für österreichisches Recht. Im vorliegenden Fall sei nach § 18 Abs 1 Z 1 iVm § 20 Abs 1 IPRG österreichisches Sachrecht anzuwenden, weil die Parteien im Zeitpunkt des Scheidungsverfahrens österreichische Staatsbürger waren (SZ 61/108; RIS-Justiz RS0076848; Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 1 IPRG Rz 5, § 18 IPRG Rz 4 und § 20 IPRG Rz 8). Auch in Österreich könne die gerichtliche Auflösung der Ehe nur durch Urteil oder Beschluss des Gerichtes erfolgen (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 46 EheG Rz 1 und 3; Schwimann/Weizenböck in Schwimann, ABGB3 § 55a EheG Rz 1 und 31). Auch in Österreich bestehe somit ein „gerichtliches Scheidungsmonopol", womit ausländische Privatscheidungen nur dann wirksam sein könnten, wenn sie gemäß dem von § 20 IPRG berufenen Recht erfolgten und nicht dem ordre public widersprechen (Verschraegen aaO § 20 IPRG Rz 1). Weil das österreichische Recht eine Scheidung durch Rechtsgeschäft nicht kenne, sei die im Pakistan in Form des talaq ausgesprochene Ehescheidung unwirksam, womit das Erstgericht auch zutreffend davon ausgegangen sei, dass der Antrag bei materiell-rechtlicher Behandlung abzuweisen sei. Bei dieser Rechtslage stelle sich nicht mehr die Frage, ob die Ehescheidung durch einseitige Erklärung (Verstoßung) des Ehemann dem ordre public widerspreche (so Neumayr aaO Rz 9; Verschraegen aaO vor § 1 IPRG Rz 74 und § 6 IPRG Rz 4 mwN; Heldrich aaO Rz 3; Anzinger/Burgstaller aaO Rz 4 Pkt 23). Ordre public - widrig wäre die Scheidung nur dann nicht, wenn bei Anwendung ausländischen Sachrechtes die Antragsgegnerin mit der Scheidung einverstanden gewesen wäre oder wenn das ausländische Recht dem Mann keine leichteren Voraussetzungen für die Ehescheidung gestattet als der Frau (Winkler von Mohrenfels aaO Rz 99 und Rz 286). Der Auszug aus der Ehewohnung allein lasse jedenfalls noch nicht auf eine Zustimmung zur Auflösung der Ehe schließen.

Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil auszuschließen sei, dass eine Mehrzahl gleichgelagerter Sachverhalte an die Gerichte herangetragen werde und dem Höchstgericht auch keine Leitfunktion zur Auslegung pakistanischen Rechtes zukommt.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Auslegung pakistanischen Rechtes, wo dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zukommt (vgl Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 48 ff), sondern die Auslegung des innerstaatlichen Begriffes der anerkennungsfähigen „Entscheidung" im Sinne des § 97 AußStrG. Im Hinblick auf die wachsende Anzahl moslemischer Einwohner in Österreich handelt es sich bei der Frage, ob die eine Verstoßung nach islamischem Recht beurkundende Gerichtsentscheidung eine „Entscheidung" im Sinne des § 97 AußStrG 2003 ist, um eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 82 Abs 1 AußStrG.

Der Revisionsrekurs ist daher zulässig; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat den Meinungsstand von Lehre und Rechtsprechung zur Anerkennung einseitiger Eheauflösungserklärungen nach mohammedanischem Recht eingehend wiedergegeben; auf diese Ausführungen kann verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG; vgl ergänzend Rauscher, Talaq und deutscher ordre public, IPRax 2000, 391; Unberath, Scheidung durch talaq vor einem deutschen Gericht und Recht auf rechtliches Gehör, IPRax 2004, 515; Odendahl, Zum Scheidungs-IPR der in Deutschland lebenden Migranten aus der Türkei, IPRax 2005, 320; OLG Stuttgart IPRax 2000, 427; KG Berlin IPRax 2000, 126; OLG Köln IPRax 2003, 358).

Auch vor dem KindRÄG 2001 wurde der Begriff der „Entscheidung" nach dem damals anzuwendenden § 24 der 4. DVEheG weit verstanden. In diesem Sinne hat etwa das BMJ in der Entscheidung ZfRV 1999, 193 zu einer Verstoßung nach pakistanischem moslemischem Recht die Ansicht vertreten, dass das Schiedsgericht zwar nur eine gewisse registrierende und ordnende Funktion habe. Nach dem Zweck des § 24 der 4. DVEheG, durch die zentrale Feststellungskompetenz des BMJ Rechtssicherheit auch oder gerade in Fällen zu schaffen, in denen der Vorgang der Scheidung im Ausland mit unserem System und Verfahren nicht übereinstimmt, sei der Begriff „Entscheidung" weit auszulegen. Die Feststellungskompetenz des BMJ sei daher auch gegeben, wenn ausländische Behörden in Ehesachen registrierend, ordnend oder sonst tätig werden, also auch, wenn ein Versöhnungsverfahren dem Wirksamwerden der Scheidung durch Privatrechtsakt vorgeschaltet ist (unter Berufung auf Edlbacher, ÖStA 1969, 238).

Auch der Verwaltungsgerichtshof (84/12/0024 = IPRE 2/243 = ÖStA 1985,

69) erblickte in der einseitigen Verstoßung der Ehefrau durch einen in Kuwait lebenden Jordanier eine „Entscheidung" im Sinne des § 24 Abs 1 der 4. DVEheG. Diese Entscheidung betraf allerdings einen Fall, in dem die Verstoßung vor dem kuwaitischen Gericht erklärt worden war, wobei die Ehefrau allerdings von der Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kenntnis hatte.

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 228a AußStrG 1854 durch das KindRÄG nicht von diesen Grundsätzen abgehen. Vielmehr halten die Gesetzesmaterialien ausdrücklich fest, dass wegen der oft sehr unterschiedlichen Verfahrensrechte, nach denen im Ausland über die Auflösung von Ehen befunden wird, der Begriff „Entscheidung" weit zu verstehen sei. Die gerichtliche Anerkennung sei auch möglich (und zugleich erforderlich), wenn die Scheidung zwar nicht auf einer Entscheidung im engeren Sinn beruht, eine Behörde aber am Zustandekommen mitgewirkt hat. So werde etwa eine einvernehmliche Scheidung, die durch Registrierung des Scheidungswillens beim Standesamt erfolgt, nach § 228a AußStrG 1854 anerkannt werden müssen. Anderes würde nur bei reinen Privatscheidungen gelten, deren Wirksamkeit nach österreichischem Kollisionsrecht in jedem Fall vorfrageweise zu beurteilen sei (ErläutRV KindRÄG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 325 f). Die Neuregelung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe durch das AußStrG 2003 bezweckte keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage (vgl die ErlRV AußStrG 2003, abgedruckt bei Fucik/Kloiber AußStrG 325).

Auch für die Rechtslage nach dem AußStrG 2003 ist daher davon auszugehen, dass der Begriff der „Entscheidung" im Sinne des § 97 AußStrG weit auszulegen ist und nicht auf konstitutive Entscheidungen einer ausländischen Behörde über die Auflösung bzw den Bestand einer Ehe einzuschränken ist. Vielmehr reicht aus, dass das Gericht an der Ehescheidung - wenngleich nur durch Abhaltung eines Schlichtungsverfahrens oder durch Registrierung der Scheidung - mitgewirkt hat.

Diese Auslegung wird im vorliegenden Fall noch durch die Textierung der anzuerkennenden Entscheidung des pakistanischen Gerichtes gestützt. Demnach wurde nämlich die Scheidung „ausgesprochen" („the Divorce is declared"). Damit nimmt die Entscheidung aber nach ihrem Wortlaut jedenfalls für sich in Anspruch, konstitutiv die Scheidung herbeigeführt zu haben. Eine Nachprüfung dieser Entscheidung dahingehend, ob ihr diese Wirkung nach pakistanischem Recht tatsächlich zukommt, im Sinne der von den Vorinstanzen angestellten Überlegungen kommt dem Gericht im Anerkennungsverfahren auf Ebene der Prüfung des Vorliegens einer anerkennungsfähigen Entscheidung im Sinne des § 97 AußStrG 2003 aber nicht zu.

Daraus ist für den Rechtsstandpunkt des Revisionsrekurswerbers jedoch nichts zu gewinnen, weil die Vorinstanzen den Antrag auch sachlich geprüft haben und mit eingehender Begründung die Anerkennungsfähigkeit der vorgelegten Entscheidung zutreffend verneint haben. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Rekursgerichtes kann gleichfalls verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG). Demnach kann nach dem hier gemäß § 18 Abs 1 Z 1, § 20 IPRG anzuwendenden österreichischen Sachrechtes eine Ehe nur durch Entscheidung eines Gerichtes geschieden werden, sodass ausländische Privatscheidungen nicht wirksam sind. Anderes würde nur dann gelten, wenn nach dem von § 20 IPRG berufenen Recht eine derartige Privatscheidung vorgesehen ist und diese überdies nicht dem inländischen ordre public widerspricht (Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 20 IPRG Rz 1).

Der Vollständigkeit halber ist zudem darauf zu verweisen, dass nach einhelliger Auffassung die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann nach islamischem Recht (talaq) dem inländischen ordre public widerspricht (Neumayr in Burgstaller/Neumayr § 228 AußStrG Rz 9; Verschraegen in Rummel, ABGB3 vor § 1 IPRG Rz 74 und § 6 IPRG Rz 4; Heldrich in Palandt, BGB65 Rz 3; Anzinger/Burgstaller in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, Kapitel 4, Ehesachen Rz 4 Pkt 23; BMJ ZfRV 1999, 193 [zu pakistanischem Recht]; VwGH 84/12/0024 = ÖStA 1985, 69 [kuwaitisches Recht]; zur deutschen Rechtslage vgl zusätzlich zu den bereits vom Rekursgericht angeführten Belegstellen Rauscher, Talaq und deutscher ordre public, IPRax 2000, 391).

Damit besteht aber - wie die Vorinstanzen völlig zutreffend erkannten - für eine Anerkennung der pakistanischen Entscheidung kein Raum, ohne dass noch auf das Anerkennungshindernis nach § 97 Abs 2 Z 4 AußStrG eingegangen werden müsste (vgl dazu Neumayr in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht § 185 e AußStrG Rz 10 mwN).

Auch bedurfte es keines Eingehens auf die Frage, ob die - offenbar mit Hilfe eines Computerprogrammes ohne jede inhaltliche Prüfung erstellte - „Übersetzung" der pakistanischen Entscheidung überhaupt Grundlage einer positiven Anerkennungsentscheidung bilden könnte. Die evidenten Mängel der - nur eine knappe 3/4-Seite umfassenden - Übersetzung reichen von der Bezeichnung des pakistanischen Gerichtes als „Gewerkschaftsgericht" über die grammatische Verstümmelung des eigentlichen Inhaltes der Bescheinigung des Gerichtes bis zur sinnstörenden Entstellung des englischen Originals im zweiten Absatz („jetzt sind beide Parteien an Freiheit, zweite Ehe wohin auch immer sie zu verkürzen [womit offenbar „contract" wiedergegeben werden sollte], wünschen"). Im vorliegenden Fall war nur deshalb von der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens durch Vorlage einer entsprechenden beglaubigten Übersetzung durch einen inländischen Übersetzer Abstand zu nehmen, weil sich die fehlende Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung auch aus den vorgelegten (mangelhaften) Unterlagen ergibt.

Im Ergebnis erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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