OGH 13Os74/06s

OGH13Os74/06s23.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich L***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Heinrich L***** und Martin W***** gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 23. Februar 2006, GZ 27 Hv 8/06x-47, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung der Verteidiger (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinrich L***** und aus Anlass derselben (§ 290 Abs 1 StPO) werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Wahrsprüchen zu den Hauptfragen 1 und 2 im Umfang, dass die Gewaltwendung eine schwere Körperverletzung der Karin B*****, nämlich eine Prellung des linken Knies mit einer Schwellung und oberflächlichen Hautabschürfung sowie eine Schulterprellung links mit einem Teileinriss der Sehne des Muskels zur Folge hatte, sowie in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch genannten Straftat unter § 143 dritter Fall StGB, demgemäß die beide Angeklagten betreffenden Strafaussprüche einschließlich der Vorhaftanrechnung beim Angeklagten Heinrich L***** sowie der Martin W***** betreffende Beschluss nach §§ 50, 52 StGB aufgehoben und die Sache insoweit zur neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Jugendgeschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck verwiesen. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten Heinrich L***** und Martin W***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochten - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurden Heinrich L***** und Martin W***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 2. August 2005 in Innsbruck im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter der Karin B***** mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche mit 2 Euro Bargeld und diversem Inhalt mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Martin W***** an ihrer Handtasche riss, Heinrich L***** oder Martin W***** ihr einen Schlag gegen die linke Schulter versetzte, Heinrich L***** ihr sodann die Handtasche entriss und Martin W***** diese an sich nahm, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung der Karin B*****, nämlich eine Prellung des linken Knies mit einer Schwellung und oberflächlichen Hautabschürfung sowie eine Schulterprellung links mit einem Teileinriss der Sehne des Muskels zur Folge hatte. Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte L***** mit einer auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 10a und 12 StPO und Martin W***** mit einer auf § 345 Abs 1 Z 10a und 11a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, von denen lediglich der des Erstangeklagten teilweise Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Instruktionsrüge (Z 8) des Angeklagten L***** zeigt zu Recht eine unrichtige Rechtsbelehrung in Bezug auf das Qualifikationsmerkmal einer schweren Körperverletzung iSd § 143 dritter Fall StGB auf. Diese beschränkt sich nämlich auf die Erläuterung, dass ein schwerer Raub vorliegt, wenn „es zu körperlichen Beschädigungen des Angegriffenen kommt. Leichte körperliche Beschädigungen des Angegriffenen werden vom Raub konsumiert. Schwere Körperverletzungen

... machen aus einem Raub einen schweren Raub, sofern dies Folgen der Gewaltanwendung waren. ... Die schwere Folge muss dem Täter objektiv

und subjektiv (vgl § 7 Abs 2 StGB) zuzurechnen sein." Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass diese oberflächliche, kursorische und daher unvollständige Instruktion nicht geeignet ist, das Qualifikationsmerkmal einer schweren Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB, insbesondere die fallbezogen (vgl S 231/I) allenfalls in Frage kommende Variante einer mehr als 24 Tage andauernden Gesundheitsschädigung näher zu erläutern. Im Hinblick darauf, dass die Folgen unter anderem auch darauf zurückzuführen sind, dass beim Raubopfer bereits degenerative Gelenksveränderungen bestanden hatten (S 231/I), wäre es überdies geboten gewesen, Belehrungen zur objektiven Zurechnung des Erfolges zu bringen.

Dieser Fehler wirkt sich auch zum Nachteil des eine unrichtige Rechtsbelehrung nicht geltend machenden Zweitangeklagten Martin W***** aus, sodass dieser Nichtigkeitsgrund von Amts wegen zu seinen Gunsten wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 StPO).

Der Mangel macht es notwendig, die Wahrsprüche zu den Hauptfragen 1 und 2 im Umfang der dort dargestellten Körperverletzungsfolgen bei Karin B***** und demgemäß die rechtliche Unterstellung der Straftat unter § 143 dritter Fall StGB, damit auch die Strafaussprüche einschließlich der Vorhaftanrechnung bei Heinrich L***** und den Martin W***** betreffenden Beschluss nach §§ 50, 52 StGB aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck zu verweisen (§§ 285e, 344 StPO).

Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers L***** betreffend das Qualifikationselement der schweren Körperverletzung auch in der Fragenrüge (Z 6) und in der Subsumtionsrüge (Z 12) war daher nicht mehr weiter einzugehen.

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden aber als unzulässig zurückzuweisen:

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinrich L*****:

In der Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung des Antrags auf Einvernahme der Zeugin Bernadette F***** und Ergänzung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu von Heinrich L***** in der früheren Kindheit durchlebten schweren traumatischen Erlebnissen, die eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Dispositions- und Diskretionsfähigkeit bewirkt hätten (S 105/II). Der Nichtigkeitswerber wurde durch die Abweisung dieses Beweisantrages in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt, betrifft doch das Beweisthema einer bloß eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit keine schulderhebliche Tatsache. Auf die erst in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zu einer gänzlichen Ausschaltung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit war nicht mehr weiter einzugehen, weil die Berechtigung des Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Das Vorbringen in der Fragenrüge (Z 6), wonach eine Eventualfrage nach Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) zu stellen gewesen wäre, bezieht sich auf Verfahrensergebnisse, die lediglich eine der mehreren Gewalthandlungen im Zuge des Vorgehens gegen Karin B***** betreffen, ohne darzulegen, weshalb eine solche isolierte, das Gesamtgeschehen ausblendende Betrachtung rechtlich relevant wäre. Im Übrigen lässt sich der Beschwerde zuwider aus einer fehlenden aktiven Beteiligung an einer von mehreren Gewalttätigkeiten keine alleinige unmittelbare Täterschaft des Martin W***** und demgemäß keine bloße Beitragstäterschaft des Rechtsmittelwerbers ableiten, zumal nach dem Wahrspruch der Geschworenen dem Entreißen der Handtasche bereits Gewaltakte vorausgingen und die Abnahme der Tasche arbeitsteilig erfolgte, sodass schon die abgesprochene Mitwirkung an einer dieser Handlungen Mittäterschaft begründet (vgl Kienapfel/Höpfel AT11 E 3 Rz 5; 13 Os 24/05m; 12 Os 1/03, JBl 2003, 668).

Gleiches gilt für das ebenso nur auf Beweisergebnisse zu einem ausschließlich durch den Zweitangeklagten erfolgten Entreißen der Handtasche abstellende Begehren nach einer Eventualfrage wegen Hehlerei.

In der Tatsachenrüge (Z 10a) versucht der Beschwerdeführer lediglich unter neuerlicher Hervorhebung einer (von mehreren) Tathandlung (Reißen an der Handtasche) Bedenken gegen eine Mittäterschaft des Angeklagten am Raub aufzuzeigen, übergeht aber dabei die Verfahrensergebnisse, welche zum einen auf mehrere Gewaltakte Bezug nehmen und zum anderen ein arbeitsteiliges Vorgehen beschreiben. Solcherart vermag der Nichtigkeitswerber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martin W*****:

In der Tatsachenrüge (Z 10a) hebt der Beschwerdeführer lediglich seine leugnende Verantwortung hervor, ohne damit aber sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

In der Rechtsrüge (Z 11 lit a) behauptet der Beschwerdeführer ein fehlendes Tatsachensubstrat dahingehend, dass Martin W***** den Raub mit Heinrich L***** verabredet habe. Er übergeht dabei das im Wahrspruch festgestellte bewusste und gewollte Zusammenwirken als Mittäter. Inhaltlich kritisiert der Nichtigkeitswerber damit lediglich die Beweiswürdigung der Geschworenen unter teilweiser Wiederholung der bereits zur Tatsachenrüge ausgeführten Argumente. Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher insoweit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO).

Mit ihren Berufungen waren beide Angeklagten auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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