OGH 13Os58/06p

OGH13Os58/06p12.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juli 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Schwab, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helga B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. April 2006, GZ 32 Hv 110/05m-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem zu I/1 ergangenen Schuldspruch, in der zu I. und II. gebildeten Subsumtionseinheit des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und im Strafausspruch, sowie der Beschluss auf Widerruf der zu AZ 23 Hv 27/02k des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, erstere auch mit der implizierten Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Helga B***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese im Gesamtbetrag von mehr als 50.000 Euro am Vermögen schädigten, und zwar

I. Christa P*****, indem sie vorspiegelte, „redliche Darlehensnehmerin zu sein" (gemeint: rückzahlungsfähig und zahlungswillig zu sein),

1. im September 1999 durch die Vorgabe, das alteingesessene Lokal „Die P*****" übernehmen zu können, für den „Einstieg" 200.000 S zu benötigen und das Darlehen durch eine im Jahr 2000 zu erwartende Abfertigung ihres Gatten zurückzahlen zu können, zur Gewährung eines Darlehens in dieser Höhe;

2. im November 1999 durch die Vorgabe, ein Restaurant in B***** übernehmen zu können und dafür eine Kaution von über 200.000 S zu benötigen, zur Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 200.000 S;

3. Anfang 2000 durch die Vorgabe, das Lokal „D*****" pachten zu können und dafür eine Kaution von über 1,000.000 S zu benötigen, zur Gewährung eines Darlehens von 972.000 S;

II. von 19. November 2001 bis 4. Dezember 2003 Angestellte der Fa. U***** durch die Vorgabe, Petra D***** zu heißen und eine zahlungsfähige und zahlungswillige Kundin zu sein, in neun Fällen zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von 953,90 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zu I. ergangenen Schuldsprüche aus Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Sie zeigt zutreffend auf, dass die zu I/1 genannte Tat erst durch die schriftliche Strafanzeige vom 13. Dezember 2004 einer Strafverfolgungsbehörde (§ 151 Abs 3 StGB) zur Kenntnis gelangt ist (ON 2). Nach den Urteilsfeststellungen aber hatte die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits 210.000 S an Darlehensrückzahlung geleistet (US 9), sodass vollständige Begleichung der zu I/1 genannten Verbindlichkeit indiziert erscheint (vgl § 1416 ABGB). Das Erstgericht hat nämlich keine Feststellung getroffen, nach der die zu I/1 genannte Tat nur Teil eines von vornherein konkret geplanten deliktischen Gesamtvorhabens gewesen sei (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 167 Rz 72 ff; RIS-Justiz RS0117252), sodass der gerügte Feststellungsmangel vorliegt und eine Rückverweisung an das Erstgericht in dem davon betroffenen Umfang erforderlich macht (Z 9 lit b; §§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO). Die solcherart zerschlagene Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) wird neu zu bilden sein (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10).

Ansonsten aber ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt. Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) - ohne das Erfordernis vollständiger Schadensgutmachung in Frage zu stellen - tätige Reue auch zu I/2 behauptet, übergeht sie die vorstehend genannte Höhe der geleisteten Rückzahlung.

Der Mängelrüge (Z 5) ist grundsätzlich zu erwidern, dass die - mehrfach aufgestellte - Behauptung eines „Widerspruchs zum Akteninhalt" kein unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes relevantes Kriterium anspricht.

Die Feststellung, wonach in keinem der zu I. genannten Fälle „tatsächlich die jeweilige Darlehenssumme benötigt worden wäre", Christa P***** über diesen Umstand vielmehr in Irrtum geführt wurde (US 9), wurde mit dem Verweis auf die Aussage einer Reihe von Zeugen und die Angabe der Angeklagten, wonach sie zu I/1 einen, indes noch nicht stellig gemachten, „Freund als Gastronomiekonzessionär benötigt" hätte, keineswegs offenbar unzureichend begründet (vgl US 13 f). Ein aus Z 5 vierter Fall relevanter Begründungsmangel wird auch zur gewerbsmäßigen Begehung, welche auf der eingehend dargelegten Einkommens- und Vermögenslage, einschlägigen Vorstrafen und „wiederholten, über mehrere Monate hindurch vorgekommenen Tathandlungen" sowie dem Zugeständnis der Angeklagten, die Gelder teilweise zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes verwendet zu haben (vgl US 20), fußen, nicht aufgezeigt. Ob die erfolgten Rückzahlungen P***** dazu veranlassen hätten sollen, der Angeklagten weiterhin (also über die zu I/1 bis 3 genannten Taten hinaus; vgl US 10) zu vertrauen, betrifft keine entscheidende Tatsache (Z 5 vierter Fall). Mit Blick auf das aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO erhellende Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe bedurfte der (bloße) „Entwurf des Pachtvertrages" zu I/3 keiner Erwähnung (Z 5 zweiter Fall). Ob zu I/3 auch eine Kaution Gegenstand von Vertragsverhandlungen zwischen der Angeklagten und dem Zeugen K***** war, ist unerheblich, weshalb ein dahin gehender Hinweis dieses Zeugen nicht erörtert werden musste (Z 5 zweiter Fall). Weshalb die Antwort der Zeugin P*****, angesichts der in Aussicht gestellten Abfertigung und der erfolgten Rückzahlungen die zu I/1 und 2 zweckgebunden hingegebenen Gelder nicht - so der Vorhalt des Verteidigers - „gleich" zurückverlangt zu haben, betrügerisches Vorgehen der Angeklagten in Frage stellen könnte, ist der Beschwerde, welche daraus den Schluss zieht, dass P***** „mit einer anderen Verwendung der Gelder einverstanden war", nicht zu entnehmen. Daher bleibt offen, weshalb diese Angaben zu Unrecht übergangen worden sein sollten (Z 5 zweiter Fall).

Die über den Betrag von 210.000 S hinaus an Rückzahlung geleisteten 1.000 Euro wurden vom Erstgericht ohnehin erwähnt (vgl US 9 f). Ein Widerspruch der Entscheidungsgründe hinsichtlich der erfolgten Schadensgutmachung liegt daher nicht vor. Welche entscheidende Tatsache davon berührt sein sollte, lässt die Beschwerde zudem nicht erkennen.

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Mit ihren Berufungen waren sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft, erstere auch mit der implizierten Beschwerde, auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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