OGH 1Ob69/06p

OGH1Ob69/06p11.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Foglar-Deinhardstein KEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Bert Q*****, und 2) Q***** GmbH, *****, beide vertreten durch Mag. Alexandra Cervinka, Rechtsanwältin in Wien, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. November 2005, GZ 12 R 164/05h-23, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. April 2005, GZ 5 Cg 39/04y-15, die Klage im Umfang von EUR 503,92 zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 219,96 (darin enthalten EUR 36,66 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von 10.202 EUR für Agenturleistungen und - gestützt auf § 1333 Abs 3 ABGB - an Schadenersatz 503,92 EUR für Kosten eines anwaltlichen Mahnschreibens sowie 16 EUR für Kosten einer Zentralmeldeauskunft, insgesamt somit EUR 10.721,92. In ihre Kostennote nahm die klagende Partei die Kosten für das Mahnschreiben nicht auf.

Das Erstgericht erkannte die eingeklagte Forderung von EUR 10.218 und die eingewendete Gegenforderung mit EUR 1.050 als zu Recht bestehend, sodass es der klagenden Partei EUR 9.168 s.A. sowie 16 EUR zusprach. Das Mehrbegehren von EUR 1.050 sowie von EUR 503,92 (= Kosten des anwaltlichen Mahnschreibens) wurde abgewiesen. Derartige Mahnkosten seien gemäß § 23 RATG vom Einheitssatz gedeckt.

Aus Anlass der Berufung der klagenden Partei wies das Berufungsgericht das Klagebegehren im Umfang von EUR 503,92 zurück. § 1333 Abs 3 ABGB idF des Zinsenrechts-Änderungsgesetzes, BGBl I 2002/118, sei unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und der „in den Materialien niedergelegten" Absicht des Gesetzgebers keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Kosten vorprozessualer anwaltlicher Tätigkeit. Solche Kosten seien weiterhin als vorprozessuale Kosten zu qualifizieren, nach den allgemeinen Regeln über den Prozesskostenersatz zu beurteilen, im Kostenverzeichnis geltend zu machen, und vom Richter auf ihre Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und auf eine Deckung im Einheitssatz hin zu prüfen. Für die Geltendmachung von Kosten für vorprozessuale anwaltliche Bemühungen - worunter auch die Kosten eines anwaltlichen Mahnschreibens fielen - sei der Rechtsweg weiterhin unzulässig. In ihrer Kostennote habe die klagende Partei die Kosten des anwaltlichen Mahnschreibens nicht verzeichnet. Ein Zuspruch hätte jedoch ohnedies nicht erfolgen können, weil diese Kosten jedenfalls als vom Einheitssatz umfasst anzusehen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen Rekurs der klagenden Partei ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen zulässig (SZ 59/28); er ist aber nicht berechtigt.

Vorprozessuale Kosten, die mit der späteren Prozessführung im Zusammenhang stehen und der Verfolgung des Klagsanspruchs dienen, waren nach der überwiegenden Rechtsprechung nach der Rechtslage vor dem am 1. 8. 2002 in Kraft getretenen Zinsenrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2002/118 (ZinsRÄG), nicht als Klagebegehren im ordentlichen Rechtsweg, sondern mit der Kostennote als Teil des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruchs geltend zu machen. Der Rechtsweg stand zur Durchsetzung dieser Kosten nicht offen (RIS-Justiz RS0035770).

Der mit dem ZinsRÄG neu geschaffene § 1333 Abs 3 ABGB, wonach der Gläubiger „insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen" einfordern kann, behandelt derartige Betreibungskosten als (im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machende) Schadenersatzansprüche und geht - anders als die bisherige überwiegende Rechtsprechung - von einem materiell-rechtlichen und nicht von einem prozessualen Ansatz aus (RIS-Justiz RS00117503). Zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, inwieweit außer prozessuale Anwaltskosten nach dem Wirksamwerden des § 1333 Abs 3 ABGB durch das ZinsRÄG als Nebenforderungen im Sinne des § 54 ZPO geltend gemacht werden können, hat der Oberste Gerichtshof in erstmals einer Entscheidung vom 20. 10. 2005, 3 Ob 127/05f, eingehend und ausführlich Stellung genommen. Danach gilt § 23 RATG auch nach der Einfügung des § 1333 Abs 3 ABGB als speziellere Norm für rechtsanwaltliche Leistungen. Mit letzterer Bestimmung sei daher keine selbstständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen geschaffen worden. Solange solche Kosten in Akzessorietät stünden, seien sie durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, sodass ihrer klageweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegenstehe. Eine Wahlmöglichkeit für deren Geltendmachung bestehe nicht, weil insoweit die öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzregeln vorrangig seien. Diese Rechtsansicht wurde in den Entscheidungen 6 Ob 131/05s, 6 Ob 294/05m sowie 8 Ob 136/05s fortgeschrieben. Von dieser einhelligen Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 6. 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr verpflichtete die Mitgliedstaaten zwar dazu, für den angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten „Betreibungskosten" des Gläubigers Sorge zu tragen (Art 3 Abs 1 lit e). Sie enthält aber keine Aussagen darüber, wie die Geltendmachung derartiger Kosten zu erfolgen habe, weshalb diesbezügliche Regelungen dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Die Regelungen des Prozesskostenanspruchs finden sich in den §§ 40 bis 53 ZPO bzw dem Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG). Gemäß § 23 Abs 4 RATG sind die außergerichtlichen Nebenleistungen vom Einheitssatz umfasst, falls sie keinen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe erforderten. An dieser für die Kosten der Rechtsanwälte geltenden Rechtslage hat § 1333 Abs 3 ABGB nichts geändert, was sich auch eindeutig aus den Gesetzesmaterialien ergibt, nach denen das bestehende anwaltliche Tarifgefüge so wie bisher zu verbleiben habe (3 Ob 127/05f; 6 Ob 131/05s).

Auch zu dem im Rekurs ins Treffen geführten Argument, es wäre unsachlich und gleichheitswidrig, anwaltliche Leistungen aus dem Anwendungsbereich des § 1333 Abs 3 ABGB auszunehmen, hat der Oberste Gerichtshof bereits umfassend Stellung genommen und zusammengefasst ausgeführt, im Hinblick auf die im § 23 RATG geregelte Höhe des Einheitssatzes sei nicht erkennbar, inwieweit eine solche Honorierung anwaltlicher Leistungen eine Benachteiligung der Rechtsanwälte gegenüber „Inkassoinstituten" darstellen sollte (3 Ob 127/05f ua). Auch nach Ansicht des erkennenden Senats liegt weder eine Unsachlichkeit noch eine Gleichheitswidrigkeit vor. Da die Kosten des Mahnschreibens nicht als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis aufscheinen, ist auf das Vorbringen, die zu dem Mahnschreiben führenden außergerichtlichen Nebenleistungen hätten einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht, nicht einzugehen.

Die Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht erweist sich sohin als zutreffend; dem Rekurs ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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