OGH 7Ob148/06z

OGH7Ob148/06z5.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Streitinteresse EUR 40.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. April 2006, GZ 3 R 36/06v-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. November 2005, GZ 1 Cg 92/05b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.764,72 (hierin enthalten EUR 249,12 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist als Versicherungsmaklerin tätig und hat mit der beklagten Versicherung eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen; die Versicherungssumme beträgt S 5 Mio (EUR 363.364,17). Auf das Versicherungsverhältnis sind die „Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsmaklern H932" (im Folgenden: AVB) anzuwenden. Diese lauten - soweit entscheidungswesentlich - auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1 - Begriffsbestimmungen

1. Versichertes Risiko ist die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als

  1. a)

    Versicherungsmakler

  2. b) Berater in Versicherungsangelegenheiten,

    ...

    Das versicherte Risiko umfasst alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten, zu denen der Versicherungsnehmer im Rahmen seines Gewerbes berechtigt ist ...

    4. Versicherungsfall ist ein Verstoß, der aus dem versicherten Risiko entspringt, und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen können. Ein Verstoß kann in einer Handlung oder Unterlassung begründet sein.

    ...

    5. Leistungsversprechung des Versicherers:

    Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

  1. a) die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen,
  2. b) die Kosten der außergerichtlichen und/oder der gerichtlichen Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung.

    ...

    Artikel 7 - Obliegenheiten

    Die Verletzung folgender Obliegenheiten bewirkt die Leistungsfreiheit

    des Versicherers nach Maßgabe des § 6 VersVG:

    ...

    2. Macht der Dritte seinen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, ergeht gegen den Versicherungsnehmer eine Strafverfügung, einen Streitverkündung, eine einstweilige Verfügung oder wird gegen ihn ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet, so ist der Versicherungsnehmer außerdem verpflichtet, dem Versicherer hievon unverzüglich Anzeige zu erstatten. Gegen Zahlungsbefehle hat der Versicherungsnehmer überdies in offener Frist die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel (Widerspruch) zu ergreifen und vom Geschehen den Versicherer in Kenntnis zu setzen.

    ...

    4. Kommt es zum Prozess über die Schadenersatzverpflichtung, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen, dem vom Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht zu erteilen und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig erachteten Aufklärungen zu geben ..."

    Die Klägerin vermittelte als Versicherungsmaklerin unter anderem den Abschluss von Unfallversicherungsverträgen zwischen ihren Kunden und der A***** Versicherungs AG in H***** (im Folgenden: A*****). In der Folge machten mehrere Kunden der Klägerin Ansprüche gegen A***** geltend und strengten, da A***** die Anerkennung der Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer unter anderem mit der Begründung ablehnte, dass beim Abschluss der Unfallversicherungsverträge vertragliche wie gesetzliche Obliegenheiten verletzt worden seien, gegen diese über fünfzig Gerichtsverfahren an. A***** warf ihren Versicherungsnehmern insbesondere vor, dass in den jeweiligen Versicherungsanträgen Vorverletzungen sowie Vor- bzw Nebenversicherungen nicht angegeben worden seien.

    Der Klägerin wurde in insgesamt 11 im Klagebegehren nach Aktenzeichen und Parteien näher bezeichneten und von der Beklagten außer Streit gestellten inländischen Verfahren (hievon neun beim Landesgericht Ried im Innkreis, eines beim Landesgericht Innsbruck und eines beim Landesgericht Salzburg) von den dortigen Klägern (Kunden) gegen die A***** der Streit verkündet.

    Mit Schreiben ihres Vertreters vom 12. 10. 2004 schilderte die Klägerin der Beklagten die diesen Verfahren der Kunden der Klägerin gegen A***** zugrunde liegenden Sachverhalte und ersuchte, ihren Rechtsvertreter aus der bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit der Vertretung der Klägerin in den beim Landesgericht Ried im Innkreis anhängigen neun Prozessen zu beauftragen. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin am 15. 10. 2004 per E-Mail mit, dass sie eine Streitbeitritt für entbehrlich erachte, da sie keine Haftung der Klägerin erkennen könne und davon auszugehen sei, dass die Schadenshöhe selbst objektiv richtig ermittelt werde. Im Übrigen gab sie ihre Ansicht bekannt, dass die Deckungsablehnungen seitens der A***** sehr willkürlich seien.

    Mit Schreiben vom 20. 10. 2004 ersuchte der Rechtsvertreter der Klägerin die Beklagte nochmals, ihren Standpunkt zu überdenken, und wies darauf hin, dass es im Sinne der Klägerin als auch der Beklagten als Haftpflichtversicherer von erheblicher Bedeutung sein müsse, dass alles unternommen werde, um den Ansprüchen der Kunden der Klägerin zum Durchbruch zu verhelfen, damit allfällige ersatzweise gegen die Klägerin gestellte Schadenersatzforderungen von vorne herein hintangehalten werden könnten. Mit E-Mail vom 19. 11. 2004 antwortete die Beklagte, grundsätzlich keinen Einwand zu erheben, wenn sich die Klägerin auf der Klägerseite als Nebenintervenientin anschließe, jedoch dafür keine Kostenzusage erteilen zu können und zu wollen. Ihres Erachtens sei die Nebenintervention nicht erforderlich, da die Klägerin ohnehin als Zeuge den Sachverhalt und ihre Funktion genauestens darstellen könne und müsse. Die Kläger in den Verfahren gegen A***** könnten die Prozesse auch aus anderen Gründen verlieren, sodass das Kostenrisiko auch ohne Vorliegen einer Haftung der Klägerin gegeben sei.

    Mit der am 10. 8. 2005 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte ihr „aufgrund und im Umfang des zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages über die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zur Polizzennummer ..." für die elf vorgenannten Schadensfälle Deckungsschutz in dem Umfang zu gewähren habe, in dem der klagenden Partei in den Verfahren zwischen den elf angeführten Versicherungsnehmern und der A*****, denen die Klägerin als Nebenintervenientin beigetreten sei, Prozesskosten entstünden.

    Nach dem mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag habe die Beklagte sämtliche Kosten der außergerichtlichen und/oder der gerichtlichen Feststellung in Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung zu tragen. Die Streitverkündung bzw der Beitritt als Nebenintervenient sei eine solche Maßnahme zur Abwehr schadenersatzrechtlicher Ansprüche Dritter und somit vom Leistungsumfang der Beklagten umfasst. Trotz Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen habe die Beklagte gegenüber der Klägerin den Versicherungsschutz und jegliche Deckung der Nebenintervenientenkosten zu Unrecht abgelehnt. Aufgrund der Verfahren zwischen den Versicherungsnehmern der A***** und dieser Versicherung könne der Klägerin erheblicher Schaden zugefügt werden, sollte festgestellt werden, dass tatsächlich eine Obliegenheit durch die Klägerin als Versicherungsvermittlerin verletzt worden sei und sollten die die Versicherungsnehmer der A***** in Folgeprozessen die Klägerin in Anspruch nehmen. Ein solcher Schaden könne verhindert werden, wenn die Klägerin den Vorprozessen zwischen den Versicherungsnehmern und A***** beitrete. Durch den Nichtbeitritt trotz Streitverkündung ginge die Klägerin in Folgeprozessen ihrer Verteidigungsrechte weitgehend verloren, da sie nicht mehr einwenden könnte, dass die Vorprozesse mangelhaft geführt oder unrichtig entschieden worden seien, sondern an die Tatsachenfeststellungen in den Urteilen der Vorprozesse gebunden wäre. Die Klägerin habe auch ein wirtschaftliches Interesse, den Prozessen gegen die A***** beizutreten, weil die Beklagte im Falle ihrer Zahlungspflicht aufgrund eines im Vorprozess bejahten Haftungsanspruches den Versicherungsvertrag mit der Klägerin kündigen bzw die Versicherungsprämie erhöhen könnte. Die Klägerin habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten betreffend der in der Klage im einzelnen genannten Schadensfälle. Weil die Beklagte ihrer aus dem Versicherungsverhältnis resultierenden Pflicht zur Übernahme des Versicherungsschutzes bei Streitverkündung an die Klägerin durch Verweigerung ihres Beitrittes zu den Verfahren bzw zur Deckung der Kosten des Beitrittes der Klägerin zu Unrecht nicht nachgekommen sei, habe die Klägerin das Recht, den Verfahren gegen die A***** selbst beizutreten und sei die Beklagte hinsichtlich der dabei entstehenden Kosten leistungspflichtig. Da diese Kosten noch nicht ziffernmäßig feststünden, habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens der Deckungspflicht der Beklagten. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete im Wesentlichen ein, sie habe nie ihre Deckungspflicht für die in der Klage angeführten Schadensfälle verneint, sondern lediglich bekanntgegeben, die Kosten der Nebenintervention nicht zu übernehmen, da bedingungsgemäß jegliche Prozessführung ausschließlich dem Versicherer obliege, der allein entscheiden könne, ob in einem Verfahren aufgrund einer Streitverkündung an den Versicherungsnehmer ein Beitritt erfolge oder nicht. Das von der Klägerin behauptete Interesse, den Prozessen gegen die A***** beizutreten, sei rechtlich nicht relevant, da etwaige Nachteile aus dem Nichtbeitritt bei aufrechtem Deckungsschutz ausschließlich die Beklagte als Versicherer treffen würden, zumal die mit der Klägerin vereinbarte Versicherungssumme jedenfalls ausreichend sei. Der Versicherungsnehmer habe kein Mitspracherecht bei der Entscheidung des Versicherers, ob er gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachte Schadenersatzansprüche anerkenne oder diese bestreite und in einem vorgelagerten Verfahren einem Streit als Nebenintervenient beitrete. Dass die Beklagte die grundsätzliche Deckungspflicht in den angeführten Schadensfällen verneint habe, behaupte die Klägerin nicht einmal. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung der Deckungspflicht bestehe daher nicht. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht unter Hinweis auf Art 1.5 der AVB einerseits sowie unter Berufung auf die Entscheidung 7 Ob 15/91 andererseits aus, dass ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die Kosten des Einschreitens der Klägerin als Nebenintervenientin in den im Urteilsspruch angeführten Prozessen bestehe, weil die Beklagte hinsichtlich dieser Kosten des Einschreitens der Klägerin als Nebenintervenientin den Versicherungsschutz abgelehnt, jedoch der Klägerin nicht zugesagt habe, im Falle des Prozessverlustes der Kunden der Klägerin für allfällige Folgeprozesse vollen Deckungsschutz zu gewähren. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus:

    Ausgehend von §§ 149, 150 VersVG iVm den hier maßgeblichen AVB habe der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber begründeten oder unbegründeten Ansprüchen Rechtsschutz zu gewähren. Der Rechtsschutz erfülle zugleich die Funktion der Schadensminderung und -feststellung. Der Rechtsschutzanspruch entstehe mit der Erhebung von Ansprüchen durch Dritte. Erhebung von Ansprüchen sei jede ernstliche Erklärung des Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer, aus der sich ergebe, dass der Dritte Ansprüche zu haben glaube und diese verfolgen werde. Streitverkündung reiche dazu aus, verpflichte doch § 153 Abs 4 VersVG - ebenso wie Art 7 Z 2 der AVB - den Versicherungsnehmer, dem Versicherer von einer Streitverkündung unverzüglich Anzeige zu erstatten. Bestandteil der Verpflichtung des Versicherers, den Versicherungsnehmer von begründeten und unbegründeten Schadenersatzansprüchen frei zu halten, sei die Übernahme der hiebei entstehenden Kosten. Seine Verpflichtung zur Kostentragung sei Folge dieser Rechtsschutzgewährungspflicht. Bei derselben handle es sich um eine Hauptleistungspflicht des Versicherers, die gleichrangig neben derjenigen stehe, den Versicherungsnehmer von begründeten Schadenersatzansprüchen des Geschädigten zu befreien. Es stehe dem Versicherer frei, ob er die gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten, als unbegründet eingeschätzten Haftpflichtansprüche erfüllen oder den Versuch einer Anspruchsabwehr unternehmen wolle. Entscheide er sich für die Abwehr, so sei die Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung der Verpflichtung des Versicherers zur Befreiung vom Haftpflichtanspruch zulässig, aber unbegründet.

    In der Haftpflichtversicherung könne der Versicherungsnehmer auf Feststellung klagen, dass der Versicherer wegen einer einzelnen, genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung sei gegeben, wenn der Dritte seine Ansprüche geltend gemacht habe, aber in der Regel nicht vor Ablehnung des Versicherungsschutzes. Kein Feststellungsinteresse bestehe allerdings, wenn der Versicherer die Abwehr der geltend gemachten Ansprüche zugesagt habe und noch kein weitergehender Befreiungs- oder Zahlungsanspruch entstanden sei. Gegenstand des hier zu beurteilenden Deckungsprozesses sei allein der Rechtsschutzanspruch als Teil des Deckungsanspruches des Versicherungsnehmers, nicht jedoch der Befreiungsanspruch. Die Beklagte habe eine Übernahme der Kosten der Nebenintervention ausdrücklich abgelehnt, ohne der Klägerin zugleich die Befreiung von allfälligen Schadenersatzverpflichtungen gegenüber den Kunden zuzusagen. Wenngleich die Entscheidung, ob Abwehr oder Befriedigung erfolge, im Ermessen des Versicherers stehe, bis die Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers endgültig festgestellt sei, sei im vorliegenden Fall der von der Klägerin geltend gemachte Rechtsschutzanspruch - als Teil des Deckungsanspruches - zu bejahen. Die Beklagte habe den Deckungsanspruch der Klägerin, der gegenüber Dritte durch Streitverkündung erklärt hätten, Schadenersatzansprüche zu haben und diese - im Falle des Unterliegens gegenüber A***** - gegen die Klägerin verfolgen zu wollen, abgelehnt, indem sie den Rechtsschutz ausdrücklich verweigert habe, ohne gleichzeitig für den Befreiungsanspruch Deckung zuzusagen. Obgleich die Beklagte eine Befreiung der Klägerin von den für den Fall des Unterliegens der Kunden im Rechtsstreit mit der A***** erhobenen Schadenersatzansprüchen gegen die Klägerin nicht definitiv abgelehnt habe, sei dennoch das Interesse an der Feststellung des geltend gemachten Rechtsschutzanspruches auf Übernahme der Kosten der Nebenintervention in den in der Klage angeführten Verfahren zu bejahen. Denn die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteiles erstreckten so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt habe, als diese Personen als Parteien eines Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürften, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stünden. Die Bindung der Klägerin an für ihre Rechtsposition nachteilige Tatsachenfeststellungen in den Urteilen der Vorprozesse bliebe auch dann bestehen, wenn die Beklagte, die bislang keine Deckungszusage abgegeben habe, der Klägerin im Falle weiterer Inanspruchnahme durch die Kunden die Deckung verweigern sollte.

    Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil zur Rechtsfrage, „unter welchen Voraussetzungen der Haftpflichtversicherer im Fall der Inanspruchnahme seines Versicherungsnehmers durch einen Dritten in Form einer Streitverkündung zur Übernahme der Kosten der Nebenintervention des Versicherungsnehmers verpflichtet" sei, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle; die vom Erstgericht zitierte Entscheidung 7 Ob 15/91 habe einen „völlig anders gelagerten Sachverhalt" betroffen, weil es dort der Versicherer für geboten erachtet habe, selbst einem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung („aus Vorsicht" auch auf den „Titel der Verfahrensfehler") gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage), in eventu, diesem keine Folge zu geben, beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da seit der bisher einzigen themenverwandten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Jahre vergangen sind und durch die Entscheidung des verstärkten Senates über die Bindungswirkung bei Unterbleiben einer Nebenintervention durch einen Streitverkündeten auch eine Änderung der Rechtslage in verfahrensrechtlicher Hinsicht eingetreten ist. Sie ist jedoch nicht berechtigt. Da der Oberste Gerichtshof die Begründung des berufungsgerichtlichen Urteils für zutreffend erachtet, kann es genügen, hierauf gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO zu verweisen. Darüber hinaus ist den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin folgendes entgegenzuhalten:

Die regelmäßig mit der Aufforderung zur Nebenintervention verbundene Streitverkündung (§ 21 ZPO) begründet für den Benachrichtigten grundsätzlich keine Pflicht, sondern ein Recht, in den Rechtsstreit einzutreten (Schubert in Fasching/Konecny ZPO² Rz 1 zu § 21) - sofern für den Beitretenden ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer der Parteien im Hauptprozess besteht (§ 17 Abs 1 ZPO). Ein solches ist insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess als Folge des Prozessverlustes der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen (Schubert aaO Rz 5 zu § 17; Fucik in Rechberger, ZPO² Rz 3 zu § 17). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 2123/96d (SZ 70/60) und seither in einer Vielzahl von Folgeentscheidungen (RIS-Justiz RS0107338) den Rechtssatz formuliert, dass „die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils sich insoweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, erstrecken, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Das gilt jedoch nicht auch für denjenigen, der sich am Vorprozess nicht beteiligte, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden war."

Eine solche Regressmöglichkeit (samt Bindungswirkung im Sinne der Entscheidung SZ 70/60) besteht auch hier gegenüber der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, sollten die elf (oder auch bloß einzelne) Kläger gegen A***** mit ihren Ansprüche gegen diese wegen rechtswidrig schuldhafter Verhaltensweisen ihrer Versicherungsmaklerin (= Klägerin) bei Abschluss der Versicherungsverträge und/oder Schadensabwicklung scheitern. Aus diesem (zunächst rein verfahrensrechtlichen) Aspekt war es daher für die Klägerin durchaus geboten, diesen bei unterschiedlichen Landesgerichten geführten Verfahren ihrer Kunden aufforderungsgemäß nach erfolgter Streitverkündung jeweils als Nebenintervenientin beizutreten.

Zur damit verbundenen (und von der Beklagten in Abrede gestellten) Kostentragungspflicht im Rahmen des zwischen den Streitteilen bestehenden Versicherungsvertrages ist - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - voranzustellen, dass die diesem Versicherungsverhältnis zugrunde liegenden AVB ausdrücklich den Fall einer Streitverkündung gegenüber der Klägerin als Versicherungsnehmerin durch gegen diese von Dritten gerichtlich geltend gemachte Schadenersatzansprüche vorsehen (Art 7 Z 2 iVm § 153 Abs 4 VersVG), und zwar im Rahmen der dem Versicherungsnehmer auferlegten Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeigenerstattung an den Versicherer (dass die Klägerin hiegegen verstoßen hätte, wird von der beklagten Partei nicht einmal behauptet). Eine solche Anzeigenerstattung macht jedoch nur Sinn, wenn man unterstellt, dass der Versicherer dadurch in die frühestmögliche Lage versetzt werden soll, die für die Prozessabschätzung (mit allfälliger späterer Deckungsnotwendigkeit im Falle einer tatsächlich gegebenen Schadenersatzverpflichtung seines Versicherungsnehmers) maßgeblichen Informationen bewerten und auch steuern zu können, wird doch dadurch sogar unter Umständen eine künftige und kostenverursachende gerichtliche Geltendmachung von Forderungen des Dritten gegen den Versicherungsnehmer, wofür dessen Haftpflichtversicherer später einzutreten hätte, gänzlich vermieden. In diesem Sinne - auch wenn dem Rechtsfall selbst ein anderer Sachverhalt als hier zugrunde lag - hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 15/91 (VersE 1507) ebenfalls im Falle einer Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden den Beitritt des Versicherers selbst als Nebenintervenient (im Rechtsstreit zwischen Käufer und Verkäufer eines vom Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers fehlerhaft abgewickelten Liegenschaftskaufvertrages) als deckungsmäßig nicht zu beanstanden erachtet, da der Versicherungsschutz auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der gerichtlichen Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung umfasste (hier: Art 1 Z 5 lit b AVB; dort Art 3 Abs 6 lit a AVBV). Nichts anderes kann insbesondere auch im Hinblick auf die nunmehr zu beachtende Bindungswirkung im Sinne der Entscheidung SZ 70/60 im Falle des Beitritts eines ausdrücklich streitverkündeten Versicherungsnehmers gelten, dessen Rechtsposition dem Grunde und der Höhe nach auch gegenüber seinem eigenen Versicherer ja unter Umständen erst durch den von ihm als Nebenintervenient mitgesteuerten Schadenersatzprozess maßgeblich bestimmt wird. Dies entspricht auch dem herrschenden Verständnis vom Entstehen des Rechtsschutzanspruches des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer mit der Erhebung von Ansprüchen durch Dritte im Sinne bereits jeder ernstlichen Erklärung des Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer, aus der sich ergibt, dass der Dritte aus einem in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallenden Rechtsverhältnis Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen werde (Voit/Knappmann in Pröllss/Martin, VersVG27 Rn 5 und 6 zu § 149 mwN zur insoweit gleichen Rechtslage in Deutschland). Auch nach deutscher herrschender Meinung reicht Streitverkündung hiefür aus (Voit/Knappmann aaO Rn 5; BGH VersR 2003, 900). Darin manifestiert sich auch die Einheitlichkeit und die untrennbare sachliche Zusammengehörigkeit des einem Versicherungsnehmer gegen den Haftpflichtversicherer zustehenden Rechtsschutz- und Befreiungsanspruches (Heiss/Lorenz, VersVG² Rz 3 ff zu § 149; Schauer, Österr Versicherungsvertragsrecht³ 401 ff; vgl auch 7 Ob 173/75 = SZ 48/121 sowie 7 Ob 301/97h = VersE 1762).

Da unstrittig ist, dass etliche Kunden der Klägerin gegen diese unter Umständen Ersatz in Form von Regressansprüchen zu stellen beabsichtigen (zu welchem Zweck ja ihre ebenfalls unstrittigen Streitverkündungen in insgesamt bisher elf Verfahren erfolgten), die durch die Beklagte im Bejahungsfall zu decken wären, umfasst der Deckungsschutz der Klägerin konsequenter Weise auch bereits die Abwehr dieser Ansprüche im Sinn des gestellten Klagebegehrens (§ 149 VersVG; RIS-Justiz RS0080013). Ob die Inanspruchnahme der Klägerin als Versicherungsnehmerin der Beklagten seitens dieser (geschädigten) Dritten zu Recht erfolgte oder nicht, ist im vorliegenden Deckungsprozess nicht zu prüfen (7 Ob 36/94 = SZ 68/9). Damit ist auch das von der Klägerin in der Revision in Abrede gestellte Feststellungsinteresse der Klägerin gemäß § 228 ZPO - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen - zu bejahen.

Als zusammenfassendes Ergebnis ist daher festzuhalten: Wird einem Versicherungsnehmer durch einen von ihm (angeblich) geschädigten Dritten der Streit verkündet, so ist der Haftpflichtversicherer zur Übernahme der Kosten der Nebenintervention - außer bei uneingeschränkter Deckungszusage auch bei Unterbleiben der Nebenintervention durch den Versicherungsnehmer - verpflichtet. Dem Rechtsmittel ist damit keine Folge zu geben. Auf die nur „aus Vorsicht" gerügten, jedoch inhaltlich nicht näher substanziierten „Verfahrensfehler" ist gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO nicht weiter einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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