Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerberin bestreitet nicht die - zutreffende - Auffassung des Rekursgerichtes, wonach auch die Wiedergabe ehrenrühriger Äußerungen Dritter den Tatbestand der §§ 111 ff StGB (Zöchbauer, MR 1994, 42 [43 f]; Lewisch, Strafrecht BT I 122;
Bertl/Schwaighofer, Strafrecht BT I5 § 111 Rz 10 und § 114 Rz 9;
Kienapfel, Strafrecht BT I4 Vor §§ 111 ff Rz 41 f; MR 1998, 188) bzw § 1330 ABGB (Zöchbauer, wbl 1999, 289) erfüllt. Die Revisionsrekurswerberin vertritt jedoch die Auffassung, der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG gelte auch für ein Zitat eines anonymen Schreibens.
Dem kann nicht gefolgt werden: Zunächst ist schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG Voraussetzung für diesen Rechtfertigungsgrund nicht nur, dass es sich um die wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt, sondern dass zudem ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung besteht (vgl dazu auch Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedG² § 6 Rz 50). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass auch die Interessen des Verletzten zu bedenken sind, die nach dem Willen des Gesetzgebers gegenüber denjenigen des Medieninhabers nur deshalb zurücktreten sollen, weil er sich immer noch gegen den Dritten zur Wehr setzen kann, dessen Äußerung wahrheitsgetreu wiedergegeben wurde. Daraus sei abzuleiten, dass jedenfalls dann, wenn der Verletzte für den Medieninhaber objektiv erkennbar aus einem anderen Grund als jenem des § 6 Abs 1 Z 1 MedienG auch gegen den Urheber der Äußerung schutzlos bliebe, der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG nicht zum Tragen kommen könne (6 Ob 30/95 = SZ 68/136; vgl auch 6 Ob 222/99m und 6 Ob 237/02z). Diese Auffassung wird von der überwiegenden Lehre geteilt (Ozlberger, Ehrenschutz² 68; ausführlich Hanusch, MedG § 6 Rz 56; ebenso für zivilrechtliche - im Gegensatz zu medienrechtlichen - Ansprüche Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedG² § 6 Rz 54; vgl auch Föger, Das Beziehungsgeflecht zwischen Massenmedien und einzelnem Bürger in Österreich [1993] 38).
Die Ausführungen im Revisionsrekurs sind nicht geeignet, Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Rechtsprechung zu wecken. Träfe die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung zu, bliebe der Verletzte schutzlos, weil er weder gegen den - anonymen - Urheber des Zitats noch gegen den Medieninhaber vorgehen könne. Im Ergebnis würde damit ein Unterlaufen des Schutzes vor ehrenbeleidigenden Äußerungen in Medien ermöglicht, könnte doch dann jeder Medieninhaber - allenfalls auch von ihm selbst verfertigte - anonyme Schreiben wiedergeben, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen (Hanusch, MedG § 6 Rz 56; Föger, Das Beziehungsgeflecht zwischen Massenmedien und einzelnem Bürger in Österreich [1993] 38).
Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der journalistischen Recherche hat dies entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin nichts zu tun, verbietet es doch das Gesetz keineswegs, aus Anlass einer anonymen Mitteilung einen Artikel zu verfassen. Die - wie im vorliegenden Fall - ungeprüfte Wiedergabe der in einem (angeblichen) anonymen Schreiben enthaltenen massiv ehrverletzenden Vorwürfe ist demgegenüber im Sinne der nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG erforderlichen Interessenabwägung in der Regel nicht gerechtfertigt. Dem Revisionsrekurs ist auch nicht zu entnehmen, inwiefern die Einschränkung der Möglichkeit der Wiedergabe anonymer Schriftstücke „die Funktion der Presse in einem demokratischen Gemeinwesen" beeinträchtigen könnte, kommt doch der Wiedergabe eines anonymen, nicht überprüften Schriftstücks schon von vornherein nur eingeschränkter Informationswert zu. Auch mit dem journalistischen „Quellenschutz" hat der vorliegende Fall nichts zu tun, wird die Revisionsrekurswerberin doch durch die Entscheidung des Rekursgerichtes keineswegs zur Offenlegung der ihr angeblich unbekannten Identität des Verfassers des gegenständlichen Schreibens angehalten.
Damit gelingt es der Revisionsrekurswerberin nicht, eine Rechtsfrage der im § 502 Abs 1 ZPO angesprochenen Qualität aufzuzeigen, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
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