OGH 6Ob129/06y

OGH6Ob129/06y29.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Maria-Andrea R*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Werner B*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (Streitwert EUR 19.600,--), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2006, GZ 12 R 300/05h-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 21. September 2005, GZ 10 Cg 13/05d-10, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, insbesondere auf den Zusammenhang an, in den die Äußerung gestellt wurde (SZ 62/208 ua; RIS-Justiz RS0031883). Dabei ist auch bei zeitlich auseinanderfallenden, inhaltlich aber in engem Zusammenhang stehenden Äußerungen auf deren in einer „Gesamtschau" zu ermittelnden Gesamteindruck abzustellen (SZ 74/204 = MR 2002, 88; 6 Ob 265/03v; 6 Ob 209/04k). Vor allem diese „Gesamtschau" ist für die Beurteilung entscheidend, ob eine Äußerung über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage als Tatsachenbehauptung oder als - einer Wahrheitsprüfung nicht zugängliches - reines Werturteil zu qualifizieren ist. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof etwa in der Einstufung des gegen einen Hausverwalter erhobenen Vorwurfes eines „gesetzwidrigen" Vorgehens bei einem Streit eines Mieters mit dem Hausverwalter ein reines Werturteil erblickt (vgl auch 2 Ob 266/00m ["Rechtsbrecher"]).

Anknüpfend an diese Judikatur ist in der der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrundeliegenden Auffassung, der im Zusammenhang mit dem Gemeinderatswahlkampf erhobene Vorwurf, eine Dienstanweisung sei „gesetzwidrig", stelle ein reines Werturteil dar, keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Gleiches gilt für die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass diese Äußerung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht geeignet ist, Kredit, Erwerb oder Fortkommen der Klägerin zu gefährden. Während eine Kreditgefährdung dann vorliegt, wenn die Zahlungsunfähigkeit in Frage gestellt wird, betrifft der „Erwerb" die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des Betroffenen, das „Fortkommen" hingegen seine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, eine bestimmte Position zu erreichen bzw eine Aufstiegschance wahrzunehmen oder zu verbessern (JBl 2003, 114 = MR 2002, 288; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1330 Rz 7).Wenngleich der Begriff des „Fortkommens" nicht zu eng verstanden werden darf (ÖBl 1994, 13; MR 2003, 304; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1330 Rz 7), vermag die Revisionswerberin im vorliegenden Fall weder eine abstrakte noch eine konkrete Gefährdung ihres Fortkommens im Sinne der zitierten Gesetzesstelle darzutun. Die in der Revision mehrfach betonte beamtete Stellung der Klägerin als Stadtamtsdirektorin spricht - entgegen der Revision - nicht für, sondern gegen die Annahme, der inkriminierte Vorwurf der „Gesetzwidrigkeit" beeinträchtige ihr Fortkommen. Die lapidare Behauptung, die Gefährdung ihres Fortkommens könne „nicht ernsthaft bestritten" werden, vermag keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen.

Zusammenfassend gelingt es der Klägerin daher nicht, Rechtsfragen von der im § 502 Abs 1 ZPO angesprochenen Qualität aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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