OGH 10ObS99/06s

OGH10ObS99/06s27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Reg. Rat Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Albrecht B*****, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2005, GZ 7 Rs 130/05x-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Mai 2005, GZ 6 Cgs 181/04f-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Antrag des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung des § 5 Abs 2 KBGG wegen Verfassungswidrigkeit zu beantragen, wird zurückgewiesen.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für den am 12. 2. 2002 geborenen Pierre M***** bezog zunächst die leibliche Mutter Barbara M***** Kinderbetreuungsgeld. Seit 2. 1. 2003 befindet sich der Minderjährige bei seinen Pflegeeltern Mag. Ulrike und Ing. Albrecht B***** in Pflege und Erziehung. Der Minderjährige und seine Pflegeeltern sind österreichische Staatsbürger. Die Pflegemutter bezieht für das Pflegekind Familienbeihilfe, der Pflegevater (Kläger) bezieht seit 2. 1. 2003 für das Pflegekind Kinderbetreuungsgeld.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 11. 8. 2004 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Pflegekindes mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 5 Abs 2 KBGG nur dann bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes verlängere, wenn ein Bezugswechsel zwischen den leiblichen Eltern oder zwischen Pflegevater und Pflegemutter erfolge, nicht aber bei einem Wechsel zwischen leiblicher Mutter und Pflegevater.

Das Erstgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Klagebegehren statt. § 2 Abs 1 KBGG stelle leibliche Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern hinsichtlich der Anspruchsberechtigung auf Kinderbetreuungsgeld gleich. Eine Differenzierung zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern erfolge auch in § 5 KBGG (Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes) nicht. Dieser Bestimmung könne auch nicht zwingend entnommen werden, dass ein die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes verlängernder Wechsel der Betreuungsperson nur zwischen leiblichen Elternteilen bzw zwischen Pflegeelternteilen oder zwischen Adoptivelternteilen möglich wäre. Eine verfassungskonforme Interpretation des § 5 KBGG führe vielmehr zu dem Ergebnis, dass auch ein Wechsel zwischen leiblicher Mutter und Pflegevater eine Verlängerung der Anspruchsdauer für das Kinderbetreuungsgeld bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes bewirke.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß für dessen Pflegesohn über die Vollendung des 30. Lebensmonates des Pflegekindes hinaus zu gewähren, ab. Es verwies auf die Bestimmung des § 5 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2002/20, wonach das Kinderbetreuungsgeld längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensmonates des Kindes gebühre, wenn nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehme. Nehme auch der zweite Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch, so verlängere sich die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonates hinaus um jenen Zeitraum, den der zweite Elternteil Kinderbetreuungsgeld beanspruche, höchstens jedoch bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass mit dem „zweiten" Elternteil der jeweils andere Elternteil gemeint sei. Hingegen biete die Regelung des § 5 Abs 2 KBGG keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber eine Verlängerung der Bezugsdauer auf 36 Lebensmonate auch bei einem Wechsel von einem leiblichen Elternteil zu einem Pflegeelternteil beabsichtigt habe. Durch diese Auslegung ergebe sich auch keine unzulässige Ungleichbehandlung, weil ein Wechsel der Betreuungsperson innerhalb der leiblichen Elternteile oder auch innerhalb der Pflegeelternteile nicht mit einem Wechsel von einem leiblichen Elternteil zu einem Pflegeelternteil gleichzusetzen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur strittigen Auslegung der Bestimmung des § 5 Abs 2 KBGG nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung im Sinne des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, § 5 Abs 2 KBGG müsse dahin ausgelegt werden, dass sich auch bei einem Wechsel zwischen leiblichem Elternteil und Pflegeelternteil die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes verlängere. Das Kinderbetreuungsgeld diene ganz allgemein dazu, die finanzielle Situation von Eltern für einen gewissen Zeitraum zu erleichtern, damit eine persönliche Pflege und Erziehung von Kleinstkindern möglich sei. Dabei werde vom Gesetzgeber nicht zwischen leiblichen Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern unterschieden. Die Verlängerung der Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes werde lediglich an einen Wechsel in der Betreuung geknüpft, welcher auch hier gegeben sei. Sollte der Gesetzgeber hingegen tatsächlich vorgesehen haben, dass ein Wechsel von einem leiblichen Elternteil auf einen Pflegeelternteil keine Verlängerung der Anspruchsdauer bewirke, wäre dies eine grob benachteiligende Regelung. Es werde daher in diesem Fall der Antrag gestellt, eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 5 Abs 2 KBGG durch den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Für Kinder, die ab dem 1. 1. 2002 geboren werden, wurde mit dem Kinderbetreuungsgeld als Ergänzung der Familienbeihilfe eine neue, umfassend konzipierte Sozialleistung geschaffen. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XXI. GP 54f) soll durch das Kinderbetreuungsgeld die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten und gleichzeitig, im Sinne einer größeren Wahlfreiheit bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Art der Kinderbetreuung, die mit einer außerhäuslichen Betreuung von Kindern verbundene finanzielle Belastung teilweise abgegolten werden. Das Kinderbetreuungsgeld wurde als Familienleistung ausgestaltet und gebührt unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Eltern, die für ihr Kind Familienbeihilfe beziehen. Als Kinder gelten auch Adoptiv- und Pflegekinder. Als Eltern gelten auch Adoptiv- und Pflegeeltern (vgl § 2 Abs 1 KBGG). Für ein Kind ist ein gleichzeitiger Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile ausgeschlossen.

Die Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes richtet sich danach, ob der Leistungsbezug zwischen den Eltern geteilt wurde oder nicht. Nach § 5 Abs 3 KBGG kann der Bezug von Kinderbetreuungsgeld abwechselnd durch beide Elternteile erfolgen, wobei ein zweimaliger Wechsel pro Kind zulässig ist. Das Kinderbetreuungsgeld wird nach § 5 Abs 2 KBGG bis zum 30. Lebensmonat des betreffenden Kindes bzw bei einer Teilung des Leistungsbezuges entsprechend der Dauer des Leistungsbezuges des anderen Elternteiles bis maximal zum 36. Lebensmonat gewährt. Wie bisher beim Karenzgeld (vgl § 11 Abs 2 KGG) kann also auch beim Kinderbetreuungsgeld der gesetzliche Höchstanspruch nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn es zu einer partnerschaftlichen Teilung der Kinderbetreuung kommt und damit dem familienrechtlichen Grundsatz der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes Rechnung getragen wird. Dem im Rahmen des § 5 Abs 3 KBGG möglichen abwechselnden Bezug durch beide Elternteile liegt - sofern der Anspruch des beziehenden Elternteiles nicht bereits ausgeschöpft ist - eine Vereinbarung beider Elternteile zugrunde. Sie enthält den (zeitlich befristeten) Verzicht des beziehenden Elternteiles zu Gunsten des anderen Elternteiles (vgl Ehmer ua, KBGG 85).

Der Gesetzgeber ging daher bei der Regelung über die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes ganz offenkundig davon aus, dass eine solche Vereinbarung über den abwechselnden Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch beide Elternteile im Rahmen der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes jeweils (nur) zwischen den leiblichen Eltern, zwischen den Adoptiveltern oder zwischen den Pflegeeltern zu treffen ist. Wie die beklagte Partei in diesem Zusammenhang zutreffend aufzeigt, ist es daher erforderlich, die Pflegeelternschaft völlig eigenständig zu sehen, um auch den Pflegeeltern eine partnerschaftliche Kinderbetreuungsmöglichkeit zu garantieren. Ein Wechsel im Sinn des § 5 KBGG ist daher jeweils nur zwischen jenen Elternteilen, die miteinander durch das Band der leiblichen Elternschaft oder durch das Band der Pflegeelternschaft oder durch das Band der Adoptivelternschaft verbunden sind, möglich. Das Vermischen dieser unterschiedlichen Ebenen der Elternschaft, um daraus einen Wechselfall mit Verlängerung des Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld zu konstruieren, wäre somit nicht im Sinne des Gesetzgebers. Gerade der für die Verlängerung des Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld wesentliche partnerschaftliche Gedanke der Kinderbetreuung würde im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, weil es auf Grund der alleinigen Betreuung durch den Pflegevater zu keiner partnerschaftlichen Kinderbetreuung durch die Pflegeeltern gekommen ist. Im gegenständlichen Fall hätte daher nur ein Wechsel zwischen den Pflegeeltern die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes geschaffen. Es wäre daher in der Entscheidung der Pflegeeltern gelegen, welche der beiden Pflegeelternteile zunächst den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes des leiblichen Elternteiles fortsetzt und dann zur Ermöglichung des Weiterbezuges bis zum 36. Lebensmonates des Kindes die Betreuung an den anderen Pflegeelternteil abgibt. Diese Entscheidung wäre von den Pflegeeltern ebenso zu planen und gegenseitig abzustimmen gewesen, wie auch die Zeiten des Wechsels bei leiblichen Eltern im Voraus zu planen und gegenseitig abzustimmen sind. Der erkennende Senat teilt daher die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass der bloße Wechsel zwischen leiblicher Mutter und Pflegevater noch zu keiner Verlängerung der Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes im Sinn des § 5 Abs 2 KBGG bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes führt.

Gegen dieses Ergebnis bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Gesetzgeber bei Verfolgung familienpolitischer Ziele weitgehend frei ist und der ihm zustehende Gestaltungsspielraum durch das Gleichheitsgebot nur insofern beschränkt wird, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (VfSlg 16.542 mwN). Es erscheint aber keineswegs unsachlich, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass der gesetzliche Höchstanspruch auf Kinderbetreuungsgeld nur dann voll ausgeschöpft werden kann, wenn es zwischen leiblichen Eltern, zwischen Adoptiveltern oder zwischen Pflegeeltern zu einer partnerschaftlichen Kinderbetreuung kommt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich somit zu einer entsprechenden Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst. Der diesbezügliche Antrag des Klägers war daher zurückzuweisen, zumal dem Kläger insoweit auch kein Antragsrecht zukommt, sondern er die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nur anregen kann (vgl RIS-Justiz RS0054189 ua).

Die Revision musste somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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