OGH 3Ob76/06g

OGH3Ob76/06g27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald B*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Haftner, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Marie-Theres B*****, vertreten durch Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwalt in St. Pölten als Verfahrenshelfer, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. November 2005, GZ 7 R 222/05k-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 2. September 2005, GZ 9 C 9/05p-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 333,12 EUR (darin 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 5. Juli 2005 des Erstgerichts wurde der Beklagten wider den Kläger, ihren Vater, die Lohnexekution zur Hereinbringung von rückständigem Unterhalt für die Monate Jänner bis einschließlich Juni 2005 (insgesamt 1.744,14 EUR) sowie zur Hereinbringung von laufendem Unterhalt von monatlich 290,69 EUR ab Juli 2005 bewilligt.

Die am 10. Jänner 1987 geborene Beklagte trat nach der Pflichtschule mit 27. August 2002 eine Friseurlehrstelle in Wien an. Sie hatte Probleme mit der Wachstumsfuge am linken Armgelenk und war dadurch auch gehäuft im Krankenstand. Mit 8. Oktober 2002 beendete der Dienstgeber das Lehrverhältnis durch Auflösung der Probezeit. Ob es der Beklagten bewusst war, dass es sich um eine iSd BAG fristwidrige Vertragsauflösung handelte, und sie sich „absichtlich" nicht dagegen wehrte, weil ihr die Vertragsauflösung willkommen war, oder ob sie die fristwidrige Vertragsauflösung aus Rechtsunkenntnis nicht bekämpfte, steht nicht fest.

Im September übersiedelte die Beklagte wieder zu ihren Großeltern, meldete sich als arbeitssuchend beim AMS und suchte nach einer Lehrstelle, wurde aber nicht in ein Lehrverhältnis übernommen. Über Vermittlung des AMS begann sie am 7. April 2003 einen zehnmonatigen Kurs am BFI. Es handelte sich nicht um ein Lehrverhältnis, sondern um einen Ausbildungslehrgang im Rahmen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes, wofür sie monatlich 150 EUR erhielt. Auf Grund ihrer ersten Schwangerschaft wurde dieser Vertrag am 15. Mai 2003 aufgelöst. Vom 1. September 2003 bis 24. Oktober 2003 nahm sie an einem WIFI-Kurs für Kfz-Umfeldberufe teil. Dies geschah deswegen, weil die Alternative lediglich gewesen wäre, „daheim zu sitzen", zumal in den entsprechenden Förderungsprogrammen kein anderer Ausbildungsplatz frei war.

Am 3. Dezember 2003 brachte sie einen Sohn zur Welt. Mit 29. März 2004 begann sie - der Sohn lebt bei ihrer Mutter, mit der es erhebliche Spannungen gab - einen über das AMS geförderten Ausbildungslehrgang bei einer GmbH. Wiederum handelte es sich nicht um ein Lehrverhältnis, sondern um einen „allgemeinen Ausbildungslehrgang" als Vorstufe für ein erhofftes späteres Lehrverhältnis. Auf dieses würde die im Ausbildungslehrgang verbrachte Zeit angerechnet. Sie erhielt wiederum monatlich 150 EUR ausbezahlt.

Ab 5. August 2004 war die Beklagte in einer Bäckerei als Reinigungskraft beschäftigt. Die Beschäftigung war auf unbestimmte Zeit angelegt. Sie arbeitete durchschnittlich sechs Tage in der Woche je 1,5 Stunden. Angemeldet war sie für monatlich brutto 166,80 EUR, erhielt aber faktisch rund 260 EUR monatlich. Sei begann dort zu arbeiten, bevor sie dies der GmbH mitgeteilt hatte. Diese löste am 13. September 2004 das Ausbildungsverhältnis auf, weil die Beklagte ihrer Meldepflicht bei Krankenständen nicht nachgekommen war bzw. eine Bestätigung über die Arbeitsaufnahme bei der Bäckerei von ihr nicht beigebracht wurde. Die Mitarbeiter der GmbH und des AMS bewerteten diese Vorgangsweise der Beklagten als deutlichen Verstoß gegen die Regeln in den von ihnen zur Verfügung gestellten Ausbildungsmöglichkeiten. Die Beschäftigung in der Bäckerei war aus Sicht der Beklagten nicht nur auf unbestimmte Zeit angelegt, sondern sie wünschte aus ihrer Sicht auch keine sonstige Ausbildung in näherer Zukunft, sie hatte „keine andere Zukunftsperspektive", sich jedoch entschlossen, Geld zu verdienen. Die Ausbildung beim WIFI-Kurs war aus ihrer Sicht sinnlos. Sie besuchte den Kurs bei der GmbH gehäuft ohne Entschuldigung nicht, was ihr auch bewusst war. Ihr war auch bewusst, dass die Beschäftigung in der Bäckerei mit einer Absolvierung des Kurses unvereinbar war. Das Beschäftigungsverhältnis wurde am 3. Jänner 2005 aufgelöst, weil sie in Frühkarenz ging. Am 26. April 2005 kam ihr zweites Kind, eine Tochter zur Welt. Seit Mai 2005 bewohnt die Beklagte eine Eigentumswohnung, die ihre Großeltern vor kurzem gekauft hatten. Sie selbst bezahlte die Betriebskosten. Die Großeltern wenden ihr keine finanziellen Mitteln zu, haben aber die Hoffnung, später von ihr gepflegt zu werden. Die korrespondierende aktuelle Zukunftsvorstellung der Beklagten ist, drei Jahre in Karenz zu bleiben und danach für drei Jahre eine Caritas-Schule für Altenpflege zu besuchen, wonach sie eine Anstellung sicher hätte.

Mit seinen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO) begehrte der Vater das Urteil, der betriebene Anspruch sei erloschen. Dazu brachte er vor, die Beklagte habe mehrfach ihre Lehrausbildungen abgebrochen, zuletzt auch ihre Tätigkeit als Reinigungskraft. Sie sei mehrmals in den Jahren ihrer Lehrlingsausbildung von zu Hause verschwunden gewesen; sie habe nachweislich Kontakt zur Drogenszene gehabt und offensichtlich deshalb seien bei ihr Anpassungsstörungen aufgetreten. Sie sei selbsterhaltungsfähig und habe ihre derartige Situation des „Nichteinkommens" selbst verschuldet. Ihre Großeltern hätten ihr eine Eigentumswohnung geschenkt und kämen für sämtliche Betriebskosten sowie sonstige Unterhaltskosten auf. Sie habe zwischenzeitig auch ihre Mutter vor dem Erstgericht geklagt. Eine Entscheidung sei noch ausständig.

Der Kläger sei für eine mj Tochter im Alter von 14 Jahren sorgepflichtig und habe monatliche Kreditrückzahlungen inklusiver laufender Kosten von rund 1.100 EUR.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie habe regulär die Volks- und Hauptschule absolviert. Auf Grund von Spannungen mit ihrer Mutter sei sie im letzten Schuljahr sowohl von zu Hause als auch auf einem späteren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik ausgerissen. Die Ausbildung als Friseurlehrling sei während der Probezeit vom Dienstgeber aufgelöst worden. Dies sei wegen Krankenständen geschehen und sie habe sich beim AMS als arbeitssuchend gemeldet. Sie sei trotz mehrfacher Vorstellung nie in ein Lehrverhältnis übernommen worden. Sie habe Ausbildungslehrgänge besucht. Während der Schwangerschaft zu ihrem ersten Kind habe sie einen Kurs des WIFI besucht. Ein Kurs auf Grund eines vom AMS geförderten Ausbildungsvertrags sei von ihr abgebrochen worden, weil sie eine Beschäftigung in einer Bäckerei habe antreten können. Sie habe dort monatlich 166,66 EUR verdient. Auf Grund der bevorstehenden Geburt ihrer Tochter sei sie aus dem Beschäftigungsverhältnis am 3. Jänner 2005 ausgeschieden. Seit deren Geburt verfüge sie über ein Einkommen von 4,83 EUR an Kinderbetreuungsgeld zuzüglich eines Zuschusses von 6,06 EUR täglich. Sie sei nicht in der Lage, ein Einkommen zu erwirtschaften, ohne das Wohl ihrer Tochter zu gefährden, weshalb sie nicht selbsterhaltungsfähig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen sei die Beklagte mit Aufnahme ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft nicht mehr als willig anzusehen, eine Ausbildung anzustreben und einen Lehrabschluss zu erreichen. Der Wechsel sei eine bewusste Entscheidung gegen eine weitere Ausbildung und für den direkten Eintritt ins Erwerbsleben, wenngleich auf Niveau einer Hilfskraft, was rechtlich als Ausbildungsunwilligkeit zu qualifizieren sei. Sie sei dem Pflichtschulalter entwachsen und an sich zum Abschluss einer die Selbsterhaltungsfähigkeit bewirkenden angemessenen Ausbildung oder zu einem sonstigen bedarfsdeckenden Erwerb in der Lage. Sie müsse sich deshalb ab August 2004 wie eine Selbsterhaltungsfähige behandeln lassen. Der Unterhaltsanspruch sei daher erloschen durch die Geburt eines Kindes lebe dieser nicht wieder auf.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in eine Klageabweisung ab. Es teilte nicht die Rechtsansicht der ersten Instanz, dass der Beklagten Ausbildungsunwilligkeit vorzuwerfen sei. Selbsterhaltungsfähigkeit sei grundsätzlich dann gegeben, wenn das Kind die erforderlichen Mittel zur Deckung seines gesamten Unterhalts selbst erwerbe oder dazu auf Grund einer zumutbaren Beschäftigung in der Lage sei. Jedenfalls zumutbar sei die Erwerbsfähigkeit in einem Beruf, der den Anlagen, Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entspreche. Nach Abschluss einer Berufsausbildung sei daher die Selbsterhaltungsfähigkeit grundsätzlich eingetreten. Das Kind verliere seinen Unterhaltsanspruch aber nicht automatisch mit Abschluss der Berufsausbildung, sondern nur dann, wenn es die Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit aus Verschulden unterlasse. Auch bei Verlust eines Arbeitsplatzes komme es darauf an, ob sich das Kind zielstrebig bemühe, einen neuen Arbeitsplatz zu finden oder ob es passiv bleibe, obwohl entsprechende Bemühungen möglich wären. Verschulden am Arbeitsplatzverlust schließe das Wiederaufleben der Unterhaltspflichten nicht aus. Der Unterhaltsberechtigte könne seinen Unterhaltsanspruch wegen (fiktiver) Selbsterhaltungsfähigkeit nur dann verlieren, wenn er arbeits- und ausbildungswillig sei, ohne dass ihm krankheits- oder entwicklungsbedingt die Fähigkeit fehlte, für sich selbst aufzukommen. Solange sich der arbeitsfähige Minderjährige zielstrebig bemühe, einen (neuen) Arbeitsplatz zu finden, bleibe sein Unterhaltsanspruch bestehen. In einem solchen Fall lasse der, wenn auch verschuldete, Verlust des Arbeitsplatzes nicht den Schluss zu, dass der Minderjährige arbeitsunwillig wäre. Für die Bejahung der fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit reiche es nicht aus, abstrakt zu prüfen, ob Arbeitsplätze vorhanden gewesen wären, deren Anforderungen das Kind entsprochen hätte. Ein Verschulden könne nur dann angenommen werden, wenn das Kind konkret die Möglichkeiten ausgeschlagen hätte, einen Arbeitsplatz zu erlangen. Nach den Feststellungen sei der Vorwurf eines Verschuldens der Beklagten an der Beendigung ihrer Friseurlehre nicht gerechtfertigt. Es sei aber davon auszugehen, dass sie an der Auflösung des Ausbildungslehrgangs bei einer GmbH ab März 2004 ein Verschulden treffe. Das bleibe jedoch ohne Auswirkung auf ihren Unterhaltsanspruch, habe es sich hier doch nur um einen allgemeinen Ausbildungslehrgang als Vorstufe für ein später erhofftes Lehrverhältnis gehandelt. Es sei damit keine konkrete Möglichkeit verbunden gewesen, einen Arbeitsplatz zu erlangen. Demnach könne der Abbruch dieses Lehrgangs nicht einmal als Scheitern einer Berufsausbildung betrachtet werden. Aus der von ihr verschuldeten Auflösung des Ausbildungslehrgangs könne die fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit nicht abgeleitet werden, weil sie Bemühung gezeigt habe, eigenes Einkommen, und sei es auch als Reinigungskraft, zu erwirtschaften. Angesichts ihrer Sorgepflicht für ein damals knapp zehn Monate altes Kind sei der Umstand, dass sie lieber als Reinigungskraft 216 EUR statt nur 150 EUR verdient habe, nicht als Berufsunwilligkeit auszulegen. Anhaltspunkte dafür, dass sie trotz der bestehenden Umstände eine besser dotierte Erwerbstätigkeit ausüben hätte können, lägen nicht vor und seien auch nicht behauptet worden.

Wegen der im Oppositionsverfahren bestehenden Eventualmaxime sei es dem Berufungsgericht verwehrt, eine allenfalls später eingetretene (Teil-)Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten im Hinblick auf das gesetzlich zustehende, allerdings nicht festgestellte Kinderbetreuungsgeld zu prüfen bzw. zur Prüfung Verfahrensergänzungen zu veranlassen. Die Klage sei auf von der Beklagten selbst verschuldetes „Nichteinkommen" gestützt worden. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehe, dass ihm die Geburt des zweiten Kindes der Beklagten zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht bekannt gewesen sei, hätte er jedenfalls nach deren Schriftsatz ON 9 [richtig: ON 8] ein entsprechendes Vorbringen erstatten müssen. Darin habe sie auf den Bezug des Kindergelds hingewiesen. Dessen Höhe sei gesetzlich geregelt, weshalb der Kläger spätestens in der mündlichen Tagsatzung vom 25. August 2005 ergänzendes Vorbringen hätte erstatten müssen.

Da die Beklagte zumindest bis zum Übertritt in den vorzeitigen Mutterschutz mehr Einkommen erwirtschaftet habe, als sie während des allgemeinen Ausbildungslehrgangs erlangt hatte und ihr für den Entfall auch dieses Einkommens infolge Schwangerschaft kein Verschulden angelastet werden könne, sei nicht von einer fiktiven Selbsterhaltungsfähikeit auszugehen; der Unterhaltsanspruch daher auch nicht erloschen.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es bestehe zur Frage, inwieweit die Eventualmaxime beim Einwand der Selbsterhaltungsfähigkeit im Oppositionsprozess unter Berücksichtigung der §§ 180, 182a ZPO eine Verfahrensergänzung zur Erörterung explizit nicht vorgebrachter, aber zur Beurteilung der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit relevanter Tatsachen erlaube, oberstgerichtliche Rsp fehle.

Die Revision ist entgegen diesen den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch der zweiten Instanz nicht zulässig.

Zum Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO schließt sich der Kläger allein der Begründung der zweiten Instanz an, ohne weitere erhebliche Rechtsfragen geltend zu machen. In der Sache beharrt der Kläger darauf, dass sich die Beklagte wie eine Selbsterhaltungsfähige behandeln lassen müsse, weil sie arbeits- und ausbildungsunwillig sei, ohne dass ihr krankheits- oder entwicklungsbedingt die Fähigkeit fehlte, für sich selbst aufzukommen.

Im Zusammenhang mit den staatlichen Transferleistungen an die Beklagte rügt der Kläger das Fehlen einer Feststellung, wonach es dieser auf Grund von staatlichen Transferleistungen und Unterstützungen von Dritten unter Berücksichtigung einer möglichen Berufstätigkeiten jedenfalls möglich gewesen wäre, die Selbsterhaltungsfähigkeit zu erreichen. Es lägen entsprechende Beweisergebnisse durch die Einvernahme der Beklagten selbst vor. Das Erstgericht habe weder § 180 ZPO folgend dafür Sorge getragen, dass die Sache erschöpfend erörtert werde, noch sei mit den Parteien iSd § 182a ZPO die Problematik der konkreten Unterhaltsberechnung bzw. Anrechenbarkeit von Leistungen an die Beklagte erörtert worden. Er selbst habe kein weiteres Vorbringen erstattet, auch im Hinblick darauf, dass dieses den Verfahrensaufwand vergrößert hätte, insbesondere jedoch deshalb, weil dem Klagebegehren schon wegen verschuldeter Unterhaltsverwirkung stattzugeben gewesen wäre. Diese Rechtsfrage sei alleine Gegenstand der Verhandlung in erster Instanz gewesen. Auch die Beklagte habe die konkrete Unterhaltsberechnung und diese Anrechenbarkeit von Leistungen in erster Instanz nicht releviert und könne sich somit iSd Waffengleichheit vor Gericht nicht in der Berufungsinstanz darauf berufen, dass er kein Tatsachenvorbringen erstattet habe. Da sich die Pflicht zur Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringen auf das gesamte Verfahren erstrecke, hätte das Berufungsgericht die Ergänzung des Verfahrens veranlassen müssen. Es sei weder gesetzlich geregelt noch vom Gesetzgeber gewollt, dass die Eventualmaxime des § 35 EO den §§ 180, 182 ZPO vorgehe.

Rechtliche Beurteilung

Was die Verneinung der fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten durch die zweite Instanz angeht, macht der Kläger weder ausdrücklich noch der Sache nach erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend.

Die Rechtsrüge des Klägers bezieht sich ebenso wie die zweite Instanz auf die Entscheidung 4 Ob 13/01t = EvBl 2001/117, worin im konkreten Fall die Selbsterhaltungsfähigkeit bejaht wurde. Es wird aber nicht dargelegt, inwieweit die zweite Instanz von deren Grundsätzen abgewichen sein soll. Auch aus der weiters zitierten Entscheidung 1 Ob 630/78 = SZ 51/90 = JBl 1979, 482 lässt sich die Unrichtigkeit der Rechtsansicht der zweiten Instanz nicht ohne weiteres ableiten. In Wahrheit handelte es sich um die Bestätigung eines zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschlusses, nachdem in erster Instanz der Oppositionsklage stattgegeben worden war. Die Ausführungen in der Revision übergehen jedoch völlig, dass sich die Beklagte mit 3. Jänner 2005 (also zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums) gesundheitsbedingt in vorzeitigen Mutterschutz begeben musste und im April dieses Jahres ihr zweites Kind zur Welt brachte. Insgesamt lassen die Ausführungen in der Revision nicht erkennen, dass das Gericht zweiter Instanz von der Rsp des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre.

Soweit sich der Revision entnehmen lässt, der Kläger mache auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend (wegen Verletzung nach §§ 180, 182a ZPO), ist ihm zu erwidern, dass nur Mängel des Berufungsverfahrens den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO herstellen können. Ein derartiger Mangel erster Instanz war aber nicht Gegenstand der Rechtsmittelschriften im Berufungsverfahren, weshalb er keinesfalls mit Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden kann (Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 3 mwN).

In Betracht käme allein ein Verfahrensmangel zweiter Instanz, welchen der Kläger auch geltend macht. In diesem Punkt ist aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zu verneinen, weil es zur Auslegung des § 35 Abs 3 ZPO, worin die Eventualmaxime im Oppositionsprozess festgelegt wird, eine reichhaltige Judikatur gibt (vgl etwa Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 95 Rz 82 ff mwN).

Auch zum Verhältnis zwischen der materiellen Prozessleitungspflicht der Gerichte nach § 182 ZPO zur Eventualmaxime nahm der Oberste Gerichtshof bereits Stellung (vgl. 2 Ob 429/56; 3 Ob 202/02f; 3 Ob 30/04i = EvBl 2004/187 = RdW 2004, 600). Die Änderungen der Anleitungs- und Erörterungspflicht durch die ZVN 2002 geben keinen Anlass zu einer neuen Bewertung dieser Fragen. Vielmehr ist daran festzuhalten, dass § 35 Abs 3 EO jenen Rahmen festlegt, in dem Erörterungen und Anleitungen stattfinden können. Demgemäß entspricht es der stRsp und Lehre, dass zwar im Oppositionsprozess nachträglich Ergänzungen des Vorbringens zulässig sind, soweit sie die vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen oder präzisieren bzw richtig stellen, ergänzen oder erläutern (Dullinger aaO Rz 83; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 86, je mwN), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (3 Ob 30/04i). Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, handelt es sich bei der Behauptung, der Unterhaltsberechtigte sei deswegen (fiktiv) unterhaltsberechtigt, weil er arbeits- und ausbildungsunwillig sei, um einen völlig anderen Oppositionsgrund als bei jenem, mit dem vorgebracht wird, dieser verfüge bereits tatsächlich über ein selbsterhaltungsfähig machendes Einkommen. Auf ein solches stützte sich der Kläger in erster Instanz niemals. Darauf ist daher das Berufungsgericht mit Recht im Lichte der bisherigen Rsp nicht eingegangen. Somit sind auch in diesem Zusammenhang vom Obersten Gerichtshof erhebliche Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten.

Die Revision ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO; die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.

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