OGH 7Ob141/06w

OGH7Ob141/06w21.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johannes P*****, gegen die beklagte Partei Mag. Andrea E*****, als Masseverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Elisabeth E*****, wegen EUR 14.026,13 sA, aus Anlass der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2006, 12 R 75/05w-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 7. Jänner 2005, GZ 14 Cg 19/01v-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Mit der am 5. 4. 2001 eingebrachten Honorarklage begehrte der klägerische Rechtsanwalt die Verurteilung der Beklagten Elisabeth E***** zur Zahlung von S 193.003,80 sA (= EUR 14.026,80). Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision vorbehaltlich der Bestimmung des § 508 ZPO nicht zulässig sei.

Über Abänderungsantrag des Klägers änderte das Berufungsgericht in der Folge diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde; gleichzeitig wurde die Bezeichnung der beklagten Partei auf die im Schuldenregulierungsverfahren bestellte Masseverwalterin berichtigt.

Der Oberste Gerichtshof gab hierauf der Revision des Klägers mit Beschluss vom 28. 11. 2005, 7 Ob 273/05f-28a, Folge, hob das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes als nichtig auf und bestimmte die Kosten des Revisionsverfahrens als weitere Verfahrenskosten. Grund hiefür war der vom Berufungsgericht bei seiner Entscheidung vom 29. 7. 2005 übersehene Umstand, dass über das Vermögen der vormaligen Beklagten und nunmehrigen Gemeinschuldnerin bereits am 18. 5. 2005 zu 3 S 11/05b des Bezirksgerichtes Liesing ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden war.

Über Fortsetzungsantrag der Masseverwalterin wurde das Berufungsverfahren vom Berufungsgericht wieder aufgenommen, der Berufung des Klägers - abermals - nicht Folge gegeben und erneut ausgesprochen, dass die ordentliche Revision vorbehaltlich der Bestimmung des § 508 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhob der Kläger Revision, eventualiter Antrag gemäß § 508 ZPO mit dem Begehren, das bekämpfte Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Die Reihung seiner Rechtsmittelanträge (primär Revision, hilfsweise Abänderungsantrag nach § 508 ZPO) begründet der Kläger damit, dass „der im Rechtsmittelverfahren herrschende Grundsatz der Einmaligkeit nur dahin verstanden werden kann, dass der einmal vom Berufungsgericht vorgenommene Ausspruch über die grundsätzliche Bekämpfbarkeit seiner Entscheidung auch für den nachfolgenden Rechtsgang Wirkung hat", sodass schon „allein diese Selbstbindung des Berufungsgerichtes an seinen eigenen Ausspruch bewirkt, dass das gegenständliche Rechtsmittel - abermals - als ordentliche Revision zulässig ist". Durch die Aufhebung des ersten Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof als nichtig werde dieses „so behandelt, als wäre es nicht ergangen", sodass das Berufungsgericht „den Parteien die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel des Klägers schuldete, dh dass das Verfahren in jenes Stadium zurückgetreten ist, zu dem das Rechtsmittel im ersten Rechtsgang angebracht wurde"; erst „danach" sei die Zulässigkeitserklärung des Berufungsgerichtes ergangen, weshalb das Rechtsmittel dem Höchstgericht als ordentliche Revision vorzulegen sei.

Das Erstgericht verfügte hierauf „Vorlagebericht an OGH (ao Rev)"; das Oberlandesgericht Wien schloss sich dieser Vorgangsweise mit dem zusätzlichen Hinweis an, dass es aufgrund der Reihung über den Antrag des Revisionswerbers nach § 508 ZPO „derzeit" nicht entscheiden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die vorliegende Rechtssache fällt nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 502 Abs 5 ZPO. Demgemäß ist für die Zulässigkeit der Revision zufolge des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht (im ersten wie im zweiten Rechtsgang) zu entscheiden hatte, § 502 Abs 3 ZPO maßgeblich. Danach ist die Revision - außer im Falle des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar EUR 4.000, nicht aber insgesamt EUR 20.000 übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Wird in einer solchen Rechtssache ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist, kann jedoch jede Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; mit dem selben Schriftsatz ist die ordentliche Revision auszuführen.

Diese (zwingende) Vorgangsweise ist daher auch hier - so wie bereits im ersten Rechtsgang gegen das erste Urteil des Berufungsgerichtes vom 29. 7. 2005 - einzuhalten. Der Zivilprozessordnung ist ein Rechtssatz fremd, wonach ein Gericht zweiter Instanz im Berufungsverfahren an seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision in einem vorherigen Rechtsgang innerhalb desselben Rechtsstreites gebunden wäre, kann sich doch die Beurteilungsgrundlage hiefür maßgeblich ändern (vgl 1 Ob 225/99s zum Bewertungsausspruch). Eine - wie vom Rechtsmittelwerber formuliert - „Selbstbindung" besteht für das Berufungsgericht bloß unter Umständen gemäß § 499 ZPO im Rahmen eines Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses (Pimmer in Fasching/Konecny, ZPO² Rz 16 zu § 499; gleichermaßen auch § 511 ZPO für den Obersten Gerichtshof). Der im selben Sinnzusammenhang vom Rechtsmittelwerber zitierte „Grundsatz der Einmaligkeit" wird von diesem (ebenfalls) missverstanden, besagt dieser doch bloß, dass die Ergreifung eines Rechtsmittels als einheitliche, abgeschlossene Prozesshandlung einer Partei gegen die selbe Entscheidung nur einmal zusteht (RIS-Justiz RS0041666; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² Rz 4 ff zu § 505; die vom Kläger zitierte Fundstelle Zechner, aaO Rz 16 zu § 508 behandelt nur den hier nicht vorliegenden Fall eines nachträglichen Berichtigungsbeschlusses durch das Berufungsgericht). Das verfahrensmäßige Schicksal der Rechtsmittelzulässigkeit der zweiten berufungsgerichtlichen Hauptsachenentscheidung kann damit nicht in einen „bindungsmäßigen" Zusammenhang (Gleichklang) zu dessen ersten, über Abänderungsbeschluss des Zulässigkeitsausspruches vom Obersten Gerichtshof aufgehobenen Entscheidung gebracht werden, sondern richtet sich wiederum ausschließlich nach den in § 508 ZPO gesetzlich vorgegebenen Abläufen. Der hievon abweichende Reihungsantrag des Klägers vermag diese zwingenden gesetzlichen Vorgaben nicht außer Wirksamkeit zu setzen (vgl hiezu auch 1 Ob 166/99i, 9 Ob 124/99x, 3 Ob 25/03b und 3 Ob 119/04b jeweils bei Reihungsanträgen einer außerordentlichen Revision bzw eines außerordentlichen Revisionsrekurses samt gleichzeitigem Antrag nach § 508 ZPO bzw § 14a AußStrG aF).

Ausschließlich dem Berufungsgericht obliegt es damit, über den einzig zulässigen Antrag auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision iSd § 508 Abs 3 oder 4 ZPO zu entscheiden, weshalb die Akten dem Erstgericht zur Vorlage an das Gericht zweiter Instanz gemäß § 507b Abs 2 ZPO rückzuleiten sind. Für eine Behandlung des Rechtsmittel bereits im derzeitigen Verfahrensstadium als „ordentliche Revision" besteht für den Obersten Gerichtshof mangels gesetzlicher Grundlage keine funktionelle Zuständigkeit. Es war daher wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen.

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