OGH 3Ob87/05y

OGH3Ob87/05y30.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Claudia W*****, 2. Mag. Leopold W*****, 3. Claudia B*****, 4. Georg B*****, 5. A*****, 6. V***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Thomas M*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1 Mio. EUR s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. November 2004, GZ 14 R 89/03s‑14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. März 2003, GZ 21 Cg 109/02g‑10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:0030OB00087.05Y.0530.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 45.909,15 EUR (darin 1.810,41 EUR USt und 35.046,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach folgenden Anteilen zu ersetzen:

die Erstklägerin 17,6 %, der Zweitkläger 1,6 %, die Drittklägerin 13,3 %, der Viertkläger 1 %, die Fünftklägerin 1,2 % und die Sechstklägerin 65,3 %.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Sechstklägerin schloss ua gemeinsam mit der ICC ***** AG, ***** (im Folgenden: ICC) am 22. Mai 1992 einen Kooperationsvertrag mit der Hauptstadt der Slowakischen Republik Bratislava und dem Stadtteil Bratislava Altstadt (im Folgenden gemeinsam: Bratislava) für die Revitalisierung dieser Altstadt. Im Kooperationsvertrag war eine Schiedsklausel enthalten. Die Sechstklägerin erhob am 21. Februar 1994 wegen Vertragsverletzungen eine Schiedsklage gegen Bratislava und erwirkte den Schiedsspruch vom 29. Juli 1997, Sch 4432, des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich, worin die Stadt Bratislava zur Zahlung von 123,5 Mio. S s.A. verpflichtet wurde.

Bei Abschluss des Kooperationsvertrags, dessen Punkt 26.1 die Schiedsklausel enthält, war die ICC durch Prof. Dipl. Ing. Dr. Kurt K***** als Bevollmächtigter vertreten.

Die im Schiedsverfahren unterlegenen Beklagten erhoben Klage auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs, der mit Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. März 1998, GZ 18 Cg 148/97x‑25, bestätigt mit Urteilen des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 1998, GZ 4 R 108/98a‑44, und des Obersten Gerichtshofs als Revisionsgericht vom 26. Jänner 2000, GZ 7 Ob 368/98p, 369/98k‑60, stattgegeben wurde.

Im Aufhebungsverfahren war der Beklagte anwaltlicher Vertreter der Sechstklägerin bis zum Abschluss des Verfahrens zweiter Instanz. Sein Ansprechpartner und Alleinvertretungsbefugte der Sechstklägerin war deren Geschäftsführer, der nunmehrige Zweitkläger. Der Viertkläger war Gesellschafter der Sechstklägerin.

Im Aufhebungsverfahren behaupteten die dortigen Kläger ua, dass DI Dr. K***** als Bevollmächtigter der ICC nicht ausreichend vertretungsbefugt gewesen sei, um eine Schiedsklausel zu vereinbaren. Es habe an einer entsprechenden Spezialvollmacht gemangelt.

Der Beklagte verfasste darauf hin als Vertreter der Beklagten im Aufhebungsprozess die Klagebeantwortung. Nach Erhalt des auf die Klagebeantwortung folgenden Schriftsatzes der Kläger führte der Beklagte vor Verfassung seines replizierenden Schriftsatzes mit dem Zweitkläger ein Gespräch, in dem er diesen aufforderte, die Vollmachten, die DI Dr. K***** bei Abschluss des Kooperationsvertrags hatte, beizuschaffen, weil die Gegenseite behauptet hätte, DI Dr. K***** habe keine Spezialvollmacht gehabt. Er fragte den Zweitkläger, welche Vollmachten es denn gäbe. Der Zweitkläger teilte dem Beklagten mit, dass DI Dr. K***** ihn auf seine Nachfrage informiert habe, dass er eine Vollmacht bei Abschluss des Kooperationsvertrags dem Bürgermeister der Stadt Bratislava vorgelegt hätte, dass dieser die Vollmacht eingesteckt und DI Dr. K***** seither daher keine Kopie davon habe.

Am 12. Februar 1998 erhielt der Beklagte vom Zweitkläger die „Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht vom 22. Juni 1992" (Beil ./F). Dem Beklagten war nicht bewusst, dass diese Vollmacht inhaltlich nicht einer Spezialvollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung iSd § 1008 ABGB entsprach und daher nicht ausreichend war. Der Beklagte befasste sich nicht näher mit diesem Problem, weil ihm wegen der Datierung der Beil ./F klar war, dass diese Vollmacht nicht diejenige sein konnte, die DI Dr. K***** bei Abschluss des Kooperationsvertrags gehabt und die der Beklagte vom Zweitkläger verlangt hatte. Es handelte sich bei dieser „Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht" um eine nachträgliche, am 22. Juni 1992 erstellte Genehmigung des schon am 22. Mai 1992 abgeschlossenen Kooperationsvertrags. Auch dem Text der Vollmacht ließ sich entnehmen, dass darin nur der Kooperationsvertrag nachträglich genehmigt wurde.

Dies teilte der Beklagte dem Zweitkläger telefonisch mit und fragte wieder nach, wo die Kopie der Vollmacht sei, die DI Dr. K***** bei Abschluss des Kooperationsvertrags tatsächlich gehabt hatte. Diese Vollmacht solle der Zweitkläger auftreiben, und zwar entweder in der Slowakei oder bei ICC in Liechtenstein, er solle auch in seinen Akten oder in denen von DI Dr. K***** nachsehen. Der Beklagte wies den Zweitkläger noch vor der letzten Verhandlung erster Instanz darauf hin, dass „die Vollmacht her müsse, egal wie".

Vor der letzten Verhandlung erster Instanz im Aufhebungsprozess am 24. Februar 1998 erhielt der Beklagte vom Zweitkläger eine weitere Vollmacht der ICC an DI Dr. K***** vom 17. März 1989. Der Zweitkläger teilte dem Beklagten dazu mit, dass dies diejenige Vollmacht sei, die DI Dr. K***** bei Abschluss des Kooperationsvertrags vorgelegt habe. Auch diese allgemeine Vollmacht war iSd § 1008 ABGB inhaltlich nicht ausreichend, um zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung zu berechtigen. Der Beklagte selbst war sich auch zu diesem Zeitpunkt nicht im Klaren, welche Vollmachten nach § 1008 ABGB vorliegen müssen. Er führte unmittelbar vor und nach der Verhandlung am 24. Februar 1998 mit dem Zweitkläger und im Beisein des nunmehrigen Viertklägers ein Gespräch über die in der Verhandlung vorzulegenden Vollmachten. Er erklärte nicht, dass die nachträgliche Genehmigungserklärung in dieser Form reichen würde und keine Notwendigkeit bestünde, eine andere Vollmacht beizubringen. Er teilte dem Zweitkläger mit, dass erst im Laufe des Aufhebungsverfahrens neu erstellte Vollmachten, wie der Zweitkläger es vorschlug, nutzlos wären.

Erst nach Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 26. Jänner 2000, GZ 7 Ob 368/98p, 369/98k‑60, suchte DI Dr. K***** in seinen Akten und fand Kopien von zwei weiteren Vollmachten. Eine Vollmacht ist eine allgemeine vom 20. März 1990. Bei der zweiten Vollmacht handelt es sich inhaltlich um eine Spezialvollmacht iSd § 1008 ABGB. Sie war am 29. Oktober 1991 von Dipl. Ing. Norbert V*****, dem zweiten einzeln vertretungsbefugten Verwaltungsrat der ICC, an DI Dr. K***** erteilt worden.

Mit der vorliegenden Klage begehrten die klagenden Parteien vom beklagten Rechtsanwalt, der die Sechstklägerin im Schiedsverfahren und im Verfahren auf Aufhebung des Schiedsspruchs in erster und in zweiter Instanz vertreten hatte, Zahlung von 1 Mio EUR sA. Der Beklagte habe im Aufhebungsverfahren eine von der ICC am 22. Juni 1992 (also einen Monat nach Abschluss des Kooperationsvertrags) ausgestellte „Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht" dem Gericht vorgelegt (Beil ./F). Unmittelbar vor dem nächsten Termin habe eine eingehende Vorbesprechung zwischen dem Beklagten, dem (nunmehrigen) Zweitkläger und dem Viertkläger stattgefunden, in der erörtert worden sei, welche Vollmachten bei der Verhandlung vorgelegt werden sollten. Der Zweitkläger sei im Unklaren gewesen, was unter einer „ausreichenden Vollmacht" zu verstehen sei, insb was genau mit einer Spezialvollmacht gemeint sei. Der Zweitkläger habe bei diesem Gespräch wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass jederzeit eine neue Vollmacht von DI Dr. K***** vorgelegt werden könne, wie sie die Gegenseite verlange. Der Beklagte habe daraufhin erklärt, dass keinerlei Notwendigkeit bestehe, eine andere Vollmacht als die vorgelegte Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht beizubringen, zumal eine neue, viele Jahre später erteilte Vollmacht sowieso nutzlos und unsinnig wäre. Er habe daher die Beilage ./F als ausreichende Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht angesehen, obwohl diese nicht iSd § 1008 ABGB ausdrücklich Bezug auf den Abschluss eines Schiedsvertrags bzw einer Schiedsklausel genommen habe. Der Beklagte habe bei diesen Gesprächen kein Wort über die in § 1008 ABGB enthaltene Spezialbestimmung für den Abschluss eines Schiedsvertrags oder einer Schiedsklausel verloren. Auf § 1008 ABGB habe erst das Handelsgericht Wien in seinem Urteil Bezug genommen. Erst damit sei dem Beklagten die Bedeutung des § 1008 ABGB für die Causa bewusst geworden. Der Zweitkläger habe daraufhin von DI Dr. K***** erfahren, dass dieser schon vor dem Vertragsabschluss über eine ausdrücklich auf den Abschluss einer Schiedsklausel lautende Spezialvollmacht verfügt hatte, die in zwei Urkunden vom 20. März 1990 und vom 29. Oktober 1991 dokumentiert sei.

Da der Beklagte mit der Ansicht des Obersten Gerichtshofs, die vorgelegte Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht decke nicht die notwendige Schiedsklausel, rechnen und schon bei der Vorbereitung im Aufhebungsprozess darüber aufklären hätte müssen, welche Vollmachten zur konkreten Widerlegung der Ansprüche der Stadt Bratislava erforderlich gewesen seien, habe er das Unterliegen im Aufhebungsprozess verschuldet.

Die Sechstklägerin habe daher Ansprüche auf Schadenersatz gegen den Beklagten von 9,246.107,87 EUR s.A., wolle den Beklagten aber nicht um seine Existenz bringen und mache daher unpräjudiziell nur 1 Mio. EUR geltend.

Zur Finanzierung des Schiedsgerichtsverfahrens sowie der anschließenden Prozesse seien der Sechstklägerin von den erst- bis fünftklagenden Parteien laufend Darlehen gewährt worden, weshalb ihnen Teile der Schadenersatzforderung zediert worden seien, die sie nun geltend machten.

Der Beklagte wendete ua ein, die Aufhebung des Schiedsspruchs habe nicht bloß auf dem Fehlen einer Spezialvollmacht von DI Dr. K***** beruht. Die Sechstklägerin sei auch nur als Vertreterin der Investment Gesellschaft INGES (in der Folge: INGES) tätig geworden. Bratislava habe daher zur Aufhebung des Schiedsspruchs nicht nur die nicht ausreichende Vollmacht von DI Dr. K***** ins Treffen geführt, sondern weiters releviert, dass die Sechstklägerin damals bloß als Vertreterin einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht aufgetreten sei und auch nicht über eine entsprechende Vollmacht verfügt habe. Die Vertreter der Stadt Bratislava seien nicht zum Abschluss des Kooperationsvertrags ermächtigt gewesen, weil die Zustimmung der Stadtverwaltung gefehlt habe. Bratislava sei im Schiedsverfahren in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden, eine Vielzahl von Verfahrensverstößen habe stattgefunden, so sei eine Ablehnung des Schiedsrichters Dr. E***** zu Unrecht verworfen worden. Das Schiedsgericht habe weiters den ordre public verletzt, weil es eine dem österr. Recht fremde Schadensverlagerung von der INGES auf die Sechstklägerin angenommen habe.

Der Beklagte bestritt auch sein Verschulden an der Entscheidung im Aufhebungsverfahren. Vor der Entscheidung des Höchstgerichts habe auch der Zweitkläger nichts von bestehenden Vollmachten gewusst, obwohl er als Geschäftsführer der Sechstklägerin die wesentliche Informationsquelle für den Beklagten gewesen sei. Es sei damals behauptet worden, die schriftliche Vollmacht sei von den slowakischen Vertragspartnern eingesteckt worden und DI Dr. K***** habe keine Kopie davon. Ihm könne daher nicht vorgeworfen werden, dass er keine Vollmachten vorlegen konnte, weil diese ja nicht vorhanden schienen. Auch habe der Beklagte dringend urgiert, dass die Vollmachtskopie übergeben werden solle; der Zweitkläger habe ihm darauf mitgeteilt, dass DI Dr. K***** erklärt habe, keine Vollmachtskopien zu besitzen. Den Beklagten treffe keine Verpflichtung, die Wahrheit der Informationen seines Mandanten zu überprüfen. Es könne von ihm auch nicht verlangt werden, hinter dem Rücken seines Klienten Erhebungen zu pflegen.

Er habe niemals erklärt, dass keine Notwendigkeit bestünde, eine andere Vollmacht als die Genehmigungserklärung und Spezialvollmacht beizubringen. Seine Meinung, die vorgelegten Urkunden Beil ./F müssten ausreichen, den von den Klägerin im Aufhebungsverfahren behaupteten Vollmachtsmangel zu widerlegen, stütze sich auf ein Gutachten des beigezogenen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. B*****; dies sei keine unvertretbare Rechtsansicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; den im Wesentlichen bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, Rechtsanwälte schuldeten keinen bestimmten Erfolg, sondern fachgemäße Beratung und Betreuung des Klienten. Die Nichterfüllung bestehe im Fall solcher Sorgfaltsverbindlichkeiten in der Sorgfaltsverletzung, die als Ursache des entstandenen Schadens vom Klienten zu beweisen sei.

Ein sorgfältiges Handeln im vorliegenden Fall setze voraus, dass der Beklagte die Kläger zur Vorlage der Vollmachten aufgefordert habe, um der Behauptung des Fehlens einer Spezialvollmacht durch die Prozessgegner entgegen zu wirken. Dies sei im konkreten Fall auch geschehen, indem der Beklagte den Zweitkläger aufgefordert hätte, die Vollmachten vorzulegen, die DI Dr. K***** damals bei Abschluss des Kooperationsvertrags hatte. Damit der Beklagte seiner Sorgfaltspflicht als Anwalt ordnungsgemäß nachkommen könne, sei ein Mitwirken seiner Mandantschaft erforderlich, das heißt im konkreten Fall, wäre der Zweitkläger als Vertreter der damals beklagten VIP gehalten gewesen, die Vollmachten, die DI Dr. K***** zum Zeitpunkt des Kooperationsvertrags gehabt hatte, vorzulegen. Der Zweitkläger habe dem Beklagten im Laufe des Aufhebungsvertrags nur zwei Vollmachten vorgelegt. Von der Existenz einer weiteren Vollmacht habe der Beklagte - möglicherweise auch der Zweitkläger - erst nach Ende des Aufhebungsverfahrens erfahren. Der gemäß § 1299 ABGB erhöhte Sorgfaltsmaßstab eines Rechtsanwalts sei nicht so hoch anzusetzen, dass er damit rechnen müsse, dass entgegen seiner Aufforderung Dokumente - von wem immer - zurückgehalten werden. Darin, dass der Beklagte vom Zweitkläger nicht ausdrücklich eine „Spezialvollmacht" verlangt oder deren notwendigen Inhalt mit dem Zweitkläger nicht besprochen habe, liege kein Sorgfaltsverstoß; es habe aus seiner Sicht genügen müssen, den Zweitkläger zur Herausgabe der von DI Dr. K***** bei Vertragsabschluss innegehabten Vollmachten aufzufordern, was nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch eine allfällige Spezialvollmacht miteinschließe. Seine Aufgabe als Rechtsanwalt wäre dann gewesen, die Spezialvollmacht aus allenfalls mehreren Vollmachten, die er von seiner Mandantschaft erhalten habe, als solche zu erkennen und vorzulegen. Das Erstellen einer neuen Spezialvollmacht mit ausreichendem Inhalt nach Abschluss des Schiedsverfahrens hätte keine rechtliche Bedeutung gehabt. Ein Rechtsanwalt müsse nicht damit rechnen, dass seine Klienten seiner Aufforderung nur unvollständig nachkomme. Es sei nicht seine Pflicht, nachzuprüfen, ob seine Mandantschaft seinem Ersuchen um Vorlage von Urkunden ausreichend Folge leiste; dies wäre eine unzulässige Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes. Im Ergebnis habe der Beklagte darauf vertrauen dürfen, vom Zweitkläger alle Vollmachten erhalten zu haben, die DI Dr. K***** bei Abschluss des Kooperationsvertrags gehabt habe. Es könne ihm nicht als Sorgfaltsverstoß angerechnet werden, dass er nach deren Erhalt nicht nach weiteren Vollmachten geforscht habe, weil er nicht mit der Existenz solcher weiterer - ihm nicht übergebener - Vollmachten zu rechnen brauchte.

Das Verhalten des Beklagten sei außerdem nicht kausal für den Eintritt des Schadens, nämlich für die Aufhebung des Schiedsspruchs, weil schon unabhängig vom Fehlen einer Spezialvollmacht keine wirksame Schiedsvereinbarung mit der Sechstklägerin geschlossen worden sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück; es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, welche Verpflichtungen den Rechtsanwalt träfen, wenn es um die Beischaffung von Beweismitteln gehe, habe über den Einzelfall weit hinausreichende Bedeutung und sei vom Obersten Gerichtshof, soweit überblickbar, noch nicht in vergleichbarem Zusammenhang ausgesprochen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, zur wichtigsten Aufgabe des Rechtsanwalts zähle die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten. Nur der Rechtsanwalt könne wissen, welche Tatsachen für die anstehenden Rechtsfragen von Bedeutung seien, weshalb er den Mandanten entsprechend befragen und auf die Vervollständigung einer lückenhaften oder oberflächlichen Information dringen müsse. Zwar bestehe keine allgemeine Pflicht zur Prüfung der Information auf ihre Richtigkeit, doch sei dort, wo bei der rechtlichen Beurteilung Zweifel auftauchten, die dem Rechtsunkundigen verborgen geblieben seien, der Anwalt verpflichtet, sich durch Befragen des Ratsuchenden ein möglichst vollständiges Bild über die Sachlage zu verschaffen, um die Informationen zu ergänzen. Die Rechtsbelehrung müsse dem Verständnis rechtsunkundiger Personen angepasst sein und so weit gehen, dass sie zum vollen Verständnis des Belehrten führe.

Hier habe der Beklagte während des Aufhebungsverfahrens erster Instanz die Problematik der Spezialvollmacht nicht ausreichend reflektiert. Er gebe selbst zu, dass ihm die Problematik nicht bewusst gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts könnten Ausführungen wie „die Vollmacht muss her, egal wie", eine neue Vollmacht sei jedoch nutzlos, die rechtsunkundigen Kläger in Zweifel lassen. Eine punktgenaue Erläuterung, um welche Art von Spezialvollmacht (nämlich eine solche, die den Abschluss der Schiedsklausel ausdrücklich nenne) es im Aufhebungsverfahren gegangen wäre, hätte wesentlich die Chancen erhöht, dass die Befragung von DI Dr. K***** durch den Zweitkläger und die Suche beider in ihren Unterlagen zielgerichteter gewesen wäre. Dadurch wäre die letztlich aufgefundene Vollmacht möglicherweise bereits früher zu finden gewesen. Im Unterlassen einer solchen ausreichend präzisen Belehrung sei aber bereits ein Verstoß gegen die anwaltliche Sorgfalt zu sehen. Die Rechtswidrigkeit sei damit ausreichend dargetan.

Zur Kausalität führte die zweite Instanz aus, wäre im konkreten Fall die fehlende Spezialvollmacht der einzige Aufhebungsgrund im Anlassprozess gewesen, so wäre die Haftung des Beklagten schon deshalb ohne Weiteres zu bejahen, weil seine unzureichende Belehrung das Risiko vergrößert habe, dass Beweismittel nicht präzise und konkret genug gesucht und daher nicht rechtzeitig aufgefunden werden. Bereits darin liege eine ausreichende Verursachungsbeziehung, die Haftung des Beklagten könne nicht mehr ausgeschlossen werden.

Dies reiche jedoch im vorliegenden Fall nicht zur abschließenden Prüfung aus, weil die Aufhebung auch noch auf andere Gründe gestützt worden sei. Im Haftungsprozess sei es von ganz entscheidender Bedeutung, ob der Schiedsspruch auch deshalb nicht hätte standhalten können, weil die Sechstklägerin gar nicht „Partei der Schiedsklausel" geworden sei. In diesem Fall hätte nämlich die unzureichende Absicherung des Nachweises einer Spezialvollmacht auf den Prozess keinen nachteiligen Einfluss gehabt. Zu diesem Fragenkomplex fehle es an Erörterung und Tatsachenfeststellungen, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Urteils unvermeidlich sei.

Der Rekurs des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 9 Abs 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Rechtsanwalt eine Reihe von Pflichten, wie ua Warn‑, Aufklärungs‑, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsbetreuung (RIS‑Justiz RS0112203). Auch bei Anlegung des im § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabs ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, die Richtigkeit der ihm von seinen Klienten erteilten Information in Zweifel zu ziehen, so lange er nicht für ihre Unrichtigkeit erhebliche Anhaltspunkte hat (RIS‑Justiz RS0026628). Was den beim Rechtsanwalt anzulegenden Sorgfaltsmaßstab anlangt, dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden; es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Bei der Beurteilung dieser Frage müssen auch der Auftrag und das im Einzelfall davon betroffene Geschäft berücksichtigt werden (RIS‑Justiz RS0026584).

Bei Anwendung dieser zur Anwaltshaftung in stRsp des Obersten Gerichtshofs vertretenen Grundsätze ist entgegen dem Berufungsgericht eine Sorgfaltsverletzung des Beklagten zu verneinen.

Der beklagte Rechtsanwalt hat nämlich seinen Klienten mehr als eindringlich zur Vorlage der zum Abschluss des Schiedsvertrags erteilten Vollmacht aufgefordert. Die dringende Notwendigkeit wurde auch einem rechtsunkundigen Klienten mit den Worten „die Vollmacht muss her, egal wie" drastisch vor Augen geführt. Eine darüber hinausgehende, eingehende rechtliche Begründung dieser Notwendigkeit war nicht erforderlich.

Da für den beklagten Rechtsanwalt nach den ihm erteilten Informationen kein Anhaltspunkt für die Existenz weiterer Vollmachten außer derjenigen in Bratislava verbliebenen bestand, war er - wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat - zu weiteren Nachforschungen nicht verpflichtet. Der vom Beklagten zugestandene und von den Klägern besonders hervorgehobene Umstand, dass ihm damals die genaue Rechtslage nicht bekannt war, ist bedeutungslos, weil dies ohne Konsequenzen geblieben ist; der Beklagte hat nämlich jedenfalls die erforderlichen Maßnahmen gesetzt.

Schon aus diesem Grund ist das Ersturteil wiederherzustellen, weil dem beklagten Rechtsanwalt keine Sorgfaltsverletzung zur Last zu legen ist.

Zutreffend weist der Beklagte im Übrigen darauf hin, dass die nicht näher begründeten Rechtsausführungen der zweiten Instanz, die Haftung des Beklagten wäre schon deshalb ohne Weiteres zu bejahen, weil seine unzureichende Belehrung das Risiko vergrößert habe, dass Beweismittel nicht präzise und konkret genug gesucht und daher nicht rechtzeitig aufgefunden werden, unzutreffend ist. Von dem Grundsatz, dass die Beweislastumkehr das Verschulden betrifft, der Beweis der Kausalität jedoch weiterhin dem Gläubiger obliegt, ist der Oberste Gerichtshof zwar bei ärztlichen Behandlungsfehlern abgegangen, weil hier wegen der in diesen Fällen besonders vorhandenen Beweisschwierigkeiten des Patienten, die Kausalität nachzuweisen, nur dem zur Haftung herangezogenen Arzt die Mittel und Sachkunde zum Nachweis zur Verfügung stehen, daher von einer „prima‑facie‑Kausalität" auszugehen ist. Davon kann aber bei Verletzungen einer Aufklärungs- und Erkundigungspflicht des Rechtsanwalts nicht gesprochen werden. Hier ist dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität des Verhalten des Schädigers für den eingetretenen Schaden durchaus zuzumuten (RIS‑Justiz RS0106890).

Auf die weiteren relevierten Rechtsfragen ist mangels Bedeutung für die Entscheidung im konkreten Fall nicht einzugehen.

Demnach ist in Stattgebung des Rekurses des Beklagten das Ersturteil wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 dritter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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