OGH 5Ob121/06i

OGH5Ob121/06i30.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manuela P*****, vertreten durch Summer-Schertler-Stieger, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Stadt D*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 20.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. März 2006, GZ 1 R 24/06y-37, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls, hängt von den jeweiligen Umständen ab und stellt daher idR keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0026529, insb [T18 und T20]; 7 Ob 299/03a mwN = RdM 2004/52, 88). Die Aufklärungspflicht umfasst die Pflicht, den Patienten über mögliche Gefahren und schädliche Folgen einer Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten (RIS-Justiz RS0026578 [T1]). Die ärztliche Aufklärung soll den Einwilligenden instandsetzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen (RIS-Justiz RS0026413). Der Arzt muss den Patienten, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (RIS-Justiz RS0026426 [T1]). Mangels entsprechender Indikation muss der Arzt aber nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungs- oder/und Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern, solange der Arzt eine Methode anwendet, die dem medizinischen Standard genügt (5 Ob 162/03i = EF 104.721; 7 Ob 299/03a = RdM 2004/52, 88). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch schon klargelegt, dass die ärztliche Aufklärung grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen hat, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, deren Dauer freilich ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls abhängt (7 Ob 15/04p = RdM 2004/95, 151 mwN). Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der dargestellten Judikaturgrundsätze:

2. Soweit die Klägerin meint, die aufklärende Ärztin hätte mit mit ihr zur Gewährleistung ihres Selbstbestimmungsrechts als Patientin die möglichen Alternativen, nämlich Zuwarten, eine offene Laparoskopie oder eine Methotrexatbehandlung erörtern müssen, negiert sie, dass diese Maßnahmen aus detailliert festgestellten Gründen keine adäquaten und medizinisch indizierten Behandlungsalternativen darstellten. Wenn die Vorinstanzen insoweit keine Aufklärungspflicht erkannten, stellt dies jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.

3. Der Klägerin soll keine ausreichende Überlegungsfrist zur Verfügung gestanden haben, weil die Aufklärung zunächst nur „scheibchenweise", umfassend aber erst am Tag der Operation, nur ca 1 - 2 Stunden vor Operationsbeginn erteilt worden sei. Nach den getroffenen Feststellungen hat aber die untersuchende Ärztin bereits am 4. 6. 2003 die Klägerin auf die Notwendigkeit einer laparaskopischen Operation im Fall steigender Beta-HCG-Werte hingewiesen und ihr diese erklärt, worauf die Klägerin bekundete, diese Operation auf Grund einer früheren Eileiterunterbindung bereits zu kennen. Am 11. 6. 2003 erhielt die Klägerin neuerlich eine Erklärung darüber, wie bei einer Bauchspiegelung vorgegangen werde und über mögliche Komplikationen in Form der Verletzung innerer Organe und von Nachblutungen. Am Morgen des Operationstages bekam die Klägerin dann die eingehende Aufklärung anhand des Perimed-Bogens. Unter diesen spezifischen Umstanden des vorliegenden Einzelfalls, nämlich einer bereits einschlägig vorinformierten Patientin, zwei „Voraufklärungen" mehrere Tage vor bzw am Tag vor der Operation sowie einem Aufklärungsgespräch am Morgen des Operationstages nach dem Perimed-Bogen und fehlenden medizinisch indizierten Behandlungsalternativen ist auch in der vom Berufungsgericht angenommenen ausreichenden Überlegungsmöglichkeit der Klägerin keine auffallende Fehlbeurteilung zu erkennen.

Da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist, erweist sich die außerordentliche Revision der Klägerin als unzulässig und ist zurückzuweisen.

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