OGH 1Ob105/06g

OGH1Ob105/06g16.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** AG, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 81.178,49 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. März 2006, GZ 39 R 459/05x-36, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe angekündigt, dass die Berufungsverhandlung „nicht prozessordnungsgemäß mit den Vorträgen des Berichterstatters und der Parteienvertreter durchgeführt werde oder nicht zeitgerecht durchgeführt werden könne und daher mit einer kostspieligen Verlegung zu rechnen sei", ist aktenwidrig. Dass die Revisionswerberin vom Berufungsgericht an in der Berufungsverhandlung zulässigen Prozesshandlungen gehindert worden wäre, behauptet sie selbst nicht. Insoweit ist der Hinweis darauf, dass das Recht der Parteien auf mündlichen Vortrag unverzichtbar sei, nicht verständlich. Die vom Berufungsgericht in der Ladung zur Berufungsverhandlung angegebene „voraussichtliche" Dauer bedeutet keineswegs, dass das Berufungsgericht nicht bereit wäre, den Parteien auch einen ausführlicheren mündlichen Vortrag zu gestatten. Auch eine kurze Berufungsverhandlung begründet somit weder einen Verfahrensmangel noch einen Nichtigkeitsgrund, sofern die prozessualen Rechte der Parteien nicht konkret durch gesetzwidrige Maßnahmen beeinträchtigt werden.

2. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines vollständigen und mangelfreien Beweisverfahrens und einer richtigen Beweiswürdigung übernommen. Ein in der Berufung behaupteter, vom Berufungsgericht aber verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (vgl nur RIS-Justiz RS0042963); insbesondere liegt keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO vor. Ob bestimmte Tatsachen aus einem Sachverständigengutachten abgeleitet werden können und welche dies sind, sind Fragen der irrevisiblen Beweiswürdigung.

3. Die Beurteilung, ob die (vorläufige) Vorschreibung des bisherigen Mietzinses als Benützungsentgelt nach Beendigung des Bestandvertrags einen schlüssigen Verzicht auf darüber hinausgehende Ansprüche darstellt, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Eine gravierende Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen, zumal für die Annahme eines schlüssigen Forderungsverzichts besondere Umstände erforderlich wären (vgl nur MietSlg 46.131 = 6 Ob 641/94).

4. Unverständlich ist der Vorwurf, es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob ein bestimmter Mietinteressent das Bestandobjekt zu einem bestimmten Termin um einen bestimmten Mietzins gemietet hätte. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass für ein vergleichbares Bestandobjekt im maßgeblichen Zeitraum ganz allgemein ein bestimmter monatlicher Nettohauptmietzins nachhaltig erzielbar gewesen wäre. Ist das Klagebegehren somit bereits nach allgemeinen Marktverhältnissen berechtigt, kommt es auf die Zahlungsbereitschaft eines bestimmten Mietinteressenten gar nicht an.

5. Unzutreffend ist die Auffassung der Revisionswerberin, es könne für die Verpflichtung zur Zahlung eines Benützungsentgelts bei Weiterbenützung nach Vertragsauflösung nicht auf ein „erst rückwirkend festgestelltes Ende des Bestandobjekts" ankommen, weil sonst Rechtsmittel und Rechtsbehelfe mit unabsehbaren und unabwendbaren Risken verbunden wären. Nach ganz herrschender Auffassung kommt es auf die Vorhersehbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung über die Vertragskündigung nicht an; die Revisionswerberin behauptet auch gar nicht, sie hätte berechtigten Anlass gehabt, den Vertrag als fortbestehend anzusehen. Das Risiko, die wirksame Vertragsauflösung zu Unrecht zu bestreiten, trägt zweifellos der Bestandnehmer. Stellt er ungeachtet einer wirksamen Kündigung das Bestandobjekt nicht zurück, hat er dem Bestandgeber nach § 1041 ABGB ein Benützungsentgelt in Höhe eines bei Weitervermietung erzielbaren Bestandzinses zu zahlen (RIS-Justiz RS0030282, RS0019883, RS0019813; 1 Ob 39/03x uva). Auf ein Verschulden an der vertrags- und rechtswidrigen Unterlassung der Rückstellung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0030282; SZ 71/169 ua). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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