OGH 1Ob81/06b

OGH1Ob81/06b16.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried H*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 6.100,26 EUR sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2005, GZ 4 R 234/05t-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. September 2005, GZ 3 Cg 127/05v-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei mit 416,16 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den erhobenen Amtshaftungsanspruch von 6.100,26 EUR sA ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zunächst nicht zu. Mit Beschluss vom 28. 2. 2006 änderte es letzteren Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil „das Berufungsgericht möglicherweise die Anleitungspflicht des § 182a ZPO in einem im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmenden Maße zu wenig streng ausgelegt" habe.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger (= Beklagter des Vorprozesses) bringt einerseits vor, sein Gegner im Ausgangsverfahren habe ihm einen „verschuldeten einseitigen Vertragsrücktritt" angelastet, andererseits stützt er sich aber (auch) auf die Behauptung, es sei zu einer „einvernehmlichen Auftragsstornierung" gekommen, weshalb das Berufungsgericht dem Klagebegehren im Vorprozess zu Unrecht gemäß § 1168 Abs 1 ABGB stattgegeben habe. Diese Argumentation zeigt, dass dem Revisionswerber die innere Konsistenz ausgeführter Anfechtungsgründe kein Anliegen war. Er ist in diesem Kontext jedoch an die im Vorprozess getroffene Feststellung zu erinnern, dass er „von dem am 10. 1. 2002 erteilten Auftrag in der Folge zurückgetreten" sei.

2. Der erkennende Senat referierte zuletzt in der Entscheidung 1 Ob 268/03y (= SZ 2004/20) die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verständnis des § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB: Diese Norm bestimme jene Voraussetzungen, unter denen die Preisgefahr, falls die Ausführung des Werks unterbleibe, den Besteller treffe. Die allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätze seien auf den Werkvertrag nur insoweit anzuwenden, als die werkvertraglichen Sonderbestimmungen keine abschließende Regelung träfen. Soweit der durch die speziellere Norm des § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB - für den Fall der Abbestellung des Werks - geregelte Entgeltanspruch des Unternehmers, der kein Schadenersatzanspruch sei, bestehe, konkurriere mit ihm, sofern es an einer vertraglichen Pflicht zur Werkabnahme mangle, kein gesonderter Schadenersatzanspruch des Unternehmers. Letzterer habe insofern kein Recht auf Werkerstellung, weil es widersinnig wäre, den Besteller an einen Vertrag zu binden, dessen Ergebnis ihm allein zugute kommen solle, und ihm solcherart ein Werk aufzudrängen, das seinen Interessen möglicherweise gar nicht mehr entspreche, obwohl der Unternehmer, dem es gewöhnlich nur um die Vergütung für die Herstellung des Werks gehe, ohnehin den (eingeschränkten) Werklohnanspruch nach § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB habe. Sei die Abbestellung des Werks durch den Besteller unter den erörterten Voraussetzungen somit nicht rechtswidrig, so könne dem Unternehmer daraus auch kein Schadenersatzanspruch zustehen. Diese Rechtsprechung ist fortzuschreiben.

3. Die Revisionsgründe bauen auf einem grundsätzlichen Missverständnis der soeben erläuterten Rechtslage auf, ist doch der Kläger der Ansicht, sein Prozessgegner im Vorprozess habe sich „auf einen bestimmten Klagegrund beschränkt", nämlich auf „die Geltendmachung der ihm tatsächlich entstandenen Aufwendungen (als Schadenersatzanspruch auf Grund des - seinen Behauptungen zu Folge - verschuldeten einseitigen Vertragsrücktritts des Beklagten im Anlassverfahren ..."). Dem entgegen wurde jenes Klagebegehren unmissverständlich auf das Vorbringen gestützt, es bestehe nach Abbestellung des Werks durch den Besteller „an sich" das Recht, den gesamten Werklohn von 84.121,03 EUR einzuklagen; darauf müsse sich der Unternehmer „lediglich das Ersparte anrechnen lassen". Dennoch werde bloß die Zahlung der „tatsächlich entstandenen Aufwendungen" begehrt. Dieses Vorbringen wiederholte der dort klagende Werkunternehmer sodann im Schriftsatz vom 1. 9. 2003 (ON 6 jenes Aktes). Insofern war vor dem Hintergrund der unter 2. referierten Rechtslage in einer über jeden Zweifel erhabenen Weise klar, dass ein Anspruch gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB geltend gemacht und - nach Auffasung des Unternehmers - nur ein Teil dessen begehrt wurde, was unter diesem Rechtstitel hätte verlangt werden können. Das Berufungsgericht im Vorprozess musste daher der im erörterten Punkt verfehlten Rechtsansicht des Erstgerichts auf Grund des Rechtsmittels des Werkunternehmers entgegen treten.

4. Der Kläger stützte den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch auch darauf, das Berufungsgericht hätte „das Ersturteil aufheben müssen zur Erörterung, wie das Klagebegehren zu verstehen" sei, es hätte ihm aber selbst „unter dem Aspekt des § 1168 ABGB" ein Vorbringen und Beweisanbot dazu ermöglichen müssen, was sich der Unternehmer „wegen des Unterbleibens der Arbeit erspart" oder was er „anderweitig erworben" habe. Entgegen der auch noch in der Revision verfochtenen Ansicht bestand allerdings im Vorprozess angesichts der im Sinn eines Entgeltanspruchs gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB eindeutigen Klagebehauptungen nicht der geringste Anlass für eine Erörterung des Klagegrundes in der nunmehr aufgezeigten Richtung, kann doch dem Rechtsmittelwerber der Rechtsgrund für jenen Klageanspruch auf dem Boden des vom Unternehmer erstatteten Vorbringens nicht verborgen geblieben sein, er kann diesen Rechtsgrund ferner auch nicht für unerheblich gehalten haben (siehe zu den Grenzen der Erörterungs- und Anleitungspflicht 1 Ob 215/05g; 7 Ob 83/05i; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 135 mN aus der Rsp vor der ZVN 2002). Im erörterten Kontext hätte aber der nunmehrige Kläger im Vorprozess konkret zu behaupten und zu beweisen gehabt, was sich der Unternehmer auf seinen Entgeltanspruch gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB hätte anrechnen lassen müssen (2 Ob 54/99a; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 27a KSchG Rz 2; M. Bydlinski in KBB § 1168 ABGB Rz 5; Krejci in Rummel, ABGB³ § 1168 Rz 19 je mwN aus der Rsp), obgleich nur die Zahlung realer Aufwendungen in Vorbereitung der vertraglichen Erfüllungshandlung eingeklagt wurde. Nach der Rechtsprechung kann der Unternehmer jedenfalls jenen Teil des vereinbarten Entgelts verlangen, der auf bereits geleistete Arbeiten entfällt (5 Ob 588/81 = RIS-Justiz RS0021919). Insofern steht ihm auch ein Entgelt für Vorarbeiten zu, die er seinerzeit noch in Erwartung des Vertragsabschlusses ausführte (RIS-Justiz RS0021389; 2 Ob 137/50 = RIS-Justiz RS0025713; Krejci aaO § 1168 Rz 14 mwN). Unter solchen Voraussetzung nach § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB zweifelt auch der Revisionswerber im Grundsätzlichen nicht daran, dass dem Unternehmer der im Vorprozess erhobene Anspruch zuerkannt werden konnte. Er verficht jedoch einen engeren, durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht getragenen Begriff des Entgelts nach § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB.

5. Der Kläger war bereits im Vorprozess anwaltlich vertreten. Dort wäre eine Anleitung nach §§ 182 Abs 1, 182a ZPO allenfalls vor dem Hintergrund des § 27a KSchG in Betracht gekommen. Konkrete Gesichtspunkte, die für eine allfällige Minderung des erörterten Entgeltanspruchs gemäß § 27a KSchG von Bedeutung hätten sein können (Näheres dazu in 1 Ob 268/03y), führte der Kläger im Vorprozess nicht ins Treffen, obgleich der Unternehmer behauptet hatte, seinem Entgeltanspruch lägen Vorarbeiten für die Auftragserfüllung nach den persönlichen Wünschen des Bestellers zu Grunde; im Übrigen ließen sich bereits zugeschnittene Holzsparren nur nach einer „entsprechenden Bearbeitung" wieder verwerten (ON 6 jenes Aktes). Der Kläger führte schließlich auch im Amtshaftungsprozess nicht aus, was er im Vorprozess vorgebracht hätte, wenn er dort über die wahre Rechtslage gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB informiert und zu einer Ergänzung seines Vorbringens im Hinblick auf § 27a KSchG angeleitet worden wäre (siehe zu dieser Darlegungspflicht 1 Ob 215/05g). Außerdem machte er im Amtshaftungsprozess weder in zweiter noch in dritter Instanz geltend, die Verfahren der Vorinstanzen litten deshalb an einem Verfahrensmangel, weil er nicht zu einem Vorbringen dahin angeleitet worden sei, was er im Vorprozess behauptet hätte, wenn er dort über die Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs des Unternehmers gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB iVm § 27a KSchG aufgeklärt worden wäre.

6. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Nach allen voranstehenden Erwägungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Dabei kann sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

7. Der beklagten Partei sind die Kosten der Revisionsbeantwortung als solche einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen, weil sie dort auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies.

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