OGH 2Ob23/05d

OGH2Ob23/05d27.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Jensik und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philip H*****, vertreten durch Dr. Beate Köll-Kirchmeyr, Rechtsanwältin in Schwaz, gegen die beklagten Parteien 1. U***** und 2. Thomas K*****, beide vertreten durch Dr. Günther Maleczek, Mag. Dr. Paula Stecher, Rechtsanwälte in Schwaz, wegen EUR 20.377,21 sA und Feststellung (Streitwert EUR 2.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. September 2004, GZ 3 R 111/04d-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Mai 2004, GZ 6 Cg 107/03a-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Der erstbeklagte Verein, dessen Obmann der Zweitbeklagte ist, veranstaltete am 14. 9. 2002 den zweiten internationalen R*****-Radmarathon Tirol über 76 km. Ihr war mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. 8. 2002 die straßenpolizeiliche Genehmigung zur Durchführung dieser Veranstaltung erteilt worden. Darin wurde auch die Überwachung der Veranstaltung durch Organe der Straßenaufsicht angeordnet; konkret die Begleitung durch einen PKW und vier Motorräder der Gendarmerie, und die Überwachung konkret bezeichneter Stellen und zwar 18 Stellen durch 21 Gendarmeriebeamte, 20 weitere Stellen durch 24 Straßenaufsichtsorgane plus zwei zur Begleitung eines Viehtriebs in Kramsach und 24 weitere Stellen durch 27 Ordner. Im Bescheid findet sich auch folgende Bestimmung:

„III/8. Der Veranstalter hat durch geeignete Maßnahmen (Ordnerdienst, Unterweisung der Veranstaltungsteilnehmer, Absperrungen usw) sicherzustellen, dass eine Gefährdung oder Verletzung von Personen oder eine Beschädigung von Sachen anlässlich der Druchführung der Veranstaltung zuverlässig vermieden wird. Dies gilt insbesondere für den Start- und Zielbereich, für Baustellen und sonstige Streckenabschnitte, in deren Bereich infolge der örtlichen Verhältnisse (Ortsdurchfahrt, Kreuzungen usw) besondere Gefahren für die Wettbewerbsteilnehmer, sonstige Straßenbenützer oder für die Zuschauer gegeben sind.

III/14. Die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 sind von allen Beteiligten (Rennfahrer, Begleitfahrzeuge usw) einzuhalten. Insbesondere darf der übrige Verkehr nicht gefährdet, behindert bzw unterbunden werden und dürfen die Radfahrer ausnahmslos nur die äußerst rechte Fahrbahnseite benützen."

Der Kläger nahm als Rennfahrer an dieser Veranstaltung teil. Er hatte ein Informationsblatt erhalten, das ua folgenden Inhalt aufwies:

„Für alle Teilnehmer gilt die österreichische Straßenverkehrsordnung, die Strecke ist nicht gesperrt. Es besteht Helmpflicht. Jeder Teilnehmer fährt auf eigene Gefahr..."

Am Unfallstag lenkte gegen 14.30 Uhr Franz S***** seinen Traktor, an dem ein Schwadenrechner angehängt war, auf der L222 im Ortsgebiet von Terfens Richtung Norden. An der späteren Unfallstelle kam ihm ein Radrennfahrer mit hoher Geschwindigkeit entgegen. Franz S***** lenkte den Traktor an den rechten Fahrbahnrand und hielt an. Der Abstand der linken Fahrzeugseite zur Straßenmitte betrug 1 m, der Abstand zum gegenüberliegenden Fahrbahnrand betrug 4 m. Die Unfallstelle befindet sich im Ortsgebiet von Terfens aus der Sicht des Klägers ausgangs einer eher unübersichtlichen Rechtskurve. Die Fahrbahn an der Unfallstelle ist 6 m breit, das Gefälle beträgt in Fahrtrichtung 20 m vor der Unfallstelle ca 10 % und an der Unfallstelle ca 12 %, das Quergefälle zur Kurvenaußenseite ca 2 %.

Der (schon ziemlich erschöpfte) Kläger fuhr zwischen Vomp und Terfens hinter einer Gruppe von drei oder vier Radfahrern. Ihm war die Kurve in Terfens bekannt. Er bremste die Kurve aus einer Geschwindigkeit von 50 oder 60 km/h noch an. Bei Annäherung an den angehaltenen Traktor befand er sich im Bereich der gedachten Fahrbahnmitte oder schon leicht links davon. Der Traktor war für den Kläger aus einer Entfernung von mindestens 26 m am linken Fahrbahnrand haltend zu erkennen. Dem Kläger gelang es nicht, mit seinem Fahrrad den auf der Gegenfahrbahn angehaltenen Traktor zu passieren, sondern prallte gut 1 m links der gedachten Fahrbahnmitte mit dem Kopf gegen die linke Ecke der Fahrerkabine bzw Blinkerleuchte des Traktors. Der Kläger macht Schadenersatzansprüche gegen den Veranstalter geltend. Dieser wäre aufgrund der Kurvenlagigkeit, Unübersichtlichkeit und Abschüssigkeit der Unfallstelle zur besonderen Absicherung verpflichtet gewesen. Die Sorgfaltsanforderungen an den Veranstalter seien streng, weil die Teilnehmer des Rennens durch den sportlichen Wettkampf geradezu zu riskantem Fahren aufgefordert würden. Die beklagten Parteien hätten daher nicht nur die Auflagen im Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung nicht eingehalten, sondern auch ihre vertragliche Schutzpflicht grob fahrlässig verletzt. Bei grober Verletzung der Sicherungspflichten durch den Veranstalter sei ein Haftungsausschluss selbst volljährigen Rennteilnehmern gegenüber unwirksam. Die Beklagten führten dagegen aus, der zum Unfallszeitpunkt fast 17-jährige Kläger sei im Besitz einer Rennlizenz gewesen und auch schon vor dem Unfall andere Rennen gefahren. Die Unfallstelle habe keine besondere Gefahrenquelle dargestellt, weil es auf der gesamten Strecke mehrere derartige S-Kurven gegeben habe. Dem Kläger sei die Strecke auch bekannt gewesen. Die behördlichen Auflagen und die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen seien eingehalten worden. Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, der Veranstalter habe um straßenpolizeiliche Genehmigung zur Durchführung des Radmarathons angesucht; diese sei unter bestimmten Auflagen erteilt worden. Im Sinne dieses Bescheides sei die Rennstrecke an den vorgegebenen neuralgischen Stellen durch Gendarmeriebeamte, Straßenaufsichtsorgane und Ordner abgesichert gewesen. Die Teilnehmer seien gemäß dem Genehmigungsbescheid in einem Informationsblatt darauf hingewiesen worden, dass die Strecke nicht gesperrt und die Straßenverkehrsordnung einzuhalten sei. Wenngleich die Unfallkurve ein Gefälle von 10 bis 12 % und nach außen ein Quergefälle von 2 % aufgewiesen habe, könne noch nicht von einer für den Kläger unvorhersehbaren, atypischen Gefahrenstelle gesprochen werden, weshalb der beklagte Veranstalter nicht zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen durch Postierung eines zusätzlichen Ordners oder zur Vornahme einer Absperrung gegenüber einem möglichen Gegenverkehr verpflichtet werden. Gefahrenbereich dieser Art stellten in einem kupierten Gelände nichts Außergewöhnliches dar; die Forderung nach Absicherung all dieser Gefahrenbereiche führe zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten des Veranstalters. Der Kläger sei mit den örtlichen Verhältnissen vertraut gewesen.

Das Berufungsgericht führte zur Zulässigkeit der Revision aus, zur Frage, ob den Veranstalter eines Radrennens auf ungesperrten öffentlichen Straßen schon deshalb eine Haftung für Unfälle treffe, weil er von vorneherein damit rechnen müsse, dass wettkampfbedingt die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung nicht immer eingehalten würden, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Die Pflicht des Veranstalters von Sportereignissen, für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen, beruht auf dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass es sich dabei um einen Fall der vertraglichen Verkehrssicherungspflicht handelt (JBl 1992, 785; JBl 1994, 338 = ZVR 1994/38). Dabei kommt es immer darauf an, welche Maßnahmen zur Abwehr vorhersehbarer Gefahren notwendig und zumutbar sind (ZVR 1998/91 mwN; RIS-Justiz RS0098750). Die einschlägigen Richtlinien von Sportverbänden und allfällige behördliche Anordnungen sind dabei Sorgfaltsmaßstab (ZVR 1998/91 mwN). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber auch im Fall langjähriger Übung bestimmter Vorkehrungen gehalten, deren Tauglichkeit - selbst im Fall der Erfüllung behördlicher Anordnungen -, auch im Hinblick auf neue Erkenntnisse zu prüfen (RIS-JUstiz RS0023621).

Welche Maßnahmen zumutbar und erforderlich sind, hängt immer nur von den Umständen des Einzelfalls ab. Derartige Einzelfallentscheidungen sind vom Obersten Gerichtshof nur überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste.

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht beantworten, weil sie nur im Zusammenhang mit der Frage gelöst werden kann, ob der Veranstalter alles Zumutbare unternommen hat, um seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Letztere Frage kann aber nach den obigen Ausführungen nur im Einzelfall entschieden werden.

Die Ansicht der Vorinstanzen, der Veranstalter habe alle ihm zumutbaren Vorkehrungen zur Verhinderung von Unfällen getroffen, stellt keine zu korrigierende Fehlbeurteilung dar.

Da auch in der Revision keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt werden, war das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte