OGH 10Ob14/06s

OGH10Ob14/06s25.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede T*****, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Herbert F*****, vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Leistung (Streitwert EUR 2.180 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2005, GZ 4 R 560/05i-14, womit aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 13. September 2005, GZ 12 C 2110/04z-10, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Zuge des zwischen den Parteien zur AZ 5 C 58/00b des Bezirksgerichtes Innsbruck geführten Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Beklagte in einem in der Tagsatzung vom 20. 6. 2002 geschlossenen Vergleich, die in Innsbruck, ***** gelegene Ehewohnung beginnend mit dem 25. 6. 2002 nicht mehr wieder zu betreten, dies bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines binnen eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung einzuleitenden Verfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Demnach ist die Klägerin berechtigt, diese Ehewohnung während der Dauer des Scheidungsverfahrens und eines allfälligen nachfolgenden Aufteilungsverfahrens alleine zu bewohnen. Eigentümerin der ehemaligen Ehewohnung ist Elisabeth F*****, die Tochter des Beklagten aus erster Ehe. Gemäß Punkt X. des Übergabs- und Wohnungseigentumsvertrages vom 5. 8. 1999 steht dem Beklagten an dieser Wohnung ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht zu. Nach der Scheidung der Ehe ist zwischen den Parteien zu 5 C 19/04y des Bezirksgerichtes Innsbruck ein Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig. Dieses Aufteilungsverfahren war auch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Verfahren noch anhängig. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage zuletzt, den Beklagten zu verpflichten, in Gewährleistung des Bewohnungs- und Benützungsrechts, das er der Klägerin in dem vor dem Bezirksgericht Innsbruck zu 5 C 58/00b abgeschlossenen Vergleich vom 20. 6. 2002 an der ehemaligen Ehewohnung eingeräumt habe, bei unter die empfohlene Raumtemperatur von 20° C für die Wohnräume und 22 bis 24° C für das Badezimmer fallenden Temperaturen die Heizung der Wohnung einzuschalten, indem er die zentrale Heizanlage des gesamten Gebäudes, die sich außerhalb der Wohnung im Gebäude befinde und mit welcher auch die Heizung in der Wohnung der Klägerin gesteuert werde, einschalte. Mit ihrer Klage verband die Klägerin auch den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, dass dem Beklagten verboten werde, sich zu weigern, bei Raumtemperaturen unter den empfohlenen 20° C für Wohnräume und 20 bis 24° C für das Badezimmer die in der Ehewohnung befindliche Heizungsanlage einzuschalten. Diese einstweilige Verfügung wurde vom Erstgericht antragsgemäß bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegenständlichen Verfahrens erlassen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im Wesentlichen noch fest, dass die Beheizung der Wohnung der Klägerin durch eine zentrale Heizanlage, zu der der Beklagte, nicht aber die Klägerin Zugang habe, erfolge. Bereits im Winter 2003/2004 habe es Schwierigkeiten mit der Heizung in der Wohnung der Klägerin gegeben, weil diese nicht ausreichend beheizt worden sei. Im Winter 2004 sei die Heizung der Klägerin an verschiedenen, datumsmäßig festgestellten Tagen nicht eingeschaltet gewesen bzw habe die Heizung an diesen Tagen nicht funktioniert. Die Temperatur in der Wohnung der Klägerin habe an diesen Tagen zwischen 12 und 15° C betragen. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass ein Bestandobjekt ohne funktionierende Heizung nicht zu bewohnen sei. Dem Beklagten sei von seiner Tochter tatsächlich ein Fruchtgenussrecht an der Wohnung eingeräumt worden. Während der Dauer eines Fruchtgenussrechtes habe der Fruchtnießer gegenüber dem Mieter sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis, weshalb auch die passive Klagslegitimation des Beklagten zu bejahen sei. Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil sowie das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Ohne auf die Berufungsausführungen einzugehen, führte es nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges zur rechtlichen Beurteilung aus, die Klägerin strebe mit ihrer Klage die Ergänzung der am 20. 6. 2002 vergleichsweise geregelten Ansprüche auf (vorläufige) Benützung der ehemaligen Ehewohnung an. Dieser Anspruch könne jedoch nicht als selbstständige Klage erhoben werden, weil die Aufteilungsansprüche als solche (im Sinne einer endgültigen Regelung) dem außerstreitigen Verfahren vorbehalten seien. Ein in das Außerstreitverfahren gehörender Antrag, der mittels Klage im Rahmen eines Zivilprozesses gestellt werde, sei bei Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens wegen Unzulässigkeit des gewählten streitigen Rechtsweges zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Klägerin ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig und auch berechtigt.

Zutreffend verweist die Klägerin in ihren Rechtsmittelausführungen darauf, dass sie im gegenständlichen Verfahren keinen Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse iSd §§ 81 ff EheG geltend gemacht hat. Sie stützt ihr Begehren vielmehr ausschließlich auf die mit dem Beklagten im Scheidungsverfahren am 20. 6. 2002 getroffene Vereinbarung, wonach sie während der Dauer des anhängigen Scheidungsverfahrens und auch noch bis zur rechtskräftigen Erledigung eines nachfolgenden Aufteilungsverfahrens zur alleinigen Benützung der Ehewohnung berechtigt ist. Diese von den Parteien im Zuge des Scheidungsverfahrens getroffene Vereinbarung hat ihre Grundlage in der Bestimmung des § 97 ABGB. Diese Bestimmung verpflichtet den über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der andere auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Das Gesetz meint damit die Verpflichtung, für die Möglichkeit einer ungeschmälerten Weiterbenützung der Wohnung durch den wohnungsbedürftigen Ehegatten zu sorgen und jede Beeinträchtigung dieser Wohnungsbenützung zu vermeiden. § 97 ABGB begründet somit einen familienrechtlichen Anspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten auf Benützung der Wohnung. Dieses Recht besteht nach Ehescheidung bei rechtzeitiger Antragstellung im Aufteilungsanspruch gemäß den §§ 81 ff EheG fort (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 97 Rz 1 ff und 9; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB³ § 97 Rz 6 ff jeweils mwN; SZ 68/157 mwN ua). Der Anspruch nach § 97 ABGB ist mit Klage im streitigen Rechtsweg selbstständig (also nicht im Scheidungs- oder im Aufteilungsverfahren) durchzusetzen (Hopf/Kathrein, Eherecht² 107; Stabentheiner in Rummel aaO § 97 Rz 9; Schwimann/Ferrari in Schwimann aaO § 97 Rz 17; SZ 54/29). Von diesem Anspruch auf Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten nach § 97 ABGB, der durch eine im Streitverfahren einzubringende Klage geschützt werden kann, getrennt ist die im Außerstreitverfahren durchzuführende vermögensrechtliche Auseinandersetzung nach Beendigung der Ehe iSd §§ 81 ff EheG (JBl 1982, 593). Der von der Klägerin aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung des Beklagten, die ihre Grundlage in § 97 ABGB hat, geltend gemachte Anspruch ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes im Streitverfahren abzuhandeln. Die vom Berufungsgericht angenommene Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges liegt somit nicht vor (JBl 1992, 704).

Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Rechtsmittelverfahren die Berufung des Beklagten inhaltlich zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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