OGH 12Os53/05v

OGH12Os53/05v20.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marcel S***** und DI Milan S***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Beteiligung am teils vollendeten, teils versuchten Schmuggel nach §§ 11 dritter Fall, 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG und weiterer strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Jänner 2005, GZ 121 Hv 76/02m-246, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie der Verteidiger der beiden abwesenden Angeklagten Mag. Raich und Mag. Ehrbar zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den beide Angeklagte betreffenden Strafaussprüchen in Ansehung der verhängten Geld- und der korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen.

III. Mit ihren gegen die Geld- und korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen gerichteten Berufungen werden die Angeklagten auf die teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

IV. Zur Entscheidung über die gegen den Wertersatz- und die korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen gerichteten Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

V. Den Angeklagten fallen nach Maßgabe der Erfolglosigkeit ihrer Rechtsmittel auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Marcel S***** der Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs 2 und 13 FinStrG (I.) sowie des teils vollendeten, teils versuchten Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 13 FinStrG (II.) jeweils als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG und der Angeklagte DI Milan S***** der jeweils gewerbsmäßig begangenen Finanzvergehen (richtig:) der teils vollendeten, teils versuchten Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG (I.) sowie des teils vollendeten, teils versuchten Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG (II.) ebenfalls jeweils als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG schuldig erkannt.

Darnach haben sie - zusammengefasst wiedergegeben - in Wien und an anderen Orten Österreichs und Tschechiens vorsätzlich gemeinsam in der Zeit vom 23. Juli 1993 bis zum 5. Juli 1994 zur Ausführung der im Bereich des Hauptzollamtes Wien verübten strafbaren Handlung des gesondert verfolgten, derzeit flüchtigen, Yilmaz I*****, der bei der Einfuhr von Käse nach Österreich eine Verkürzung an Importausgleich und eine Verkürzung von Eingangsabgaben teilweise bewirkt, teilweise zu bewirken versucht hat, durch Herstellung, Besorgung und Zurverfügungstellung inhaltlich unrichtiger Fakturen der Lieferfirmen beigetragen, wodurch in den im Urteilsspruch angeführten Fällen eine Verkürzung an Importausgleich um insgesamt 17,184.293 S und von Eingangsabgaben im Ausmaß von insgesamt 22,351.264 S bewirkt wurde bzw eine Verkürzung solcher Abgaben in der Höhe von 63.672 S und von 152.757 S bewirkt werden sollte,

wobei DI Milan S***** jeweils in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit gemeinsam ausgeführten, auf die Gründe der Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen bloß teilweise Berechtigung zukommt.

Die gegen die Urteilsannahme, wonach zwischen Yilmaz I***** und dem Angeklagten DI S***** ein „pro forma"-Rechnungspreis vereinbart wurde (US 7), um den Importausgleich möglichst gering zu halten, gerichtete Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht sei hinsichtlich der „pro forma"-Rechnungen überhaupt nicht auf die Verantwortung der Angeklagten eingegangen, geht fehl, weil die die subjektive Tatseite bestreitenden Einlassungen der beiden Angeklagten von den Tatrichtern eingehend gewürdigt wurden (US 10 ff).

Mit dem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf unzureichender Begründung der den Angaben des Yilmaz I***** zugebilligten Glaubwürdigkeit und der aus der festgestellten Vorgangsweise der Angeklagten abgeleiteten subjektiven Tatseite wird kein relevanter Begründungsfehler aufgezeigt, weil die in der Beschwerde kritisierten Erwägungen und Schlussfolgerungen des Erstgerichtes als schlüssig und nicht der Lebenserfahrung widersprechend anzusehen sind. Der Einwand der bloßen Wiedergabe der verba legalia zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen ist durch die auch dazu mängelfreien Entscheidungsgründe (US 11 f) eindeutig widerlegt. Die gewerbsmäßige Tatintention des Angeklagten DI S***** konnte das Schöffengericht mängelfrei auf die auch insoweit belastenden Depositionen des Yilmaz I***** gründen (US 10).

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachenfeststellungen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite, übergeht dabei aber die Konstatierungen, wonach die beiden Angeklagten „mit dem Ziel" agierten, „den Importausgleich möglichst gering zu halten" (US 7) und falsche Mengenangaben machten, „um eine Verkürzung von Eingangsabgaben zu bewirken" (US 9). Solcherart verfehlt sie den notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz. Der gegen die gewerbsmäßige Tatbegehung (der Sache nach: Z 10) gerichtete Einwand des Zweitangeklagten, die Täterabsicht müsse darauf gerichtet sein, sich selbst durch wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, übergeht - abermals prozessordnungswidrig - die Annahme, wonach auch er selbst aus den strafbaren Handlungen einen finanziellen Vorteil gezogen hat (US 10). Die Strafzumessungsrüge (Z 11) ist hingegen im Recht. Denn die erschwerende Berücksichtigung des „extrem hohen Schadens" (US 12) verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot und bewirkt Nichtigkeit des davon betroffenen Strafausspruchs (ausgenommen die Wertersatzstrafen und das Verfallserkenntnis), weil die Höhe des Wertbetrages ohnehin die Obergrenze der Geldstrafe bestimmt (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 23 E 18, 19 mwN).

Den Nichtigkeitsbeschwerden war sohin bloß im aufgezeigten Umfang Folge zu geben.

Infolge Abwesenheit beider Angeklagten (hinsichtlich Marcel S***** lag kein Zustellnachweis der Ladung zum Gerichtstag vor, DI Milan S***** hat sich mit Krankheit entschuldigt) hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung in analoger Anwendung der §§ 232 Abs 4, 256 Abs 2 StPO auf die Nichtigkeitsbeschwerden eingeschränkt. Über die nach § 35 Abs 4 FinStrG bzw § 38 Abs 1 FinStrG zu bemessenden Strafen wird das Erstgericht, über die Berufungen gegen die Wertersatzstrafen und die damit korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen das Oberlandesgericht Wien abzusprechen haben. Soweit die Berufungen die kassierten Strafaussprüche betreffen, konnten die Berufungswerber trotz Einschränkung der Entscheidung auf die Nichtigkeitsbeschwerden auf das aufhebende Erkenntnis verwiesen werden, weil damit der Sache nach über die Berufungen nicht befunden wurde.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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