OGH 7Ob62/06b

OGH7Ob62/06b29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei G*****AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 21.020,-- sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 24. November 2005, GZ 4 R 55/05y-24, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Dezember 2004, GZ 19 Cg 2/04b-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.878,40 (darin enthalten EUR 313,-- USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 1.974,62 (darin enthalten EUR 187,77 USt und EUR 848,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt in Wien einen Tischlereibetrieb, der mit Ausnahme der Lagerhalle bei der U***** AG (im Folgenden Vorversicherer genannt) unter anderem gegen Einbruchsdiebstahl versichert war. Während des Versicherungsverhältnisses mit dem Vorversicherer, das am 20 .8. 2003 endete, war es am 22. 9. 2002 und am 5. 1. 2003 zu von einem Lehrling verübten Diebstählen sowie am 11. 4. 2002 und am 8. 8. 2003 zu versuchten Einbruchsdiebstählen gekommen, wofür vom Vorversicherer jeweils Ersatzzahlungen geleistet worden waren. Von diesen Diebstählen hatten die von der Klägerin im Jahr 2003 mit dem Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung und einer sämtliche Betriebsteile einschließenden Betriebsbündelversicherung beauftragten Versicherungsmakler Peter S***** und Ewald T***** Kenntnis.

Die Lagerhalle der Klägerin war bereits seit 19. 6. 1998 bei der Beklagten unter anderem gegen Einbruchsdiebstahl versichert. Peter S***** setzte sich am 12. 9. 2003 wegen einer Konvertierung dieses Versicherungsvertrages in eine Betriebshaftpflichtversicherung und in eine sämtliche Betriebsteile umfassende Betriebsbündelversicherung samt Einbruchsdiebstahlversicherung mit einem Maklerbetreuer der Beklagten in Verbindung. Er übermittelte dem Betreuer Pläne und Skizzen des Betriebes, die Versicherungspolizze für die Lagerhalle und die vom Geschäftsführer der Klägerin unterfertigte Vollmacht. In einem persönlichen Gespräch machte der Betreuer der Beklagten die Makler S***** und T***** auf das Fehlen von „Werten" (Angaben) zu den neu zu versichernden Objekten aufmerksam und verlangte insbesondere eine Schadensaufstellung des Vorversicherers. Er informierte seine Gesprächspartner, dass er erst nach Erhalt dieser Aufstellung die Prämienhöhe ausrechnen könne. Die Makler erwähnten bei diesem Gespräch die Einbruchs- oder Diebstahlsschäden im Betrieb der Klägerin nicht.

Mit E-Mail vom 26. 9. 2004 bat Peter S***** den Betreuer der Beklagten um Rückmeldung. Dieser urgierte in darauf folgenden Telefonaten die Übermittlung einer Schadensaufstellung des Vorversicherers vorerst vergeblich. Deshalb berechnete der Betreuer die Höhe der Prämie ohne Berücksichtigung von Vorschäden und übermittelte seine Berechnungen samt entsprechenden Antragsformularen mit E-Mail vom 29. 9. 2003 an S***** mit dem Hinweis „Anbei die Berechnung und dazu passender Antrag vorbehaltlich der Risikoprüfung!"

Peter S***** füllte die Antragsformulare in Anwesenheit des Geschäftsführers der Klägerin aus. Zu der im Vordruckformular enthaltenen Frage, ob sich in den letzten drei Jahren Schäden ereignet hätten, wurde von S***** das Zeichen „\" eingesetzt, obwohl ihn der Geschäftsführer über die von einem Lehrling verübten Diebstähle informiert hatte. Am 7. 10. 2003 unterfertigte der Geschäftsführer die Anträge. Am 9 .10. 2003 übergab Peter S***** die unterfertigten Anträge - den Unterlagen war keine Schadensaufstellung des Vorversicherers angeschlossen - einem weiteren Maklerbetreuer der Beklagten, der erklärte, er werde sie dem ursprünglichen Betreuer, der sich damals im Krankenstand befand, zukommen lassen; dieser werde im Falle von Unklarheiten Rücksprache mit S***** halten. Eine Deckungszusage machte der Betreuer gegenüber Peter S***** nicht. Der aus dem Krankenstand zurückgekehrte ursprüngliche Betreuer urgierte gegenüber S***** die Übermittlung einer Schadensaufstellung neuerlich.

Am 19. 10 .2003 wurde im Betrieb der Klägerin ein Einbruchsdiebstahl verübt. Am darauf folgenden Tag erkundigte sich Peter S***** - ohne vorerst den Einbruchsdiebstahl zu erwähnen - beim Betreuer der Beklagten nach der Entwicklung des Antrages. Nachdem ihm der Betreuer mitgeteilt hatte, dass die Ausstellung einer Polizze erst nach Übermittlung einer Schadensaufstellung erfolgen könne, brachte Peter S***** diesem den Einbruchsdiebstahl vom Vortag zur Kenntnis. Am Nachmittag desselben Tages langte die Schadensaufstellung, in der die vier Schadensfälle vom 11. 4. und 29. 9. 2002 sowie vom 5. 1. und 8. 8. 2003 erwähnt waren, bei der Beklagten ein. Diese erklärte mit Schreiben vom 21. 10. 2003, dass auf Grund von Obliegenheitsverletzungen keine Versicherungsdeckung für den Schadensfall vom 19. 10. 2003 bestehe und ersuchte um Aufklärung von Ungereimtheiten, die Schäden der letzten drei Jahre betreffend. Am 23. 10. 2003 gab der Versicherungsbetreuer der Beklagten die Originalanträge an den Makler S***** zurück. Dieser reichte sie am selben Tag (neuerlich) bei der Beklagten ein, nachdem er die Frage nach den Schadensereignissen der letzten drei Jahre nun mit „ja, laut Schadensaufstellung" beantwortet hatte. Mit Schreiben vom 30. 10. 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Abschluss der Betriebsbündelversicherung mit dem Hinweis ab, dass auch vom Tag der Übergabe des Antrages (9. 10. 2003) bis zum Erhalt dieses Schreibens kein Versicherungsschutz, auch kein vorläufiger, bestanden habe. Mit der gegenständlichen Klage begehrte die Klägerin den Zuspruch von EUR 21.020,-- sA im Wesentlichen mit der Behauptung, ein Mitarbeiter der Beklagten habe ihr am 9. 10. 2003 Versicherungsschutz ab diesem Zeitpunkt zugesichert, weshalb die Beklagte die Deckung des Schadensfalles vom 19. 10. 2003 zu Unrecht abgelehnt habe. Eine Schadensbilanz des Vorversicherers sei erst nach Meldung des Schadensfalles vom Betreuer der Beklagten verlangt worden. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Übernahme des Risikos sei nur nach Vorlage eines Schadensrendements des Vorversicherers vereinbart worden. Da dieses vor dem Schadensfall nicht vorgelegt worden sei, sei sie nicht deckungspflichtig. Darüber hinaus habe die Klägerin ihre Anzeigepflicht schuldhaft verletzt, weil sie im Antrag vom 9. 10. 2003 frühere Versicherungsfälle verschwiegen und die bezughabende Rubrik mit einem Schrägstrich versehen habe, was nur als ein „Nein" verstanden habe werden können.

Das Erstgericht, das das Verfahren auf den Grund des Anspruchs einschränkte, wies das Klagebegehren ab. Eine Ersatzleistung der Beklagten sei ausgeschlossen, weil bezüglich der vorläufigen Deckung keine übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien vorgelegen seien und die Klägerin der Beklagten bis zum Schadenseintritt am 19. 10. 2003 keine Schadensaufstellung übermittelt habe. Andernfalls sei die Beklagte iS der §§ 16 Abs 1, 17 Abs 1 VersVG mit Recht vom Vertrag zurückgetreten, weil die Klägerin gefahrenerhebliche Umstände, nach denen die Beklagte auch gefragt habe, nicht angezeigt habe. Die Frage, ob der Querstrich („\") als Verneinung oder als Verweigerung der Antwort zu werten sei, könne unbeantwortet bleiben, weil die falsche Angabe und das Verschweigen eines erheblichen Gefahrenumstandes rechtlich gleich zu behandeln seien. Die Klägerin habe zumindest fahrlässig Vorschäden nicht erwähnt. Das Verschweigen von Vorschäden sei für die Nichterbringung einer Versicherungsleistung durch die Beklagte kausal gewesen; diese habe ihre Ablehnung primär auf die Vorschäden gestützt; ihr ablehnendes Schreiben sei als Vertragsrücktritt zu werten, dieser Rücktritt sei zufolge Anzeigepflichtverletzung durch die Klägerin gerechtfertigt.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, dass es mit Zwischenurteil aussprach, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht, das unter einem von der Beklagten mit der Berufungsbeantwortung vorgelegte Urkunden zurückwies, führte dazu im Wesentlichen aus, zwar sei von der Beklagten keine vorläufige Deckungszusage erteilt worden. Die von der Klägerin in der Berufung ins Treffen geführte Bestimmung des § 1a Abs 2 VersVG sehe aber eine vorläufige Deckung vor, wenn der Versicherer seiner dort normierten Hinweispflicht nicht nachkomme. Im Sinne dieser Gesetzesstelle müsse der Versicherer den Versicherungsnehmer darauf hinweisen, dass es vor Zustandekommen des Vertrages keinen Versicherungsschutz gebe, wenn der Versicherungsnehmer seinen Antrag auf einem vom Versicherer verwendeten Formblatt erkläre. Erfülle der Versicherer seine Hinweispflicht nicht oder könne er ihre Erfüllung nicht beweisen, habe er den beantragten Versicherungsschutz zu gewähren. Die Berufung auf diese Bestimmung stelle keine unzulässige Neuerung dar, weil sich die Klägerin schon im erstinstanzlichen Verfahren auf die mit der Antragstellung verbundene Deckungspflicht des Versicherers berufen habe und der Sachverhalt rechtlich allseits zu prüfen sei. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der genannten Bestimmung sei nur die Verwendung eines Antragsformulars des Versicherers. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da die Klägerin bzw ihr Versicherungsmakler das Antragsformular ausgefüllt und unterfertigt habe. Zum Ausschluss der vorläufigen Deckung hätte es eines negativen Deckungshinweises bedurft. Der Klägerin hätte ausreichend klar gemacht werden müssen, dass sie mit der Antragstellung noch keine Deckung genieße. Eine derartige Klarstellung sei aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Es sei daher die vorläufige Deckungspflicht der Beklagten nach § 1a Abs 2 VersVG auch ohne ausdrückliche Deckungszusage zu bejahen.

Die an sich zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes zum Rücktrittsrecht des Versicherers bei Verletzung der Anzeigepflicht (§ 16 VersVG) könnten die Ablehnung einer Deckungspflicht der Beklagten nicht hinreichend begründen, weil gemäß § 21 VersVG trotz Rücktritts des Versicherers nach Eintritt des Versicherungsfalles eine Verpflichtung zur Leistung bestehen bleibe, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt worden sei, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt habe, also nicht kausal gewesen sei. Die vor Eintritt des Schadensfalles nicht bekannt gegebenen Schäden hätten aber wohl den Vertragsinhalt (die Höhe der Prämie), allenfalls auch den Vertragsabschluss selbst beeinflusst, seien aber nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles gewesen, weshalb die Berufung auf ein Rücktrittsrecht des Versicherers bei Bestehen eines vorläufigen Deckungsschutzes nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten geführt habe. Diese habe sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf Arglist berufen, weshalb ihr in der Berufungsbeantwortung enthaltener Hinweis auf § 22 VersVG, abgesehen davon, dass aus dem zugrundezulegenden Sachverhalt keine arglistige Täuschung abgeleitet werden könne, zu keinem anderen Ergebnis führe.

Die Leistungspflicht der Beklagten ergebe sich aus dem Gesetz (§ 1a Abs 2 VersVG). Dass die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen diese Gesetzesbestimmung nicht zitiert habe, schade nicht, weil ihr Vorbringen - Versicherungsschutz ab Antragstellung - das notwendige Tatsachensubstrat enthalte. Die Beklagte habe im erstinstanzlichen Verfahren zum Vorbringen der Klägerin Stellung genommen und ihrerseits vorgebracht, dass aus der Entgegennahme des Antrages keine Rechtsfolgen abzuleiten seien. Dass diese Frage im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die in § 1a Abs 2 VersVG normierte Hinweispflicht nicht näher erörtert werden sei, vermöge keinen Mangel zu begründen, weil es an der Beklagten gelegen wäre, schon im erstinstanzlichen Verfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Das auf erstmals in der Berufungsbeantwortung vorgelegte Urkunden gestützte Begehren der zusätzlichen Feststellung eines negativen Deckungshinweises der Beklagten müsse schon am Neuerungsverbot scheitern, das auch die Geltendmachung neuer Beweismittel umfasse. Die betreffenden Urkunden seien daher zurückzuweisen gewesen.

Die Forderung der Klägerin bestehe daher dem Grunde nach zu Recht. Das Fehlen von Feststellungen zur Höhe des Anspruches lasse aber eine abschließende Beurteilung noch nicht zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zum Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers bei Fehlen eines negativen Deckungshinweises und Verletzung einer Anzeigenobliegenheit im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1a Abs 2 VersVG vorliege. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht und beantragt, das angefochtene Zwischenurteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Von der Klägerin wird in der Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin zurück- oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Rahmen ihrer Mängelrüge geltend, dass sie durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, sie habe der Klägerin gemäß § 1a Abs 2 VersVG Versicherungsschutz zu leisten, überrascht worden sei; die Klägerin habe sich auf § 1a Abs 2 VersVG (genauer: auf Umstände, die eine Anwendung dieser Gesetzesbestimmung ermöglichen bzw bedingen würden) in erster Instanz nicht gestützt.

Dieser Einwand ist berechtigt:

Zwar musste die Klägerin, wie das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang richtig ausführte, die bezughabende gesetzliche Bestimmung nicht zitieren. Auch ist ein reines Rechtsvorbringen, mag es auch neue Rechtsstandpunkte aufzeigen, zulässig (vgl Pimmer in Fasching/Konecny2 IV/1 § 482 Rz 30). Die Geltendmachung eines neuen rechtlichen Gesichtspunktes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ist im Rechtsmittelverfahren allerdings nur dann zulässig, wenn die dafür erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet wurden (Kodek in Rechberger2 § 482 ZPO Rz 9). Durch das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO wird im Berufungsverfahren das Tatsachenvorbringen und das Beweisanerbieten so weit ausgeschlossen, als diese Tatumstände und Beweise nach Inhalt des Urteiles und der Prozessakten nicht schon in erster Instanz vorgekommen sind (1 Ob 128/98z mwN; 3 Ob 49/02f uva; RIS-Justiz RS0042011). Die Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei im Rechtsmittelverfahren stellt daher (nur) dann keine gemäß § 482 ZPO unzulässige Neuerung dar, wenn die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (1 Ob 128/98z mwN; 3 Ob 49/02f; RIS-Justiz RS0016473).

Dies ist hinsichtlich der hier erstmals in der Berufung erfolgten Bezugnahme auf § 1a Abs 2 VersVG aber nicht der Fall. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist der Versicherungsnehmer unter der Voraussetzung, dass er den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages auf einem vom Versicherer verwendeten Formblatt stellt, vom Versicherer darauf hinzuweisen, dass der Versicherungsvertrag erst mit Zugang des Versicherungsscheines oder einer gesonderten Annahmeerklärung zustandekommt und vor diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz besteht. Erfüllt der Versicherer diese Hinweispflicht (genauer: Hinweisobliegenheit - 1553 BlgNR 18. GP 12; vgl Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, VersVG-Novellen § 1a Rz 9) nicht oder kann er ihre Erfüllung nicht beweisen, hat er den beantragten Versicherungsschutz „nach Art einer gesetzlich angeordneten vorläufigen Deckung" (1553 BlgNR 18. GP. 12) zu gewähren; der Versicherungsnehmer ist also so zu stellen, als hätte er im Zeitpunkt seiner Antragstellung erfolgreich vorläufige Deckung beantragt (Fenyves aaO Rz 11).

Nach Satz 2, erster Halbsatz leg cit („Kann der Versicherer einen solchen Hinweis nicht beweisen, ...") trifft die Beweislast für die Erfüllung der Hinweispflicht den Versicherer (vgl Fenyves aaO Rz 12). Im vorliegenden Fall bestand für die Beklagte aber in erster Instanz gar kein Anlass, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, ihrer Hinweisobliegenheit genügt zu haben, da die Klägerin ausdrücklich vorgebracht hatte, ihr sei seitens der Beklagten vorläufige Deckung zugesagt (also vertraglich zugesichert) worden. Eine solche Zusage war aber nur bei Erfüllung der in Rede stehenden Hinweisobliegenheit überhaupt erforderlich. Andernfalls hätten sich ja die betreffende Behauptung der Klägerin und umfangreiche Beweisaufnahmen zu diesem Thema erübrigt, weil die Beklagte dann unabhängig von einer solchen Zusage jedenfalls zur vorläufigen Deckung verpflichtet gewesen wäre. Wollte die Klägerin sich sowohl auf eine Zusage der vorläufigen Deckung als auch auf eine Verletzung der Hinweisobliegenheit stützen, hätte sie dies daher zum Ausdruck bringen müssen.

Ein entsprechendes Vorbringen wurde aber von der Klägerin in erster Instanz in keiner Weise - auch nicht konkludent - erstattet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes indizierte die bloße Behauptung der Deckungspflicht der Beklagten den Vorwurf, diese habe einen entsprechenden Hinweis unterlassen, im vorliegenden Fall keineswegs. Da die Klägerin die von ihr behauptete Deckungspflicht in erster Instanz - ausdrücklich und ausschließlich - auf die Behauptung einer (vertraglichen) vorläufigen Deckungszusage gestützt hat, kann davon, dass das Vorbringen der Klägerin - wie das Berufungsgericht meint - diesbezüglich „das notwendige Tatsachensubstrat enthält", keine Rede sein. Der erstmals in der Berufung von der Klägerin erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen § 1a Abs 2 VersVG war daher zufolge des Neuerungsverbotes des § 482 ZPO unbeachtlich.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, dass selbst dann, wenn man ein ausreichendes Vorbringen der Klägerin in erster Instanz unterstellen könnte, dem Einwand der Revisionswerberin, es liege eine Überraschungsentscheidung vor, Berechtigung zukäme. Nach der durch die ZVN 2002 eingefügten Bestimmung des § 182a ZPO darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten uä) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte stützen, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Dies gilt entgegen der Vorjudikatur zur alten Rechtslage auch dann, wenn rechtliche Gesichtspunkte, die von der Gegenseite in erster Instanz bereits ins Spiel gebracht worden waren, übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (7 Ob 83/05i, EvBl 2005/195). Demnach wäre der von der Klägerin erstmals im Berufungsverfahren erhobene Einwand, die Beklagte habe ihr zufolge Verletzung der Hinweisobliegenheit nach § 1a Abs 2 VersVG Versicherungsschutz zu leisten, jedenfalls mit der Beklagten zu erörtern und dieser auch Gelegenheit zu geben gewesen, jene Urkunden, die nun vom Berufungsgericht zurückgewiesen wurden, zum Beweis ihres Gegenvorbringens vorzulegen.

Wie bereits ausgeführt, erweist sich aber der betreffende, erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte Einwand zufolge des Neuerungsverbotes des § 482 ZPO ohnehin als unbeachtlich. Mangels Verifizierung einer von der Klägerin behaupteten vorläufigen Deckungszusage kommt dem Klagebegehren keine Berechtigung zu, ohne dass auf die weiteren Einwände der Beklagten, auch im Hinblick auf ein arglistiges Vorgehen und eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch die Klägerin leistungsfrei zu sein, noch einzugehen wäre. In Stattgebung der Revision ist daher die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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