OGH 7Ob52/06g

OGH7Ob52/06g29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei DI Josef Sch*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, und des Nebenintervenienten DI Norbert M*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten und widerklagenden Parteien 1. Hedwig K*****, und 2. Walter K*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Willibald Rath und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen (Revisionsinteresse) EUR 12.508,42 sA und EUR 4.142,35 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2004, GZ 4 R 157/04x-84, womit infolge der Berufungen sämtlicher Parteien und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. April 2004, GZ 12 Cg 255/99x-68, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei sowie dem Nebenintervenienten zu Handen ihrer jeweiligen Vertreter binnen 14 Tagen die mit je EUR 1.031,98 (hierin enthalten EUR 172 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile schlossen 1992 und 1994 anlässlich der Veräußerung von (teilweise im Allein-, teilweise im Miteigentum stehenden) Liegenschaften der Beklagten und Widerkläger, über die Erstellung von Bebauungsplänen, Ansuchen um erforderliche baubehördliche Widmungen sowie die Bauabwicklung einschließlich Wiedererrichtung diverser bei einem Brand zerstörter Gebäude zwei Architektenwerkverträge, über deren Abrechnung (einschließlich hiegegen erhobener Gegenforderungen) das seit 26. 11. 1999 (Widerklage vom 8. 9. 2000) gegenständliche Verfahren geführt wird. Im Hinblick auf die (bereits am 3. 12. 2002 beschlussmäßig erfolgte) Verbindung beider Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung werden zur Vereinfachung der Kläger zu 12 Cg 255/99x (Hauptverfahren) und Widerbeklagte zu 12 Cg 205/00y fortan nur mehr als Kläger sowie die Beklagten des Hauptverfahrens und Kläger des Widerklageverfahrens als Beklagte bezeichnet. Das zunächst auf Bezahlung von S 354.862,88 (EUR 25.788,89) sA gerichtete Klagebegehren wurde im Verfahren erster Instanz mehrfach auf zuletzt EUR 25.040,35 sA eingeschränkt (ON 27). Hinsichtlich der Aufschlüsselung dieser eingeschränkten Klageforderung kann auf die Aufstellung in S 5 des Berufungsurteils (AS 229) verwiesen werden. Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandten den in ihrer gesonderten Widerklage geltend gemachten Betrag von EUR 22.281,60 im Hauptverfahren auch als Gegenforderung ein.

Zunächst ausdrücklich nur für das verbundene Widerklageverfahren (ON 38) und im Rahmen der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung auch für das Hauptverfahren (ON 69) ist der streitverkündete Architekt DI M***** auf Seiten der klagenden Partei dem Verfahren als Nebenintervenient beigetreten.

Das Erstgericht sprach mit mehrgliedrigem Urteil aus, dass (im Hauptverfahren) die Klageforderung mit EUR 12.508,42 und die Gegenforderung mit EUR 6.000 zu Recht bestehe, verpflichtete demgemäß die beklagten Parteien [allerdings abweichend vom Klagebegehren nicht zur ungeteilten Hand, ohne dies allerdings näher zu begründen oder als Mehrbegehren abzuweisen] zur Zahlung von EUR 6.508,42 samt Staffelzinsen und wies das Mehrbegehren von EUR 18.531,93 sA ab; hinsichtlich der Widerklage erkannte es den Kläger (als Widerbeklagten) seinerseits schuldig, den Beklagten (als Widerklägern) EUR 6.000 sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von EUR 16.281,60 sA ab. Hinsichtlich der zu Recht bestehenden Klageforderung wird auf die Aufschlüsselung in S 42 f des Ersturteils (AS 124 f) bzw 9 f des Berufungsurteils (AS 237 f) verwiesen. Gegen dieses Urteil erhoben sämtliche Parteien und der Nebenintervenient Berufungen. Das Berufungsgericht gab jenen des Klägers und des Nebenintervenienten teilweise Folge, jener der beklagten Parteien hingegen nicht Folge und fasste den Urteilsspruch insgesamt wie folgt neu: Die Klageforderung wurde (wie vom Erstgericht) als mit EUR 12.508,42 sA zu Recht bestehend festgestellt, die Gegenforderung (abweichend) mit EUR 4.142,35, sodass die beklagten Parteien (nunmehr zur ungeteilten Hand) zur Zahlung von EUR 8.366,07 sA (unter Abweisung eines Mehrbegehrens von EUR 16.674,32) im Hauptverfahren verurteilt wurden; im Widerklageverfahren wurde der Kläger (abweichend) bloß zur Zahlung von EUR 4.142,35 sA verurteilt und das Mehrbegehren von EUR 18.139,25 sA abgewiesen.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Über (nach Verbesserungsauftrag hinsichtlich der zunächst nur als „außerordentliche Revision" bezeichneten Revision: ON 85) gemäß § 508 ZPO gestellten Abänderungsantrag der beklagten (und widerklagenden) Parteien änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil es - im Rahmen der im Folgenden noch näher auszuführenden Anfechtungspunkte - zwar meistenteils weiterhin die Auffassung vertrete, dass hiezu keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht werde, jedoch in einem weiteren Punkt (als „Nebenkosten" verzeichnete Fahrtkosten im Rahmen des klägerischen Gesamthonorars) eine solche Rechtsfrage deshalb vorliege, weil das Berufungsgericht hiezu in Behandlung der diesbezüglichen Rechtsrüge in der Berufung „versehentlich nicht Stellung genommen" habe. In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten ordentlichen Revision begehren die Beklagten die Abänderung der bekämpften Entscheidung dahin, dass das Hauptklagebegehren zur Gänze abgewiesen und ihrem Widerklagebegehren mit EUR 8.284,70 stattgegeben werde.

Die klagende Partei und der Nebenintervenient haben nach Freistellung Revisionsbeantwortungen erstattet. Beide beantragen die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO, der Kläger überdies wegen Verspätung des Revisionsschriftsatzes), in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Zunächst ist - in Erwiderung der klägerischen Revisionsbeantwortung - vorauszuschicken, dass die Revision der beklagten Parteien rechtzeitig (§ 505 Abs 2 ZPO) erhoben wurde. Das Berufungsurteil war ihren Vertretern am 11. 4. 2005 zugestellt worden (ON 84), die Postaufgabe der zunächst „außerordentlichen Revision" erfolgte am 9. 5. 2005 (ON 85). Dem Rückleitungsauftrag des Berufungsgerichtes (ON 87) samt Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes (ON 88) - zur Nachholung des Abänderungsantrages nach § 508 ZPO - binnen vier Wochen (zugestellt am 26. 9. 2005) wurde fristgerecht entsprochen (Postaufgabe 24. 10. 2005; ON 89).

Weiters ist voranzustellen, dass sowohl die Abweisung des klägerischen Mehrbegehrens von EUR 16.674,32 sA im Hauptverfahren als auch die Abweisung des Widerklagemehrbegehrens im verbundenen Verfahren in Höhe von EUR 9.854,55 sA in Rechtskraft erwachsen sind. Soweit in der Revision (als erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes) ausgeführt wird, dass zufolge Zusammenrechnung der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes über und nicht unter EUR 20.000 betragen habe, kann der - bereits vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobene - Hinweis genügen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der (gemäß § 55 Abs 5 JN auch für die Revisionszulässigkeit maßgeblichen) Streitwertberechnung Klage und Widerklage gesondert zu bewerten (also nicht zusammenzurechnen) sind (RIS-Justiz RS0042626; RS0037271; 7 Ob 145/02b; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² Rz 167 zu § 502 mwN); auch die mit prozessualer Aufrechnungseinrede geltend gemachte Gegenforderung ist hiefür unmaßgeblich (Zechner, aaO Rz 168). Da somit ein dem § 508 ZPO zu unterstellender Fall vorlag, war auch der darauf fußende Verbesserungsauftrag des Berufungsgerichtes keinesfalls (so die Revisionsbeantwortung des Klägers) „rechtswidrig und von den Bestimmungen der ZPO nicht getragen".

Aber auch sonst liegt keine für die Revisionszulässigkeit erforderliche Erheblichkeit einer Rechtsfrage vor.

Nach den für die Revisionsbeurteilung allein maßgeblichen Feststellungen der Tatsacheninstanzen war zwischen den Streitteilen vereinbart worden, dass die vom Kläger monatlich auf Grundlage der GOA abzurechnenden „Nebenkosten" (soweit nicht eine Überwälzung auf potenzielle Liegenschaftskäufer in Frage kam) jedenfalls von den Beklagten zu tragen sind. Zur Leistungserbringung in betraglicher Hinsicht hat das Erstgericht ausführliche Feststellungen getroffen (AS 109 ff), welche vom Berufungsgericht (soweit bekämpft) als unbedenklich übernommen wurden (AS 285 und 287). Dies erkennen auch die Revisionswerber, wenn sie zu den hiezu als „aktenwidrig" bezeichneten Feststellungen selbst ausführen, dass diese „mit Tatsachenrüge leider nicht mehr bekämpft werden können". Auch wenn das Berufungsgericht zur Frage, ob der bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 in Salzburg „etablierte" Kläger, der das Büro des Nebenintervenienten in Graz als Architektenkollege mitbenützen durfte, Fahrtkosten von Salzburg nach Graz verrechnen durfte, in seiner rechtlichen Beurteilung nicht besonders („versehentlich") Stellung genommen hat, so liegen doch hiefür ausreichende (und diesen der Höhe nach in der Revision ohnedies nicht mehr betraglich bekämpfenden Klagsanspruch jedenfalls rechtfertigende) Feststellungen vor: Danach hatte der Kläger im fraglichen Zeitraum (der Vertragsbeziehung mit den Beklagten) durchgehend seinen „Kanzleisitz" ausschließlich in Salzburg; lediglich für die Abwicklung seiner Projekte in Graz konnte er unentgeltlich das Büro und die EDV-Anlage des Nebenintervenienten in Graz benützen. Das Erstgericht hat die für berechtigt erachteten Reisekosten zufolge Ablehnung dieses nur punktuell mitbenützten Grazer Büros des Berufskollegen als (selbstständige) „Zweigniederlassung" in seiner rechtlichen Beurteilung ausführlich begründet (S 39 ff = AS 121 ff). Diese Feststellungen waren in der Berufung der Beklagten unbekämpft geblieben. Soweit hiezu auf die Auslegung des Vertrages vom 14. 5. 2002 verwiesen wird, entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass der Vertragsauslegung grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042776; RS0044298; RS0042936). Was den Umstand der Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger betrifft, weil es diesem zufolge seines „eigenständigen" Büros in Graz „möglich gewesen sein müsste, seine Termine so zu koordinieren, dass er nicht wegen einem Termin für das Projekt der Beklagten extra nach Graz anreisen muss", ist zu erwidern, dass ein solcher Einwand im Verfahren erster Instanz nicht erhoben wurde, sodass das Berufungsgericht zutreffend darauf nicht näher eingehen musste. Da die Beweislast hiefür die Beklagten traf (Karner in KBB, ABGB Rz 11 zu § 1304), bedurfte es auch einer entsprechenden Einwendung im Prozess (RIS-Justiz RS0027156; RS0111235); wegen des Neuerungsverbotes ist eine Nachholung erst im Rechtsmittelverfahren nicht möglich (RIS-Justiz RS0026915). Gleiches hat übrigens auch für die in der Revisionsbeantwortung vom Kläger vorgetragene Erwiderung, die Beklagten hätten diesen Kostenanteil „aufgrund jahrelanger widerspruchsloser Übung" zu tragen, zu gelten. Auch die Verschuldensteilung (im Zusammenhang mit der abweichend vom Plan gesetzten vierten Säule) begründet keine erhebliche Rechtsfrage. Das Berufungsgericht hat (so wie schon das Erstgericht) das diesbezügliche Fehlverhalten zwischen dem vom Kläger eingesetzten und ihm als Erfüllungsgehilfe zuzurechnenden Nebenintervenienten einerseits (wegen nicht ausreichender Kontrolle der Polierpläne) - wobei die Errichtung von vier statt drei Säulen auch dem Kläger selbst erst verspätet aufgefallen ist - sowie der (der Sphäre der Beklagten zuzurechnenden) Generalunternehmerin (eigenmächtige Veränderung der nur drei Säulen umfassenden Pläne „zufolge Änderung im statischen System") andererseits als gleichwertig und gleichteilig erachtet. Darin kann eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Das Ausmaß eines Mitverschuldens kann wegen seiner Einzelfallbezogenheit regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS-Justiz RS0087606). Der Oberste Gerichtshof soll - wie er bereits vielfach ausgesprochen hat - von grundsätzlichen Fragen abgesehen nur dann befasst werden, wenn das behandelte Rechtsproblem potenziell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt, also über den konkreten Einzelfall hinaus eine beispielhafte Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0042405; RS0018080).

Die Revision ist damit insgesamt unzulässig und zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41, 50 ZPO. Beide Rechtsmittelgegner haben auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

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